Sorgerechtsübertragung bei Corona-Impfung

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OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 17.08.2021, Az. 6 UF 120/21

Wie beck.de berichtet, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 17.8.2021 in einem Eilverfahren entschieden, dass der auf die STIKO-Empfehlungen vertrauende Elternteil über die Durchführung der Kindesimpfung entscheiden darf.


Sachverhalt:

Es ging um einen fast 16-jährigen impfbereiten Jungen, der an Adipositas litt. Er wurde 2005 geboren, die Eltern inzwischen geschieden. Sie üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Aufgrund der Vorerkrankung bestand von Anfang an gemäß den Empfehlungen der ständigen Kommission beim Robert-Koch-Institut eine eindeutige medizinische Indikation für eine Impfung gegen das Corona Virus SARS CoV 2 mit einem mRNA Impfstoff. Während Vater und Sohn sich für ebendiese Impfung aussprachen, zeigte sich die Mutter hiermit nicht einverstanden. Sie sah in der Impfung eine „Gentherapie“.


Um dennoch eine Impfung für seinen Sohn zu erreichen, beantragte der Vater beim Amtsgericht im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Impfung seines Sohnes. Dem Antrag wurde stattgegeben, der Sohn in der Zwischenzeit das erste Mal geimpft. Gegen die Entscheidung des Gerichts legte die Mutter Beschwerde ein.


Die Entscheidung:

Diese Beschwerde wurde nunmehr durch die Entscheidung des OLG zurückgewiesen. § 1628 BGB regelt: „Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen.“


Die Entscheidung über die Durchführung der vorgenannten Impfung sei eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Das Gericht befand, dass es naheliegend sei, dass der fast 16-jährige für den medizinischen Eingriff als Person grundsätzlich selbst einwilligungsfähig sei. Allerdings handele es sich um einen nicht geringfügigen medizinischen Eingriff. Daher bedürfe es zur Wirksamkeit der Einwilligung neben derjenigen des Patienten auch der Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern im Wege des sogenannten co-Konsenses.


Letztlich bestünden im vorliegenden Fall keine besonderen Impfrisiken, sodass die Entscheidungsbefugnis demjenigen Elternteil zu übertragen gewesen sei, der die Impfung gemäß der Empfehlungen befürworte. Die STIKO änderte am 16.08.2021 darüber hinaus die Empfehlungen dahingehend, dass allen Kindern und Jugendlichen von mindestens zwölf Jahren eine Impfung empfohlen werde. Hierauf komme es wiederum in diesem Fall nicht an.


Vielmehr sei stattdessen gemäß § 1697 BGB der Kindeswille ebenfalls zu beachten gewesen. Schließlich war der Sohn mit fast 16 Jahren aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung imstande, sich eine eigene Meinung über Nutzen und Risiken der Impfung zu bilden. Auch insofern spreche die Rücksichtnahme auf seinen Willen für die bessere Entscheidungskompetenz des Kindesvaters. Teil der elterlichen Sorge sei es auch, die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem, verantwortungsbewussten Handeln zu berücksichtigen.


Wertung:

Zumindest für den hier vorliegenden Einzelfall überzeugt die Entscheidung. Nicht nur ging die Entscheidung mit den Empfehlungen der STIKO einher; auch bestanden keine erkennbaren Gründe, sich gegen eine Impfung auszusprechen, da ein entsprechendes Risikoprofil nicht gegeben war. Zudem dürfte der Willen des Kindes selbst nicht unwesentlich zur hiesigen Entscheidungsfindung beigetragen haben. Anders wäre die Sache zu werten, wenn zwar der Vater die Impfung verlangt hätte, das Kind sie jedoch abgelehnt hätte. Insofern bleibt abzuwarten, ob das Urteil sich auf ähnliche Sachverhalte übertragen lässt.


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