Medizinstrafrecht
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Das Medizinstrafrecht behandelt die strafrechtlichen Normen, welche insbesondere im Bereich der medizinischen Behandlung oder durch Behandler verwirklicht werden können. Die Zusammenfassung der Normen ergibt sich also aus dem Kontext und nicht daher, dass diese juristisch zusammengefasst in einem Gesetzbuch stehen.
1. Recht der medizinischen Behandlung – strafrechtliche Haftung
Es kommen aus Sicht des Arztes vor allem die Straftatbestände der fahrlässigen Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung in Betracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung stellt grundsätzlich jeder ärztliche Heileingriff auch eine vorsätzliche Körperverletzung des Patienten nach § 223 StGB dar, die nur deshalb nicht bestraft wird, weil der Patient – ausdrücklich oder mutmaßlich – seine Einwilligung in die Heilbehandlung erklärt hat.
Die andere Ansicht vertritt die Auffassung, dass ein nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführter Heileingriff (lege artis) bereits nicht den Tatbestand einer Körperverletzung verwirklichen kann.
Aus Sicht des Patientenanwalts ist eine Strafanzeige ein Fehler, da strafrechtlich höhere Anforderungen an den Tatnachweis gestellt werden als im zivilrechtlichen Verfahren und insbesondere keine Vermutungsregelungen greifen. Auch ist die Haftpflichtversicherung der Behandler dann nicht mehr vergleichsbereit. Die Staatsanwaltschaft wartet oftmals den Ausgang des Zivilverfahrens ab.
2. Gefährliche Körperverletzung
Eine gefährliche Körperverletzung kann beispielsweise bei Missachtung der Hygienevorschriften bereits erfüllt sein:
BGH-Beschluss vom 28. November 2023 – 1 StR 409/23: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in 51 Fällen sowie wegen Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der als Oberarzt der Anästhesie in einem Krankenhaus tätige Angeklagte selbst mit dem Hepatitis C-Virus infiziert. Im Zeitraum von Februar 2017 bis April 2018 hat er in 51 Fällen Patientinnen und Patienten bei Operationen unter eklatanter Missachtung geltender Hygienevorschriften mit diesem Hepatitis C-Virus infiziert und bei seiner Tätigkeit diese Infektionen billigend in Kauf genommen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung des Urteils durch den 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat hat die Revision des Angeklagten daher verworfen. Das Urteil des Landgerichts ist damit rechtskräftig.
Führt beispielsweise ein Zahnarzt Röntgenuntersuchungen ohne notwendige Qualifikation durch, so sind die §§ 223, 224 StGB, und damit auch die gefährliche Körperverletzung, einschlägig, da die Einwilligung des Patienten in die Untersuchung mit Röntgenstrahlen nicht wirksam erfolgt ist (diese erfolgte unter der Prämisse, dass die notwendige Qualifikation des Zahnarztes vorlag).
3. Sterbehilfe
Fraglich sind des Weiteren die Grenzen der Sterbehilfe. Unterschieden wird zwischen der direkten aktiven und der passiven Sterbehilfe und der jeweils daraus resultierenden Strafbarkeit.
4. Abrechnungsbetrug, 263 StGB
Einen weiteren Themenkomplex stellt der Bereich des Abrechnungsbetruges dar. Hierfür findet sich im Strafgesetzbuch keine gesonderte Norm, sondern diese Fälle werden unter den allgemeinen Straftatbestand des Betruges gefasst.
Dieser ist dann gegeben, wenn der Arzt gegenüber dem Privatpatienten oder der Kassenärztlichen Vereinigung falsch abrechnet.
Teilweise werden Leistungen abgerechnet, die so nicht erbracht wurden (sogenannte Luftbuchungen).
Es kann auch der Fall auftreten, dass formale Abrechnungsvoraussetzungen fehlen (fehlen der Approbation, nicht genehmigte Labore, Zulassung auf eine andere Adresse = Hausnummer genau anzugeben).
Scheinselbständigkeit führt ebenfalls zum Abrechnungsbetrug und die Abrechenbarkeit entfällt dann.
Die Abrechnung im Rahmen einer Schein-Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) führt ebenfalls zum Abrechnungsbetrug und die Abrechenbarkeit entfällt.
Skontoabzug: Zum Beispiel 5%-Skonto und Skontogewährung bei Zahlung auf einem Mal. Die Frage ist hierbei, welche Skontogewährung üblich ist.
5. Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen, §§ 299a, 299b und 300 StGB
Anti-Korruptions-Vorschriften, lassen bei deren Vorliegen ebenso die Abrechenbarkeit entfallen.
Der Patientenbegriff ist im Strafrecht noch ungeklärt:
Patient ist nach § 630a BGB der Vertragspartner des Behandlers beim Behandlungsvertrag.
Die Problematik ist, diesen Begriff weiter zu fassen, da im Strafrecht die Wortlautgrenze gilt.
Der Begriff der Unrechtsvereinbarung: Der Unlauterbarkeit kann man entgegentreten, wenn man die Vorteile offenlegt.
Laut BGH ist die „Versorgung aus einer Hand“ kein ausreichendes Argument.
Man kann aber als Behandler z.B. über seinen Lebenslauf aufklären und so die entsprechenden Nachfragen und die Weitervermittlung durch den Patienten selbst provozieren.
6. Ärztliche Schweigepflicht, § 203 I Nr. 1 StGB
Der Arzt darf als Berufsgeheimnisträger grundsätzlich nicht gegen seine ärztliche Schweigepflicht verstoßen, da dieses andernfalls sonst ebenso ein Strafverfahren nach sich zieht.
In § 203 I Nr. 1 StGB heißt es:
„(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
1.
Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
Ohne das Vorliegen und die Durchsicht der amtlichen Ermittlungsakten wird keine Stellungnahme nach Außen abgegeben. Selbst gegenüber den Behörden ist stets auch die Schweigepflicht gegenüber den eigenen Patienten mitzudenken.
7. Berufsrechtlicher Überhang
Ein berufsrechtliches Verfahren erfolgt, wenn ein Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften vorliegt und ein insoweit zum Strafrecht „berufsrechtlicher Überhang“ besteht.
Die Unzuverlässigkeit bzw. die Unwürdigkeit werden geprüft.
Im berufsgerichtlichen Verfahren werden die im Strafverfahren gewonnenen Zeugenaussagen und Ermittlungsergebnisse aus- und bewertet (Feststellungen sind bindend).
Selbst Verfahren, die nach § 170 II StPO strafrechtlich eingestellt werden, können gleichwohl berufsrechtliche Folgen haben.
8. Kassenärztliche Folgen
Die Rechtsfolgen im Bereich des Vertragsarztrechtes beziehen sich insbesondere auf den Verlust (auch vergangener) Abrechnungen und auf den Verlust des Kassenarztsitzes.
9. Folgen für die Approbation
In einigen Fällen droht bei schweren Verstößen sogar der Verlust der Approbation.
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