OLG Düsseldorf: Urteil zur Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen einer GmbH mit zwischengeschalteter GbR
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In einem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall wurde die Möglichkeit von Gesellschafterklagen gegen GmbH-Beschlüsse durch mittelbar über eine GbR beteiligte Personen thematisiert. Die Entscheidung unterstreicht, dass die Rechte von Gesellschaftern klar definiert sein müssen und dass eine bloß faktische Nähe nicht für Klagerechte gegen die GmbH ausreicht. Die Strukturierung von Gesellschaftsnetzwerken erfordert demnach besondere Aufmerksamkeit in Bezug auf die Formulierung von Gesellschaftsverträgen, Stimmrechtsregelungen und Schiedsklauseln, um Einflussnahme vertraglich und registerlich korrekt abzubilden.
1. Ausgangslage der Entscheidung
In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall ging es um die Anfechtung und Nichtigkeitsklage gegen mehrere Gesellschafterbeschlüsse, die im Rahmen einer Gesellschafterversammlung einer GmbH gefasst wurden. Diese GmbH wurde von einer Rechtsanwalts-GbR als Alleingesellschafterin gehalten. Der Kläger war Gesellschafter dieser GbR und Geschäftsführer der GmbH.
Zentrale Streitpunkte waren:
die Wirksamkeit von Beschlüssen zur Abberufung des Klägers als Geschäftsführer,
die Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrags,
die Geltendmachung möglicher Schadensersatzansprüche,
und die Frage, ob der Kläger als nur mittelbar Beteiligter (über die GbR) überhaupt klagebefugt war.
2. Rechtliche Kernaussagen des OLG Düsseldorf
a) Klagebefugnis bei mittelbarer Beteiligung (über eine GbR)
Das OLG stellt klar:
Der Kläger war nicht unmittelbarer Gesellschafter der GmbH, sondern lediglich mittelbar über eine zwischengeschaltete GbR beteiligt. Diese mittelbare Beteiligung reicht nicht aus, um selbständig Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage zu erheben.
Somit lehnt das Gericht eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Anfechtungsvorschriften auf mittelbare Gesellschafter ab. Auch eine "actio pro socio" wurde ausgeschlossen, da diese eine eigene Gesellschafterstellung bei der beklagten Gesellschaft voraussetzt.
→ Praxisrelevanz: Gesellschafter einer GbR, die als GmbH-Gesellschafterin fungiert, können nicht ohne Weiteres selbst Beschlussmängelklagen gegen die GmbH führen.
b) Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen und deren Reichweite
Die beklagte Partei hatte sich auf eine Schiedsabrede berufen. Das OLG ließ diese nicht durchgreifen, weil:
der GmbH-Gesellschaftsvertrag keine eigene Schiedsklausel enthielt und
die Schiedsklauseln in den GbR-Verträgen nicht den Anforderungen des BGH zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelklagen genügten.
Nach der BGH-Rechtsprechung (u.a. II ZR 75/06) müssen Schiedsklauseln:
eine bestimmte Schiedsinstitution benennen,
die Mitwirkung der Gesellschafter an der Besetzung des Schiedsgerichts gewährleisten (Stichwort: "Drittgerichtsbarkeit"),
und keine einseitige Dominanz ermöglichen.
→ Fazit: Eine wirksame Schiedsabrede muss klar strukturiert und gleichheitswahrend sein. Gesellschaftsverträge sollten hier besonders sorgfältig formuliert sein.
c) Zulässigkeit und Rechtsschutzbedürfnis trotz anhängiger Schiedsklage
Das Gericht verneint, dass die parallel erhobene Schiedsklage das Rechtsschutzbedürfnis für die staatliche Klage entfallen lasse – jedenfalls soweit sich die Verfahren auf unterschiedliche Gesellschaften (GbR vs. GmbH) beziehen.
→ Der Kläger durfte die Nichtigkeitsklage gegen GmbH-Beschlüsse führen, obwohl er zu denselben Themen bereits eine Schiedsklage gegen die GbR eingeleitet hatte.
d) Keine Nichtigkeit wegen angeblicher "Doppelgesellschaft"
Der Kläger argumentierte, es habe durch Änderung des GbR-Gesellschaftsvertrags eine „neue Gesellschaft“ gegeben. Das OLG wies dies zurück. Es komme allein auf die Handlungsfähigkeit der als Gesellschafterin im Handelsregister eingetragenen GbR an.
→ Selbst wenn intern Unstimmigkeiten über den GbR-Vertrag bestehen, bleibt die GbR nach außen als einheitliche Gesellschaft handlungsfähig.
e) Wesen der GmbH nicht durch Ausschluss bestimmter Individualrechte verletzt
Der Kläger wollte die Nichtigkeit der Beschlüsse auch auf § 241 Nr. 3 AktG analog stützen (Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Kapitalgesellschaft). Das OLG wies dies zurück:
Das "Wesen" der GmbH wird nicht durch die individuellen Rechte eines einzelnen Geschäftsführers oder faktischen Teilhabers geprägt, sondern durch Strukturprinzipien wie Beschlussfassung, Geschäftsführung und beschränkte Haftung.
3. Gesetzliche Grundlagen und Bezug zur höchstrichterlichen Rechtsprechung
a) §§ 241 Nr. 3 AktG analog – Grenzen der Beschlussfassung
Die Vorschrift kommt nur analog in Betracht, wenn Beschlüsse mit den Grundprinzipien der Kapitalgesellschaft fundamental unvereinbar sind. Dies setzt eine strukturelle Verletzung zentraler Elemente voraus (z.B. Mitbestimmungsrechte, Gleichbehandlung, Schutz der Minderheit). Das war hier nicht der Fall.
b) Anfechtung/Nichtigkeit bei GmbH-Beschlüssen
Die Rechtslage bei der GmbH ist nicht gesetzlich geregelt. Nach h.M. (BGH II ZR 78/08; II ZR 56/11):
ist eine analoge Anwendung des aktienrechtlichen Systems möglich,
insbesondere für Anfechtungsklagen innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung,
aber nur für Gesellschafter – nicht für Geschäftsführer oder mittelbar Beteiligte.
c) actio pro socio
Nach ständiger Rechtsprechung (BGH II ZR 15/88) ist die "actio pro socio" nur möglich, wenn der Kläger selbst Gesellschafter ist und ein Verstoß gegen Gesellschaftsrechte oder Treuepflichten geltend gemacht wird. Im Verhältnis zur GmbH reicht eine Beteiligung über eine GbR nicht aus.
d) § 138 Abs. 2 BGB – Sittenwidrigkeit von Gesellschaftsverträgen
Der Kläger warf vor, die neue GbR sei sittenwidrig, weil Gesellschafter zu faktischen Angestellten gemacht worden seien. Das OLG Düsseldorf prüfte dies und verneinte eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB, da kein strukturelles Missverhältnis oder Ausbeutungsverhältnis vorlag.
4. Fazit und Praxishinweis
Die Entscheidung zeigt exemplarisch:
Gesellschafterrechte müssen strukturell klar verortet sein. Eine bloß faktische Nähe reicht nicht für Klagerechte gegen die GmbH.
Zwischengeschaltete Gesellschaften (wie eine GbR) erzeugen klare Haftungs- und Beteiligungstrennungen.
Schiedsklauseln müssen sorgfältig aufgestellt sein und Mindestanforderungen erfüllen.
Der Geschäftsführer kann nicht wie ein Gesellschafter agieren, wenn ihm diese Stellung nicht formal zukommt – auch bei starkem faktischen Einfluss.
Die Strukturierung von Kanzlei- oder Gesellschaftsnetzwerken über mehrere Ebenen hinweg erfordert besondere Sorgfalt bei der Formulierung von Gesellschaftsverträgen, Stimmrechtsregelungen und Schiedsklauseln. Wer Einfluss sichern will, muss ihn vertraglich und registerlich sauber abbilden (OLG Düsseldorf, 21.07.2016 - Az. I-6 U 33/15).
Rechtsanwalt Johannes Goetz berät seit 2012 Gesellschafter, KMU und Geschäftsführer im Handels- und Gesellschaftsrecht. Er steht für ein erste Einschätzung zur Verfügung.
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