Gilt das BFSG für Websites mit Terminbuchungstool? Eine Analyse
- 4 Minuten Lesezeit
Einführung in das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist ein deutsches Gesetz, das am 28. Juni 2021 verabschiedet wurde. Es setzt die europäische Richtlinie (EU) 2019/882 über Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen um. Ziel des Gesetzes ist es, digitalen Zugang zu wichtigen Produkten und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten.
Wesentliche Merkmale des BFSG:
Es verpflichtet bestimmte Wirtschaftsakteure, digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten.
Die Regelungen gelten hauptsächlich für gewerblich tätige Anbieter – insbesondere ab dem 28. Juni 2025.
Das BFSG zielt auf eine umfassende digitale Teilhabe in einer zunehmend vernetzten Welt
Sie haben Fragen zum BFSG? Unsere Spezialisten für IT-Recht beraten Sie:
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz BFSG: Ein umfassender Überblick vom Anwalt
Welche digitalen Angebote sind vom BFSG betroffen?
Definition: Digitale Produkte vs. Dienstleistungen
Das BFSG unterscheidet zwei große Gruppen:
Digitale Produkte, z. B.:
Computer, Smartphones, Tablets
E-Book-Reader
Zahlungsterminals
Digitale Dienstleistungen, z. B.:
Online-Shops
Bank- und Zahlungsdienste
E-Book-Angebote
Telekommunikationsdienste
Gilt das BFSG für jede Website?
Nicht jede Website fällt unter das BFSG. Es geht nicht um jede Art von Webpräsenz, sondern um solche, die bestimmte Dienstleistungen oder Produkte online vertreiben und dabei eine relevante Rolle in der Wertschöpfungskette spielen.
Terminbuchungstools: Was sind sie rechtlich gesehen?
Terminbuchungstools sind Webanwendungen, die Nutzern erlauben, online einen Termin mit einem Anbieter zu vereinbaren. Diese Tools sind in vielen Branchen im Einsatz:
Medizinische Einrichtungen
Kosmetikstudios
Fitnessstudios
Öffentliche Behörden
Juristische Einordnung
Terminbuchungstools gelten rechtlich als digitale Schnittstelle zur Dienstleistung.
Sie sind nicht per se ein „digitales Produkt“ im Sinne des BFSG.
Die Frage ist, ob der Einsatz des Tools Teil eines digitalen „Dienstleistungsvertriebs“ ist.
BFSG-Relevanz: Wann fällt ein Tool unter die Barrierefreiheitspflicht?
Ein Online-Tool fällt nicht automatisch unter das BFSG. Es muss geprüft werden, ob die Website zur Erbringung einer BFSG-pflichtigen Dienstleistung beiträgt.
Kriterien:
Wird die Dienstleistung kommerziell angeboten?
Ist die Terminbuchung erforderlich für den Leistungsbezug?
Ist das Tool integraler Bestandteil der Dienstleistung?
Relevanz des „Vertriebswegs“ für die Anwendung des BFSG
Laut Gesetz fällt ein Anbieter nur dann unter das BFSG, wenn er Produkte oder Dienstleistungen außerhalb des Internethandels gewerblich anbietet. Wenn ein Terminbuchungstool nur die Vereinbarung eines Vor-Ort-Termins ermöglicht, ohne Online-Vertragsabschluss, kann der BFSG-Bezug entfallen.
Rolle von Drittanbieter-Tools (z. B. Calendly, SimplyBook.me)
Wenn du ein externes Tool einbindest, stellt sich die Frage nach der Verantwortung:
Technische Einbindung auf der Website macht den Website-Betreiber mitverantwortlich.
Anbieter wie Calendly sind nicht automatisch BFSG-konform – die Umsetzung liegt beim Betreiber.
Technische Anforderungen an barrierefreie Terminbuchungssysteme
Für Tools, die unter das BFSG fallen, gelten klare Anforderungen:
Kategorie | Mindestanforderung (Beispiel) |
---|---|
Navigation | Tastaturbedienbarkeit |
Lesbarkeit | Kontraste, Zoomfähigkeit |
Struktur | Überschriften, semantisches HTML |
Feedback | Screenreader-kompatible Statusmeldungen |
Formulare | Labeling, fehlerfreie Validierung |
Diese leiten sich aus den WCAG 2.1 (Level AA) ab, die Grundlage des BFSG sind.
Übergangsfristen und Fristen zur Umsetzung des BFSG
Das Gesetz tritt für private Anbieter ab 28. Juni 2025 in Kraft.
Öffentliche Stellen sind durch die BITV 2.0 bereits jetzt verpflichtet.
Verstöße können ab 2025 abgemahnt oder sanktioniert werden.
Abgrenzung zu anderen Gesetzen (z. B. BITV, DSGVO)
Das BFSG ist nicht das einzige relevante Gesetz für Websites:
BITV 2.0: Gilt für öffentliche Stellen (Barrierefreiheit von Webauftritten)
DSGVO: Spielt bei der Datenverarbeitung durch Terminbuchung eine Rolle
Telemediengesetz (TMG): Allgemeine Website-Verpflichtungen
Rechtliche Unsicherheiten und Interpretationsspielräume
Die juristische Diskussion ist im Gange:
Es gibt keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur BFSG-Pflicht bei Buchungstools.
Viele Auslegungen basieren auf den EU-Leitlinien und Kommentaren.
Eine Einzelfallprüfung durch Fachjuristen ist bei Unklarheit ratsam.
Empfehlungen für Website-Betreiber
Bestimme deinen Anwendungsfall: Verkauf oder nur Kontaktaufnahme?
Nutze barrierefreie Tools: WCAG-konforme Anbieter bevorzugen.
Lass dich rechtlich beraten, wenn Unsicherheit herrscht.
Dokumentiere deine Maßnahmen zur Barrierefreiheit.
Best Practices für barrierefreie Terminbuchung
Klar erkennbare Buttons und Formulare
Gut lesbare Schriftarten
Mobile Optimierung
Fehlerhinweise für Screenreader zugänglich machen
Alternativen für assistive Technologien
Beispiele aus der Praxis
Berlin.de: Terminbuchung beim Bürgeramt – barrierefrei umgesetzt
Kosmetikstudios mit WooCommerce-Integration: Oft nicht BFSG-konform
Arztpraxis mit Jameda-Tool: Nur informatorisch, keine Pflicht zur Barrierefreiheit nach BFSG
Fazit: Fällt eine Website mit Terminbuchung unter das BFSG?
Nicht jede Website mit einem Terminbuchungstool fällt automatisch unter das BFSG. Entscheidend ist:
Wird eine dienstleistungsbezogene, kommerzielle Transaktion online abgewickelt?
Ist das Tool Teil des digitalen Vertriebswegs?
Wenn nur ein Termin vereinbart wird, ohne Online-Vertragsabschluss, fällt die Seite in der Regel nicht unter das BFSG.
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Barrierefreiheitsstärkungsgesetz BFSG: Ein umfassender Überblick vom Anwalt
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