Gefälligkeitsatteste (beispielsweise betreffend Maskenbefreiung, Impfung, Test und Genesung) können strafbar sein

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Durch die aktuelle Corona-Situation sind einige Strafnormen in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gekommen, welche vorher wenig Bedeutung hatten. Hierbei geht es falsche Atteste und andere ärztliche Bescheinigungen.

Es gibt mittlerweile zahlreiche diesbezügliche Ermittlungsverfahren.

Durch die Ausstellung einer Vielzahl von Attesten und Bescheinigungen bezüglich Impfungen, negativer Tests, durchgemachter Infektion oder auch einer Ungeeignetheit zum Tragen einer Maske hat das Thema eine große Relevanz erhalten.

Unzählige Grundrechtseingriffe und Bürgerrechte hängen zur Zeit erheblich von diesen Attesten und Nachweisen ab. Somit besteht für viele Personen ein großes Interesse an entsprechenden Attesten und Bescheinigungen. Nicht alle betreffenden Personen erfüllen aber immer alle Voraussetzungen für die gewünschten Atteste. Es gibt manchmal eine klare Erwartungshaltung mancher Patienten an den Arzt zur Ausstellung des gewünschten Attests.

Der Gesetzgeber hat die entsprechenden gesetzlichen Regelungen hierzu vor kurzem auch im Hinblick auf Impfnachweise geändert. Dieser Rechtstipp gibt die Rechtslage Stand 7.2.22 wieder.

Besonders risikoreich ist gegenwärtig deshalb auch die Tätigkeit von Ärzten; grundsätzlich muss eigentlich vor einem ärztlichen Befund eine Untersuchung stehen. Ausnahmen kann es bei bestimmten Erkrankungsarten geben. Ein Gefälligkeitsattest ohne jede Untersuchung oder gar ohne jeden direkten Kontakt zwischen Patient und Arzt ist deshalb rechtlich problematisch.

Voraussetzung für die Strafbarkeit ist die Unrichtigkeit des Attestes. Dies bietet allerdings aus meiner Sicht viel Raum für den Strafverteidiger. Es ist schwierig im nachhinein nachzuvollziehen, welches Fieber z.B. der Patient am Tag des Attests hatte. Viele Beschwerden, welche ein Patient dem Arzt erzählt, sind im übrigen durch Untersuchungen weder zu bestätigen noch zu widerlegen. Insofern bestehen hier für den Verteidiger Argumente für die Verteidigung. Unterscheiden muss man aus meiner Sicht zwischen harten und weichen Fakten. Als harten Fakt sehe ich unter anderem Laborwerte an. Hier gibt es keinen Spielraum. Deswegen ist die Bescheinigung falscher Laborwerte (z.B. bezüglich Antikörper, Drogen im Blut) besonders strafrechtlich relevant. Bei weichen Fakten, welche auf der persönlichen körperlichen und psychischen Untersuchung des Patienten durch den Arzt beruhen, ist es nur schwierig, die Unrichtigkeit des Attests zu beweisen.

Allerdings kann nach meiner Meinung ein Arzt nicht pauschal seine Meinung über die herrschende Fachliteratur stellen: Dies hat besonders bei dem Maskenthema eine besonders Bedeutung. Die herrschende Meinung ist wohl, dass grundsätzlich das Tragen einer Maske weder körperlich noch psychisch erhebliche gesundheitliche Risiken hat. Ein Arzt kann deswegen nicht pauschal entgegen dieser Lehrmeinung jedem Patienten, der es wünscht, eine entsprechende Maskenbeifreiung attestieren. Vielmehr ist das nur in den Fällen zulässig, welche individuell aufgrund spezieller gesundheitlicher Fakten beim einzelnen Patienten begründet werden. Hierzu gehört eine entsprechende Untersuchung.

Strafbar machen kann sich jetzt auch jeder, wer unrichtige Atteste gebraucht. Das setzt natürlich voraus, dass die Person von der Unrichtigkeit weiß.

Für alle von entsprechenden Ermittlungsverfahren betroffenen Personen ist wichtig, zum einen zunächst umfassend zu schweigen und dann einen erfahrenen Strafverteidiger aufzusuchen. Die Straftatbestände geben viel Raum für Verteidigung.

Ulli H.Boldt

Fachanwalt für Strafrecht in Berlin, Dresden und Leipzig

Auch an mir geht die Genderdiskussion nicht spurlos vorbei; die obige männliche Form bezieht sich auf alle Geschlechter. Zur besseren Lesbarkeit verwende ich die männliche Form. Es gibt natürlich genauso gute Strafverteidigerinnen wie Strafverteidiger.

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