⚖️ Kronzeugenregelung nach § 31 BtMG – Chancen und Risiken für die Verteidigung
- 2 Minuten Lesezeit
Die sogenannte Kronzeugenregelung in § 31 BtMG eröffnet Beschuldigten im Betäubungsmittelstrafrecht die Möglichkeit, durch kooperative Aussagen zur Aufklärung anderer Taten erhebliche strafrechtliche Vorteile zu erlangen – bis hin zum vollständigen Absehen von Strafe. In der Praxis ist die Anwendung dieses Instruments jedoch hochkomplex, risikobehaftet und strategisch sensibel. Die Rolle der Verteidigung ist dabei entscheidend.
🔍 Gesetzliche Grundlage
Gemäß § 31 BtMG kann das Gericht die Strafe mildern oder ganz von Strafe absehen, wenn der Beschuldigte freiwillig sein Wissen preisgibt und dadurch:
zur Aufklärung einer Betäubungsmittelstraftat beiträgt, an der andere beteiligt sind (§ 31 Nr. 1), oder
hilft, den weiteren Betäubungsmittelhandel dieser Personen zu verhindern (§ 31 Nr. 2).
Die Kronzeugenregelung zielt vor allem auf die Bekämpfung organisierter Drogenkriminalität und den Schutz der Gesellschaft vor künftigen Taten.
⚠️ Chancen und Risiken
✅ Vorteile:
Strafmilderung bis zum vollständigen Strafverzicht
In bestimmten Fällen kann die Aussage auch die U-Haft entbehrlich machen
Möglichkeit, durch Kooperation ein ansonsten kaum zu verhinderndes Strafmaß zu reduzieren
❌ Risiken:
Offenlegung eigener Beteiligung (Selbstbelastung)
Glaubwürdigkeitsprobleme, insbesondere wenn Aussagen widersprüchlich oder belastend für andere Mitbeschuldigte sind
Gefährdung der persönlichen Sicherheit (z. B. durch Racheakte in der Szene)
Aussageverwertbarkeit auch bei geplatzter Absprache – Rückzieher oft nicht folgenlos
🎯 Rolle der Verteidigung
Die Entscheidung, ob ein Mandant Kronzeuge werden soll, ist eine strategisch hochsensible Frage, die sorgfältig abgewogen werden muss. Die Verteidigung muss:
rechtlich absichern, dass die Voraussetzungen des § 31 BtMG tatsächlich erfüllt sind,
die Gefahren der Aussage und mögliche Belastungen Dritter offenlegen,
vertrauliche Gespräche mit Ermittlungsbehörden begleiten und bewerten (z. B. informelle „Vorgespräche“),
sicherstellen, dass Aussagen nicht ohne verlässliche Absprache verwertet werden,
die Mandant:innen vor einer Rolle als faktischer „Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft“ schützen.
📌 Hinweis: Die Verteidigung sollte insbesondere in frühen Ermittlungsphasen auf informelle Angebote („Kooperationsbereitschaft zeigen“) äußerst vorsichtig reagieren – ohne vorherige rechtliche Prüfung und klare Zusagen kann eine Aussage mehr schaden als nützen.
Fazit:
Die Kronzeugenregelung nach § 31 BtMG bietet in aussichtslosen oder schwerwiegenden BtM-Verfahren unter Umständen eine reale Chance zur Strafmilderung oder Verfahrensverkürzung. Sie ist jedoch kein Selbstläufer – ihre Anwendung erfordert erfahrene, taktisch versierte Verteidigung, klare Zieldefinitionen und rechtlich abgesicherte Aussagen. Ohne saubere Vorbereitung kann der Versuch, „auszupacken“, schnell nach hinten losgehen.
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