Musterfeststellungsklage: Vergleichsverhandlungen mit VW starten

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Der Startschuss für Vergleichsverhandlungen im Musterfeststellungsverfahren zwischen der Volkswagen AG und dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist gefallen. Der Autobauer und der vzbv teilten am 2. Januar 2020 die Aufnahme von Gesprächen mit. „Wir bewerten das Gesprächsangebot als positives Signal. Auch wenn keineswegs sicher ist, dass am Ende ein Vergleich erreicht wird, freuen wir uns, dass mehr als vier Jahre nach Beginn des Dieselskandals nun neue Bewegung in die Sache kommt“, sagte Dr. Ralf Stoll, Geschäftsführer und Mitinhaber der Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr. Zudem ist Stoll und sein Partner Ralph Sauer Mitinhaber der RUSS Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die die Musterfeststellungsklage im Diesel-Abgasskandal vor dem Oberlandesgericht in Braunschweig für den vzbv führt.

Vergleichsverhandlungen in der MFK stecken in einer frühen Phase

Die Aufnahme von Vergleichsverhandlungen ist keine Überraschung. Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte am 18. November in der zweiten mündlichen Verhandlung erneut auf einen Vergleich zwischen den streitenden Parteien VW und vzbv gedrängt. Und zudem angedeutet, in welche Richtung ein mögliches Urteil gehen könnte. Eine Verurteilung des Autobauers wegen sittenwidriger Schädigung liegt im Bereich des Möglichen. Die Vertreter des Volkswagen-Konzerns signalisierten darauf hin, über einen Vergleich nachdenken zu wollen. Bis Ende des vergangenen Jahres hatten nun die Anwälte von VW und die Vertreter des vzbv Zeit für das Nachdenken – mit einem positiven Ausgang. „Gemeinsames Ziel von Verbraucherzentrale Bundesverband und Volkswagen ist eine pragmatische Lösung im Sinne der Kunden. Die Gespräche befinden sich in einem sehr frühen Stadium. Ob es zu einem Vergleich kommt, ist offen. Beide Parteien haben Vertraulichkeit über die Gespräche vereinbart“, heißt es in der Mitteilung weiter.

An dem in der deutschen Rechtsgeschichte bisher einmaligen Verfahren nehmen rund 450.000 geschädigte Verbraucher teil. Die hoffen auf Entschädigung durch den Autobauer. Das Kraftfahrt-Bundesamt KBA wirft VW vor, in ihren Fahrzeugen mit dem Motor EA189 am Abgaskontrollsystem Manipulationen vorgenommen zu haben, sodass nur auf dem Prüfstand die Grenzwerte für Stickoxide eingehalten werden. 15 von 24 Oberlandesgerichten in Deutschland haben das bisher so gesehen und VW zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat zudem in einem Hinweisbeschluss die strittige Abschaltvorrichtung in den Motoren als Sachmangel bezeichnet.

Zweite Verhandlung in der Musterfeststellungklage lief zugunsten der Verbraucher

Die Weichenstellung für die Aufnahme der Vergleichsverhandlungen nahm das Oberlandesgericht Braunschweig Mitte November 2019 vor. Der Vorsitzende Richter, Michael Neef, machte zu Beginn der zweiten mündlichen Verhandlung klar, dass er derzeit keine Gründe für ein Teilurteil sehe. Er attestierte dem Verfahren sogar eine baldige Entscheidungsreife. Auch eine Beweisaufnahme sah er nicht als notwendig an. Das zügige Vorgehen hatte das Gericht bereits in der ersten Verhandlung am 30. September 2019 im Sinne der Verbraucher angedeutet. Sehr intensiv erläuterte Michael Neef die neusten Entwicklungen in der Rechtsprechung im Diesel-Abgasskandal. Und da gab es in jüngster Zeit klare Verurteilungen von VW wegen sittenwidriger Schädigung. Neef könne sich eine Nutzungsentschädigung für VW vorstellen und sprach sich gegen Zinsen für die Verbraucher aus. Doch ansonsten ließ er durchblicken, dass er die aktuelle Rechtsprechung intensiv studieren werden. Und spätestens hier war klar, in welche Richtung das Gericht tendieren könnte. „Das war schon eine positive Überraschung“, erinnert sich Ralph Sauer an das Ende der zweiten mündlichen Verhandlung. „Dass sich Volkswagen so schnell bewegt und sich der Richter so dezidiert äußert, damit hätten wir nicht gerechnet“, sagte Sauer weiter. Die Ankündigung, in einem dritten Verhandlungstermin die Frage der deliktischen Haftung breiten Raum zu geben, sei ein deutliches Signal zugunsten der Verbraucher gewesen.

Gerichte im Diesel-Abgasskandal haben sich verbraucherfreundlich positioniert

15 der 24 Oberlandesgerichte haben mittlerweile Volkswagen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Verbrauchern nach § 826 BGB verurteilt und den Konzern zu Schadensersatz verdonnert. Lediglich das OLG Braunschweig und einzelne Senate der OLG Bamberg, Koblenz und München haben eine Haftung von VW abgelehnt. Im Fall der OLG Dresden und Frankfurt/Main ist eine Verurteilung nach § 826 BGB angekündigt. Auch Landgerichte entscheiden immer häufiger für den geschädigten Verbraucher und gegen Volkswagen. Derzeit verurteilen laut dem Projekt „Dieselskandal“ der Universität Regensburg 98 von 115 Landgerichten VW wegen des manipulierten Motors EA 189 zu Schadensersatz. Das Oberlandesgericht Braunschweig wird sich diese für die Verbraucher positive Entwicklung an den Gerichten nicht entziehen können. Der Bundesgerichtshof hat der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung Auftrieb gegeben. In seinem Hinweisbeschluss vom 8. Januar 2019 (VIII ZR 225/17) ist die Manipulation der VW-Motors EA 189 als Sachmangel eingestuft worden. Daraufhin wurde VW vor Landgerichten zur Rücknahme und Neulieferung von Fahrzeugen verurteilt, ohne dass eine Nutzungsentschädigung an den Konzern stattfand.

Dr. Stoll & Sauer führt Musterfeststellungsklage gegen VW mit

Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich um eine der führenden Kanzleien im Abgasskandal. Die Kanzlei ist unter anderem auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Die Kanzlei führt mehr als 2000 Verfahren gegen verschiedene Autobanken wegen des Widerrufs von Autokrediten. Im Widerrufsrecht bezüglich Darlehensverträgen wurden mehr als 5000 Verbraucher beraten und vertreten. Daneben führt die Kanzlei mehr als 12.000 Gerichtsverfahren im Abgasskandal bundesweit und konnte bereits hunderte positive Urteile erstreiten.

In dem renommierten JUVE Handbuch 2017/2018, 2018/2019 und 2019/2020 wird die Kanzlei in der Rubrik Konfliktlösung – Dispute Resolution, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten besonders empfohlen für den Bereich Kapitalanlageprozesse (Anleger). Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führen in der RUSS Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) außerdem die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG. Im JUVE Handbuch 2019/2020 wird die Kanzlei deshalb für ihre Kompetenz beim Management von Massenverfahren als marktprägend erwähnt.


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