Festnahme und Untersuchungshaft in Polen – die wichtigsten Informationen – Teil 1

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Festnahme und Untersuchungshaft in Polen – die wichtigsten Informationen

Die Untersuchungshaft ist die lästigste und unangenehmste Maßnahme zur Sicherstellung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung, die im polnischen Strafrecht vorgesehen ist und infolge der Festnahme angewendet werden kann. Wegen ihrer Spezifik bedarf die Festnahme durch die polnische Polizei der Ergreifung von schnellen und entschiedenen Verteidigungsmaßnahmen, deren Charakter und Wirksamkeit in dieser Phase weitere Ausrichtung des späteren Strafverfahrens in Polen determinieren kann.

In diesem Zusammenhang ist sehr wichtig, dass sowohl der Festgenommene oder Beschuldigte (d.h. die Person, der das Organ, das das Verfahren nach der Festnahme führt, bereits die Vorwürfe genannt hat), als auch gleichermaßen seine Familie und Nahestehende ihre Rechte kennen und wissen, wie sie diese Reche in Anspruch nehmen können.

Oft kommt es vor, dass die Festnahme für den Betroffenen und seine Angehörigen der erste Kontakt mit dem gegen ihn geführten Verfahren ist. Das Organ ist verpflichtet, bei der Festnahme deren Grund zu nennen sowie den Festgenommenen über die ihm zustehenden Rechte zu belehren.

Sehr wichtig und nicht zu vergessen ist, dass das Organ auf Wunsch des Festgenommenen unverzüglich eine von ihm genannte Person über die vorgenommene Festnahme zu benachrichtigen hat, und zwar unter Angabe des Namens des Organs, zu dessen Verfügung der Festgenommene überwiesen wird, d.h. des Organs, das in der nächsten Phase des Verfahrens über das Schicksal des Festgenommenen entscheiden und mit ihm Prozesshandlungen führen wird.

Darüber hinaus gehören zu den wichtigsten unter den dem Festgenommenen zustehenden Rechten auch: das Recht auf Inanspruchnahme der kostenlosen Hilfe eines Dolmetschers/Übersetzers, wenn der Festgenommene der polnischen Sprache nicht ausreichend mächtig ist, und das Recht auf die Inanspruchnahme der Unterstützung durch einen Anwalt.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass für den Festgenommenen in dieser Verfahrensphase noch kein Verteidiger bestellt wurde und dass ihm sehr oft noch keine Kontaktdaten eines Anwalts vorliegen, den er als seinen Verteidiger bestellen könnte.

Nach der vorgenommenen Festnahme erfolgt die Überweisung des Betroffenen zur Verfügung des polnischen Staatsanwalts oder der Beamten (z.B. der Polizeibeamten oder eines anderen Strafverfolgungsorgans), die das Verfahren führen und anschließend damit beginnen, die Anklage zu erheben und die erste Vernehmung durchzuführen. Es handelt sich dabei um die wichtigste Handlung in dieser Verfahrensphase, die ausschlaggebend für den weiteren Verlauf der Rechtssache sein kann, weil oft von dem Inhalt der gemachten Erläuterungen nicht nur die Frage danach abhängen wird, ob das das Verfahren führende Organ sich für die anschließende Einreichung des Antrags beim Gericht auf Anwendung der Untersuchungshaft entscheidet (was innerhalb von 48 Stunden nach der Festnahme erfolgen muss, andernfalls ist der Betroffene nach Ablauf dieser Frist unverzüglich freizulassen), sondern vor allem auch die Richtung, in die spätere Verteidigung in der Sache geführt wird. Die zu diesem Zeitpunkt gemachten Erläuterungen können den späteren Freispruch des Betroffenen erheblich erschweren oder sogar unmöglich machen.

Jeder Fall ist anders, hat einen anderen Charakter, und somit gibt es keine einzig richtige Verhaltensstrategie, so dass sich manchmal als der beste Ausweg für den Beschuldigten erweisen kann, die zu Last gelegten Taten zu gestehen und ausführliche Erklärungen zu machen, in einem anderen Fall dagegen, nicht zu gestehen und die Aussage konsequent zu verweigern, keine Fragen zu beantworten, wovon das Organ, das das Verfahren führt oder die Anklage erhebt, den Beschuldigten als von den ihm zustehenden Rechten zu belehren hat.

Wenn der Beschuldigte keine Möglichkeit hatte, einen Verteidiger zu konsultieren, scheint die günstigste Lösung darin zu bestehen, das Recht auf Verweigerung der Erklärungen in dieser Phase in Anspruch zu nehmen und keine Fragen zu beantworten. Gegenständliche Erklärungen können später, in fast jeder Verfahrensphase gemacht werden; falls dagegen solche Erklärungen schon gemacht worden sind, gibt es keine Möglichkeit mehr, sie später zu widerrufen.

Wie bereits erwähnt, verfügt der Festgenommene oder der in Untersuchungshaft in Polen genommene Betroffene meistens über keine Kontaktdaten eines Anwalts. Wenn dies der Fall ist, sind dabei die Vorschriften der polnischen Strafprozessordnung behilflich, in denen der Grundsatz vorgesehen ist, laut dem bis zum Zeitpunkt der Bestellung eines Verteidigers durch den Angeklagten (und auch den Beschuldigten), welchem die Freiheit entzogen wurde, der Verteidiger durch eine andere Person bestimmt werden kann, worüber der Angeklagte/Beschuldigte unverzüglich zu unterrichten ist (Art. 83 § 1 der polnischen Strafprozessordnung, ZPO). Das bedeutet, dass der Anwalt für die Person, der die Freiheit entzogen wurde, durch absolut jede Person bestimmt (bestellt) werden kann, es muss nicht ein Familienmitglied oder eine Person sein, die der Beschuldigte/Angeklagte überhaupt kennt. Es kommt manchmal vor, dass der Beschuldigte an seinem Wohnort inhaftiert, und anschließend zu einem entfernten Ort befördert wird, wo das Ermittlungsverfahren geführt wird. In diesem Fall müssen die Angehörigen des Beschuldigten keine mehrere Hundert Kilometer hinfahren, um eine Bevollmächtigung zur Verteidigung zu unterschreiben, weil es ausreicht, wenn sie sich mit dem Anwalt in Verbindung setzen, und die Vollmacht durch eine beliebig bestimmte Person unterzeichnet wird.

Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Verlangen des Festgenommenen ihm unverzüglich ermöglicht werden muss, den Kontakt mit dem Verteidiger aufzunehmen. Das bedeutet, dass ein solcher Kontakt ausschließlich auf Wunsch und auf Initiative des Festgenommenen, und nicht des bestellten Verteidigers, sichergestellt ist.

Obwohl die Pflicht zur Unterrichtung des Festgenommenen, dass ein Verteidiger für ihn bestellt wurde, dem das Ermittlungsverfahren führenden Organ obliegt, wird diese Pflicht manchmal nicht erfüllt. Man sollte nicht vergessen, dass der Anwalt zu seinem Mandanten nicht zugelassen wird, solange der Mandant nicht einen solchen Wunsch geäußert hat. In diesem Fall, wenn der Anwalt durch eine andere Person als durch den Festgenommenen (Beschuldigten) selbst bestimmt (bestellt) wurde, soll er verlangen, dass das Verfahren führende Organ den Festgenommenen informiert, dass für ihn ein Verteidiger bestellt wurde, der bereits vor Ort ist und auf Kontakt mit ihm wartet.

Der erste Kontakt des Festgenommenen (Beschuldigten) mit dem Anwalt ist in dieser Phase von großer Bedeutung, weil der Festgenommene dabei erfährt, dass für ihn eine professionelle Hilfe bereitgestellt wurde und dass er nicht allein gelassen wurde. Der Verteidiger kann auch mit dem Festgenommenen abstimmen, wie er sich im Laufe der nächsten Handlungen verhalten sollte, solange sie die Verteidigungsstrategie nicht abstimmen können. Der Kontakt des Festgenommenen (Beschuldigten) mit dem Verteidiger ist in dieser Phase auch aus einem anderen Grund sehr wichtig, und nämlich, wegen der Möglichkeit der etwaigen Einlegung der Rechtsbehelfe (Beschwerdemittel) durch den Verteidiger gegen die vorgenommene Festnahme oder den Beschluss des Gerichts über Anwendung der Untersuchungshaft in Polen, wofür in der polnischen Strafprozessordnung eine sehr kurze, 7-tägige Frist gerechnet ab dem Tag der Festnahme in Polen oder ab dem Tag, an dem das Gericht den Beschluss über Untersuchungshaft erlassen hat, vorgesehen ist.


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