Keine stille Teilhabe? Warum Ehrenmitglieder laut OLG Stuttgart nicht an Sitzungen teilnehmen dürfen!

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Ehrenmitglied im Aufsichtsrat – charmante Geste oder rechtliches Risiko?

Viele Unternehmen, insbesondere Familiengesellschaften oder kommunale Betriebe, zeichnen verdiente Persönlichkeiten mit einem Ehrenplatz im Aufsichtsrat aus. 

Ohne Stimmrecht, aber mit Redezeit – so war es vielerorts gelebte Praxis. Doch bereits 2022 stellte das Oberlandesgericht Stuttgart klar: Eine solche stille Teilhabe ist unzulässig. Ehrenmitglieder dürfen an Sitzungen des Aufsichtsrats nicht teilnehmen – selbst dann nicht, wenn sie keine Entscheidungen mittragen.

Was auf den ersten Blick wie ein formales Detail wirkt, kann in der Praxis erhebliche Konsequenzen haben: Beschlüsse werden anfechtbar, die Haftung von Organmitgliedern rückt in den Fokus. 

Gerade für Gesellschafter, Geschäftsführer, Aufsichtsräte und auch für kommunale Vertreter besteht Handlungsbedarf.

Der entschiedene Fall: Was war passiert?

In dem vom Oberlandesgericht Stuttgart im Mai 2022 entschiedenen Fall (Az. 20 U 76/21) ging es um eine Aktiengesellschaft, in der ein Ehrenmitglied regelmäßig an Aufsichtsratssitzungen teilnahm. Bei dem Ehrenmitglied handelte es sich um den Mehrheitsaktionär – eine Person mit großem Einfluss, aber ohne formelles Mandat im Aufsichtsrat.

Trotz fehlenden Stimmrechts war das Ehrenmitglied stets präsent, nahm an Diskussionen teil und hatte Zugang zu allen Informationen der Sitzungen. 

Dies rief schließlich einen Minderheitsaktionär auf den Plan, der die Entlastung des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung gerichtlich anfocht – mit der Begründung, dass durch die unzulässige Teilnahme des Ehrenmitglieds ein Gesetzesverstoß vorliege.

Die Gerichte folgten dieser Argumentation: Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Stuttgart stuften die Teilnahme des Ehrenmitglieds als unzulässig ein und erklärten den Entlastungsbeschluss für anfechtbar.

Rechtlicher Hintergrund

Die rechtliche Grundlage dieser Entscheidung liegt in § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG. Danach dürfen an Sitzungen des Aufsichtsrats grundsätzlich nur die Mitglieder des Aufsichtsrats selbst teilnehmen. Damit soll die Vertraulichkeit der Beratungen gewahrt und eine unzulässige Einflussnahme verhindert werden.

Das Gesetz kennt nur enge Ausnahmen: Dritte dürfen nur dann zugezogen werden, wenn sie als Sachverständige oder Auskunftspersonen in einem bestimmten Tagesordnungspunkt gehört werden sollen – und auch dann nur vorübergehend und punktuell.

Besonders relevant: Selbst wenn ein Ehrenmitglied kein Stimmrecht hat, reicht bereits die bloße Anwesenheit aus, um einen Verstoß gegen § 109 AktG zu begründen. Der Gesetzgeber lässt hier keinen Raum für gut gemeinte Gesten oder „stille Teilhabe“.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Stuttgart hat erhebliche praktische Relevanz – und wird in vielen Unternehmen bislang unterschätzt:

  • Anfechtbarkeit von Beschlüssen: Entlastungsbeschlüsse, aber auch andere wichtige Entscheidungen können durch die unzulässige Teilnahme Dritter rechtlich angreifbar werden.

  • Haftungsrisiken für Organmitglieder: Vorstände und Aufsichtsräte riskieren persönliche Haftung, wenn sie trotz klarer Gesetzeslage Dritte regelmäßig an vertraulichen Sitzungen teilnehmen lassen.

  • Verletzung der Vertraulichkeit: Informationen aus Aufsichtsratssitzungen sind in der Regel streng vertraulich. Eine Weitergabe durch Ehrenmitglieder kann zu Reputations- oder Vermögensschäden führen.

  • Vertrauensverlust: Gerade bei kapitalstarken Minderheitsgesellschaftern oder Investoren kann der Eindruck rechtswidriger Einflussnahme langfristig das Vertrauen in die Corporate Governance untergraben.

Handlungsempfehlungen

Um rechtliche Risiken zu vermeiden und die Gremienstruktur dauerhaft rechtssicher zu gestalten, empfehlen wir folgende Schritte:

  • Satzungen und Geschäftsordnungen überprüfen: Bestehen Formulierungen, die Ehrenmitgliedern eine Teilnahme suggerieren oder erlauben?

  • Teilnahmeberechtigungen eindeutig regeln: Nur gesetzlich oder satzungsmäßig legitimierte Personen dürfen teilnehmen – Ausnahmen sollten eng begrenzt und dokumentiert sein.

  • Gremien regelmäßig rechtlich prüfen: Gerade in gewachsenen Strukturen schleichen sich alte Gewohnheiten ein – eine externe Überprüfung bringt hier Klarheit.

  • Vergangene Sitzungen analysieren: Wenn unbefugte Dritte in der Vergangenheit teilgenommen haben, sollte geprüft werden, ob Beschlüsse angreifbar oder risikobehaftet sind.

Fazit: Ehrenplatz ja – Sitzungsteilnahme nein

Die Bezeichnung als „Ehrenmitglied“ mag gut gemeint sein – rechtlich entfaltet sie jedoch keine Sonderrolle. Wer nicht offizielles Aufsichtsratsmitglied ist, darf an Sitzungen nicht teilnehmen. Weder still noch beratend, auch nicht ohne Stimmrecht.

Gerade in Familienunternehmen, kommunalen Beteiligungen oder traditionsreichen Gesellschaften ist dieses Risiko oft unterschätzt. Doch die klare Linie des OLG Stuttgart zeigt: Selbst gut etablierte Praxis kann rechtswidrig sein – mit spürbaren Folgen.

Unser Rat: Ehren ist erlaubt, Mitgliedschaft muss formal sein. Unternehmen, Kommunen und vermögende Gesellschafter sollten ihre Gremienstruktur regelmäßig auf den Prüfstand stellen – bevor es zu Anfechtung, Haftung oder Vertrauensverlust kommt.

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Foto(s): https://kanzlei-herfurtner.de/


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