Grundsteuerreform – was ist bei den zu erwartenden 3 Bescheiden zu beachten

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I.

In mehreren Urteilen aus dem Jahre 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das alte System der Festsetzung der Grundsteuer über das Einheitswertverfahren den Gleichheitsgrundsatz verletzt und somit verfassungswidrig ist. Hintergrund waren die vielen Variablen die zur Festsetzung des Einheitswertes geführt haben und somit eine einheitliche Besteuerung die dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht, nicht mehr ermöglichten. Aus diesem Grund haben sich Bund und Länder auf eine Grundsteuerreform verständigt, welche dazu führte, dass seit Beginn des Jahres 2022 alle Grundstücke im gesamten Bundesgebiet neu bewertet werden.

Alle Grundeigentümer sind aufgefordert bis spätestens nunmehr Januar 2023 eine Grundsteuererklärung bei ihrem Finanzamt in elektronischer Form abzugeben. Ausnahmsweise können z.B. ältere Bürger einen Antrag stellen, diese Erklärung, in Papierform abgeben zu dürfen.

Inwieweit der „normale Bürger“ fachlich in der Lage ist, eine ordnungsgemäße Steuererklärung abzugeben, muss sich noch erweisen. Bei der Berechnung der Wohnungsnutzfläche u.ä. werden Kenntnisse vorausgesetzt, die wahrscheinlich so nicht vorhanden sind (z.B. Berechnung der Wohnfläche nach der Wohnflächenverordnung). Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzämter die teilweise laienhaften Berechnungen akzeptieren werden.

Die Tatsache, dass es einschließlich des Grundsteuerbescheides insgesamt drei Bescheide gibt, die zwar zusammengehören aber getrennt rechtlich zu betrachten sind, also gegen jeden einzelnen nötigenfalls separat vorgegangen werden muss, macht die Sache nicht einfacher.

II.

Als nächster Schritt, der letztendlich zu der von den Grundstückseigentümern zu zahlenden Grundsteuer führen soll, erlässt das Finanzamt anhand der von diesen eingereichten Steuererklärungen (Daten) einen neuen Grundsteuerwertbescheid, der den Einheitswertbescheid ersetzen soll.

Entgegen des Einheitswertes (aus dem Jahre 1935 stammend) soll der Grundbesitz alle 7 Jahre durch einen Grundsteuerwertbescheid neu bewertet werden.

Im neuen Grundsteuerwertbescheid fließen auch der Bodenrichtwert und eine statistisch ermittelte Nettokaltmiete in die Berechnung mit ein.

III.

Bevor die neue Grundsteuer zum 1. Januar 1025 fällig werden kann, sind noch zwei weitere Schritte auf den dreistufigen Weg bis zum Grundsteuerbescheid erforderlich. Als zweiter Schritt muss das Finanzamt einen weiteren Feststellungsbescheid und zwar den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag erlassen. In diesen fliest die sogenannte Steuermesszahl, welche für Eigenheime rund 0,31 Promille beträgt ein, um den nach bundeseinheitlichen Maßstäben ermittelten Steuermessbetrag festzulegen.

IV.

Als letzten Schritt erlässt die jeweilige Gemeinde unter Einbeziehung des Grundsteuerwertes, des Steuermessbetrages und des gemeindespezifischen Hebesatzes den Grundsteuerbescheid, der erstmals den tatsächlich zu zahlenden Betrag also die zu zahlende Grundsteuer ausweist.

Das Problem besteht allerdings darin, dass weder in den Bescheid über den Grundsteuerwert noch in dem Bescheid über den Grundsteuermessbetrag ersichtlich ist, welche Grundsteuer letztendlich bezahlt werden muss. Wenn aber diese beiden Feststellungsbescheide bestandskräftig werden, kann wegen Fehler in der Berechnung, die der Bürger möglicherweise erst mit Zustellung des Grundsteuerbescheides erkennt, dagegen nicht mehr mit Rechtsmitteln vorgegangen werden.

V.

Die Notwendigkeit einer späteren Überprüfung der erlassenen Grundsteuer einschließlich sämtlicher Bescheide auf den Weg zu dieser, könnte sich daraus ergeben, da das neue System bereits in den Ansätzen wieder verfassungswidrig ist.

Es wird z.B. trotz der Auflage des Bundesverfassungsgerichtes bestehende Verletzungen des Gleichheitsgebotes abzuschaffen, weiterhin an den gemeindespezifischen Hebesatz festgehalten.

Bei der Ermittlung des Grundsteuerwertes fliest der Bodenrichtwert, welchen ebenfalls die Gemeinden nach unterschiedlichen Kriterien festlegen, in die Ermittlung der zu zahlenden Grundsteuer ein.

Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gleichbehandlung der Bürger wird damit in Frage stellt. Aus diesem Grund planen verschiedene Organisationen, wie z.B. der „Deutsche Mieterbund “ und der Eigentümerbund “ Haus und Grund“, bereits die nächste Verfassungsbeschwerde.

VI.

Aus nicht nachvollziehbaren Gründen sind die ergangenen Feststellungsbescheide nicht unter den Vorbehalt der Nachprüfung nach §164 AO gestellt worden, d.h. sie werden sofort nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist bestandskräftig bzw. rechtskräftig.

Das bedeutet in seiner rechtlichen Konsequenz dass auch vollkommen falsche  Feststellungsbescheide, die zu einer wesentlich überhöhten Steuer führen, bestandskräftig werden, sodass die Steuer zu zahlen ist.

Der einzige Weg um derartiges zu verhindern ist, dass gegen sämtliche eingehende Feststellungsbescheide (Grundsteuerwert und Grundsteuermessbetrag) sowie gegen den später erlassenen Grundsteuerbescheid Einspruch eingelegt wird.

Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die Finanzämter sämtliche Einsprüche als unbegründet zurückweisen werden, solange nicht eine Musterklage  von den o.g. Verbänden oder überhaupt eine Klage  vorm Bundesverfassungsgericht zu dieser Problematik anhängig ist. Es bleibt den Immobilienbesitzern und Grundstückseigentümern nur eine falsche Berechnung der zu zahlenden Grundsteuer zu riskieren oder seine Einwendungen in der nächsten Instanz weiter zu verfolgen (Anfechtungsklage beim Finanzgericht).

VII.

Wer sich für das Einspruchsverfahren entschieden hat, kann, sobald eine Klage beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist, die diese Thematik beinhalte,  gem. § 363 Abs.1 und Abs. 2 AO einen Antrag stellen, dass das laufende Verfahren ausgesetzt bzw. ruhend gestellt wird.

Eine Aussetzung des Verfahrens wäre gewährleistet, wenn in der Einspruchsentscheidung, bzw. in einem Urteil der Instanzgerichte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes mit einfließen muss. Ein Antrag ist aber nur zulässig, wenn bereits ein derartiges Verfahren anhängig ist.

Die Finanzbehörde kann aber auch nach § 363 Abs. 2 AO mit Zustimmung des Einspruchsführers das Verfahren ruhen lassen, wenn dies aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint, etwa weil zu einer entscheidungserheblichen Frage ein Musterprozess vor Finanzgerichten schwebt.

Die Aussetzung des Verfahrens bzw. die Anordnung zum Ruhen des Verfahrens hat den Vorteil, dass man an einer Entscheidung z.B. des Bundesverfassungsgerichtes partizipiert obwohl das eigene Verfahren aktiv nicht weiter betrieben wird. Damit sinkt auch deutlich das Prozesskostenrisiko. Hintergrund ist, dass durch den Einspruch gegen die Bescheide, diese nicht rechtskräftig werden, sodass bei einer endgültigen Entscheidung z.B. das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes mit einfließen muss. Bei Bescheiden, die zwischenzeitlich rechtskräftig geworden sind, trifft das nicht zu, d.h. eine möglicherweise falsche Entscheidung bleibt bestehen.

VIII.

Neben den Bedenken, dass mit der Grundsteuerrechtsreform bereits bei der Erhebung der Grundsteuer wiederum verfassungswidrige Regelungen enthalten sein könnten, zeichnet sich gegenwärtig ab, dass damit auch eine erhebliche Steuererhöhung verbunden ist.

Eine Berechnung des Autors am eigenen Einfamilienhaus ergab eine Steigerung der zu zahlenden Grundsteuer um ca. 456 Prozent, obwohl aus Regierungskreisen immer wieder zu hören war, dass durch die Grundsteuerreform keine erhebliche Steuererhöhung verbunden sein soll.

Bei einer derartigen Erhöhung der zu zahlenden Grundsteuer bestehen zumindest dann verfassungsrechtliche Bedenken, wenn diese sich als durchgängig erweist, da dann möglicherweise eine neue Steuer eingeführt wurde, zu deren Wirksamkeit es eines Beschlusses des Bundestages bedurft hätte.


Günter Heine

Rechtsanwalt



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