LG Frankenthal 4 O 47/21 – Notarhaftung Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht

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Zusammenfassung RA und Notar Krau

Kernaussage:

Ein Notar haftet nicht für Schäden, die einem Mandanten entstehen, weil sich die Rechtsprechung nach Abschluss eines Ehevertrags geändert hat.

Die Beratungspflicht des Notars bezieht sich auf die zum Zeitpunkt der Beurkundung geltende Rechtslage.

Hintergrund:

Der Kläger schloss 1991 mit seiner damaligen Lebensgefährtin einen Ehevertrag, der einen umfassenden Verzicht auf Versorgungs- und Unterhaltsansprüche sowie Pflichtteilsansprüche vorsah.

Der Vertrag wurde auf Anraten des beklagten Notars geschlossen, um das Vermögen des Klägers, insbesondere seinen landwirtschaftlichen Betrieb, zu schützen.

Die Ehe wurde 2019 geschieden. Im Scheidungsverfahren stellte sich heraus, dass der Ehevertrag aufgrund der geänderten Rechtsprechung möglicherweise sittenwidrig war.

Der Kläger zahlte seiner Ex-Frau eine Abfindung und verlangte nun Schadensersatz vom Notar.

Entscheidung des Gerichts:

  • Keine Amtspflichtverletzung: Das Landgericht wies die Klage ab. Es sah keine Amtspflichtverletzung des Notars.
  • Beratungspflicht des Notars: Die Beratungspflicht des Notars bezieht sich auf die zum Zeitpunkt der Beurkundung geltende Rechtslage. Eine Pflicht, mögliche künftige Entwicklungen der Rechtsprechung zu antizipieren, besteht nicht.
  • Keine Sittenwidrigkeit zum Zeitpunkt der Beurkundung: Der Ehevertrag war nach der damals geltenden Rechtsprechung nicht sittenwidrig.
  • Kein Schaden: Ein Schaden des Klägers wurde nicht schlüssig dargelegt. Es fehlte an einer Vergleichsberechnung der Vermögensentwicklung mit und ohne Ehevertrag.


Fazit:

Notare haften nicht für Schäden, die durch eine nachträgliche Änderung der Rechtsprechung entstehen.

Ihre Beratungspflicht beschränkt sich auf die zum Zeitpunkt der Beurkundung geltende Rechtslage.

Allgemeiner Hinweis:

Die Kernbereichslehre des BGH

Die Kernbereichslehre des Bundesgerichtshofs (BGH) bezieht sich auf die Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen und besagt,

dass es bestimmte Kernbereiche gibt, die leichter oder schwerer abweichend vom Gesetz vertraglich geregelt werden können.

Rangfolge der Kernbereiche:

  • Kernbereich: Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB)
  • weiterer Kernbereich: Versorgungsausgleich
  • Übergangsbereich: Zugewinnausgleich
  • Außenbereich: Güterrecht


Grundsätze:

  • Je näher eine Regelung am Kernbereich liegt, desto strenger sind die Anforderungen an ihre Wirksamkeit.
  • Ein vollständiger Ausschluss des Betreuungsunterhalts ist unzulässig.
  • Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nur in Ausnahmefällen möglich.
  • Der Zugewinnausgleich kann weitgehend ausgeschlossen oder modifiziert werden.
  • Das Güterrecht kann frei gestaltet werden.


Prüfung der Wirksamkeit:

  • Objektive Prüfung: Liegt eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung vor?
  • Subjektive Prüfung: War ein Ehegatte bei Vertragsschluss individuell unterlegen?

Folgen einer Unwirksamkeit:

  • Sittenwidrigkeit: Der gesamte Vertrag oder einzelne Klauseln können nichtig sein (§ 138 BGB).
  • Anpassung: In bestimmten Fällen kann der Vertrag angepasst werden, um eine gerechte Lösung zu erreichen.


Bedeutung der Kernbereichslehre:

Die Kernbereichslehre dient dem Schutz des schwächeren Ehegatten und soll verhindern, dass dieser durch einen Ehevertrag unangemessen benachteiligt wird.

Sie gewährleistet eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen beider Ehegatten.

Hinweis:

Die Kernbereichslehre ist in ständiger Entwicklung und wird vom BGH immer wieder weiterentwickelt und konkretisiert.

Es ist daher ratsam, sich bei der Gestaltung von Eheverträgen anwaltlich beraten zu lassen.

Foto(s): info@rechtsanwalt-krau.de

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