Lost Places – harmloser Trend oder strafbares Verhalten?

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Überall in den sozialen Medien sind sie zu finden – die Suche nach den beeindruckenden „lost places“ hat sich mittlerweile zum Trend für Fotographen, Instagramer und Reisende entwickelt. 


Doch ist das Aufsuchen von so genannten „lost places“ wirklich strafbar?


Betrachtet man den Trend von der rechtlichen Seite, so kommt eine Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruch gemäß § 123 I StGB in Betracht. Hier heißt es: 



Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in dasbefriedete Besitztumeines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“




Wann eine Wohnung oder ein Geschäftsraum vorliegt, dürfte jedem klar sein. Doch wann handelt es sich um das befriedete Besitztum eines anderen?


Ein Besitztum ist nur in zwei Fällen befriedet:


  1. Ohne besondere Einfriedung (also Zäune, Hecken, Mauern oder Drähte) wenn es wegen seines engen räumlichen Zusammenhangs für jedermann erkennbar zu einer Wohnung, einem Haus oder einem Geschäftsraum gehört, so zum Beispiel bei einem Hausgarten oder Hofraum.
  2. Ohne eine solche räumliche Verbindung, wenn das Besitztum in äußerlich erkennbarer Weise durch Zäune, Hecken, Mauern oder Drähte gegen das willkürliche Betreten durch andere gesichert ist. Die Umfriedung muss hierbei jedoch kein schwer überwindbares Hindernis darstellen, sondern darf lediglich den Charakter einer physischen Schutzwehr nicht verlieren.


Dieser räumliche Bereich muss weiterhin auch einer berechtigten Person zugeordnet werden können.Eine solche Zuordnung ist dann nicht gegeben, wenn das Gebäude oder das Grundstück herrenlos ist, also in niemandes Eigentum steht.



Doch wann ist ein Gebäude oder ein Grundstück herrenlos?


Das Eigentum an einem Grundstück oder einem Gebäude wird dadurch aufgegeben, dass der Eigentümer gegenüber dem Grundbuchamt gemäß § 928 I BGB den Verzicht erklärt. Diese Erklärung muss notariell beurkundet werden und wird sodann in Abteilung I des Grundbuchs eingetragen. Gemeinsam mit dieser Eintragung wird der bisherige Eigentümer aus dem Grundbuch gestrichen und das Grundstück wird somit herrenlos.


Anschließend besteht für das jeweilige Bundesland, in dessen Gebiet das Grundstück liegt, das Recht, sich das Grundstück gemäß § 928 Abs. 2 BGB anzueignen. Eine automatisierte Eigentumsübertragung auf das Land findet gerade nicht statt. Von diesem bestehenden Aneignungsrecht macht das Bundesland jedoch meist keinen Gebrauch, sodass die Grundstücke oftmals herrenlos bleiben. 


Wer also ein verlassenes Grundstück oder Gebäude betreten möchte, müsste zuvor das Grundbuch einsehen oder die Genehmigung des Eigentümers zum Betreten des Grundstücks einholen, um sich juristisch in Gänze absichern zu können. Ein Einsichtsrecht in das Grundbuch besteht jedoch nur, wenn ein berechtigtes Interesse wie eine Kaufabsicht o.ä. vorgetragen wird. 

Eine Möglichkeit tatsächlich auf „Nummer sicher“ zu gehen, besteht daher vor dem Besuch von „lost places“ nicht.



Weitere Voraussetzung für die Strafverfolgung: 

Der Strafantrag nach §123 II StGB


Grundsätzlich bestimmt § 123 II StGB, dass die Tat nur auf Antrag verfolgt wird. Dies bedeutet, dass der Eigentümer des Grundstücks oder Gebäudes bei der Polizei einen Strafantrag stellen und somit deutlich machen muss, dass er eine Verfolgung des Hausfriedensbruchs wünscht. Eine Strafverfolgung aufgrund öffentlichen Interesses ist bei einem Hausfriedensbruch als absolutes Antragsdelikt nicht möglich. Ein Strafantrag durch den Eigentümer wird bei vielen der „lost places“ jedoch gerade nicht gestellt werden, da es sich um verlassene und marode Grundstücke und Häuser handelt, an welchen das Interesse begrenzt ist. 


Anders sieht dies jedoch bei verlassenen öffentlichen Gebäuden aus, bei denen der Staat als Eigentümer auch Haftungsfragen bedenken muss. Grund hierfür ist der Umstand, dass das Betreten verfallender Gebäude oftmals Risiken wie Einsturzgefahren, Umweltgifte oder Schimmel mit sich bringt. Der Staat hat somit ein Interesse daran, dass diese Orte nicht betreten werden und wird daher oftmals einen Strafantrag stellen. Insbesondere beim Betreten von verlassenen ehemaligen öffentlichen Einrichtungen muss daher mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gerechnet werden. 



Welche Strafe kann mich schlimmstenfalls treffen?


Sollte der Eigentümer des Grundstücks tatsächlich einen Strafantrag stellen, so sieht das Gesetz grundsätzlich eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor. Die Strafen fallen demnach gering aus und auch eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft wird sich im Vorfeld oftmals bewirken lassen. Gleichwohl empfiehlt es sich in solchen Fällen einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Dieser kann gezielt auf eine Einstellung hinwirken oder einen Täter-Opfer-Ausgleich gem. § 46a StGB anregen. 


Hat man vor Ort Gegenstände zerstört oder Inventar entwendet so kommen weitere Delikte wie Sachbeschädigung und Diebstahl in Betracht. In diesem Fall sollte stets anwaltlicher Rat eingeholt werden, um eine Eintragung in das Führungszeugnis (ab 90 Tagessätzen) zu vermeiden. 



Wie verhalte ich mich, wenn die Polizei alarmiert wurde und mich in einem vermeintlichen „lost place“ angetroffen hat?


Die Devise lautet hier wie so oft: Bleiben Sie ruhig, machen Sie von ihrem Schweigerecht Gebrauch und konsultieren Sie einen Anwalt. Dieser kann nach Erhalt der Akteneinsicht eine Verteidigungsstrategie entwerfen und wenn möglich frühzeitig auf die Einstellung des Verfahrens hinwirken. 



Unser Fazit:


Auch wenn bei dem Besuch von Lost Places die Aussicht auf ein unvergessliches Erlebnis und außergewöhnliche Bilder hoch ist, sollten diese nicht leichtfertig betreten werden. Eine Strafbarkeit kann hierbei nie gänzlich ausgeschlossen werden, sodass stets die Gefahr besteht, sich später in einem Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch gemäß § 123 I StGB verantworten zu müssen. 

Foto(s): https://pixabay.com/de/users/tama66-1032521/

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