Recht auf ein faires Verfahren im Schengen-Raum, insbesondere beim Erlass eines Strafbefehls

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Schlussantrag des Generalanwalts des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Grundsätzen der Verteidigungsrechte und das Recht auf ein faires Verfahren im Schengen-Raum, insbesondere beim Erlass eines Strafbefehls

Im Schengen-Raum sind seit längerem die Grenzkontrollen abgeschafft. Dennoch werden hinter der Grenze verdachtsunabhängige Personenkontrollen vor allem in Bayern durchgeführt (Schleierfahndung). Die Bundespolizei geht vor allem nach Aussehen von Personen. Südländisches Aussehen oder dunkle Haut können in den Zügen der Deutschen Bahn (zum Beispiel im Euro-City 80) aus Österreich kommend oder nach Österreich fahrend, sich nachteilig auswirken. „Racial Profiling“ nennt man das. Diese rassistische Diskriminierung ist nach einer Empfehlung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, das den Deutschen Bundestag berät, einzustellen, siehe http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/uploads/tx_commerce/Studie_Racial_Profiling_Menschenrechtswidrige_Personenkontrollen_nach_Bundespolizeigesetz.pdf.

Am Bahnhof in Rosenheim steigen die Herren aus Österreich ein, die nach Aussehen vorgehen (habe ich selbst erlebt) und immer werden Personen kontrolliert, die südländisch aussehen.

Hier fahndet die Polizei wegen illegaler Einreise. Im Norden an der Grenze Deutschland-Niederlande fahndet die Polizei nach illegaler Einfuhr von Drogen.

Die Masse von Verfahren wird von der Staatsanwaltschaft (zum Beispiel in Traunstein) mit einem Strafbefehl erledigt. Bei Einschleusen von Ausländern (Strafbar nach § 95 Aufenthaltsgesetz) droht Haft. Der Strafbefehl ergeht auf Antrag der Staatsanwaltschaft und ist in der Regel bei Ersttätern Freiheitsstrafe bis zur zwölf Monaten, die zu Bewährung ausgesetzt wird. Ein Richter sagte mir, das sei human. Früher bekam man dafür 18 Monate ohne Bewährung.

In der europäischen Union haben die verantwortlichen Richter Zweifel bekommen, ob die Mindestanforderungen an Beschuldigtenrechte gemessen an die EU-Normen rechtskonformen eingehalten werden.

Das Amtsgericht Laufen in Oberbayern hat im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union, der nicht mit dem Menschengerichtshof in Straßburg verwechselt werden darf, Auslegungsfragen gestellt.

Können die Beschuldigten in ihrer eigenen Sprache gegen den Strafbefehl Einspruch einlegen?

Wie berechnet sich die zweiwöchige Einspruchsfrist bei Strafbefehlen, wenn etwa ein Pflichtverteidiger als Zustellungsbevollmächtigter den Strafbefehl bekommt? Der Angeklagte hingegen den Strafbefehl wesentlich später durch einfaches Schreiben in der EU erhält.

Hinweis:

In der Rechtssache C-216/14 im Strafverfahren gegen Gavril Covaci hat der Generalanwalt Yves Bot am 7. Mai 2015 seine Schlussanträge gestellt. In der Regel folgen die Richter dem Schlussantrag des Generalanwalts. Der Schlussantrag lautet:

Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 2 Abs. 1 und 8 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren sind dahin auszulegen, dass sie § 184 Gerichtsverfassungsgesetz nicht entgegenstehen, soweit sie verlangen, den Einspruch in der Verfahrenssprache Deutsch zu stellen.

Diese Bestimmungen sind jedoch dahin auszulegen, dass sie einer Person, gegen die ein Strafurteil ergangen ist und die der Verfahrenssprache nicht mächtig ist, erlauben, ein Rechtsmittel gegen ein solches Urteil in ihrer eigenen Sprache einzulegen, wobei es dem zuständigen Gericht obliegt, in Anwendung des Rechts der beschuldigten Person auf Dolmetscherleistungen nach Art. 2 dieser Richtlinie die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Übersetzung des Rechtsmittels in die Verfahrenssprache sicherzustellen.

Art. 2, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 6 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren sind dahin gehend auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die die Bestellung eines Bevollmächtigten für eine beschuldigte Person, die in diesem Staat nicht wohnhaft ist, im Rahmen eines Strafverfahrens für die Zustellung eines gegen sie erlassenen Strafbefehls, gefolgt von einer Übermittlung dieses Strafbefehls durch den Zustellungsbevollmächtigten an die beschuldigte Person mit einfacher Post, vorsehen, sofern dieser verfahrensrechtliche Mechanismus nicht verhindert, dass dieser Person die gesetzliche Frist von zwei Wochen zur Verfügung steht, die die Rechtsvorschriften dieses Staates für die Einlegung eines Einspruchs gegen diesen Strafbefehl vorsehen, wobei diese Frist ab dem Zeitpunkt zu laufen hat, zu dem diese Person, in welcher Weise auch immer, Kenntnis von diesem Strafbefehl erlangt.

Fundstelle: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=164146&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=446002

Fachanwalt f. Strafrecht Hamburg

Dr. Ebrahim-Nesbat

Stand: 03.07.2015


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