Verhaftung / Gewahrsamnahme – wie ich mich richtig verhalte

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Nur unter bestimmten Voraussetzungen können Polizei oder Staatsanwaltschaft eine strafprozessuale Verhaftung (zum Polizeigewahrsam s.u.) vornehmen. Für eine solche (strafprozessuale) Verhaftung benötigt die Polizei oder Staatsanwaltschaft stets eine Rechtsgrundlage. Diese finden sich in der Strafprozessordnung und sind

  • die vorläufige Festnahme nach § 127 StPO,
  • die Anordnung der Untersuchungshaft in einem laufenden Ermittlungsverfahren, §§ 112 ff. StPO,
  • der Vorführungshaftbefehl beim Nicht-Erscheinen in der Hautverhandlung (Gerichtstermin), § 230 StPO,
  • der Vorführungs- oder Haftbefehl nach Aufforderung zum Antritt der Strafe, § 457 II StPO.

Die in der Praxis am Häufigsten vorkommende Festnahme ist die nach § 127 StPO, weswegen auf diese im Folgenden kurz eingegangen wird: Nach § 127 StPO steht jedermann (nicht nur der Polizei) das Recht zu, eine Person, welche „auf frischer Tat betroffen“ ist, zur Identitätsfeststellung festzunehmen. Nach § 127 II StPO haben Staatsanwaltschaft und Polizei noch darüberhinausgehende Rechte und können eine Person bei „Gefahr in Verzug“ auch dann festnehmen, wenn kein Bezug zu einer frischen Tat besteht.

Auch im Polizeirecht existieren verschiedene Arten des Gewahrsams (Polizeigewahrsam). Die Ermächtigungsgrundlage findet sich hier im Polizeigesetz, vgl. § 28 PolG BW. Insbesondere gibt es folgende Arten des Gewahrsams:

  • Präventivgewahrsam (beispielsweise Gefahr im Verzug, Festnahme verdächtiger Personen usw.),
  • Schutzgewahrsam (zum Eigenschutz einer Person, beispielsweise stark alkoholisierte Personen, suizidgefährdete Personen usw.),
  • Verbringungsgewahrsam, Durchsetzungsgewahrsam (Personen werden gegen ihren Willen an einen anderen Ort verbracht um die Fortdauer einer Straftat zu verhindern),
  • Zuführungsgewahrsam (Zurückbringung von Minderjährigen zu den Sorgeberechtigten),
  • Rückbringungsgewahrsam (aus dem Gefängnis entflohene Personen werden zurückgebracht).

Generell gilt jedoch, dass die Festnahme / der Gewahrsam aber nur bis zu dem auf die Verhaftung folgenden Tag andauern darf; spätestens dann muss durch einen Richter ein Haftbefehl ergehen, ansonsten muss der verhaftete wieder freigelassen werden, § 115a StPO; § 28 III PolG BW. Die Festnahme ohne Haftbefehl endet dementsprechend spätestens am nächsten Tag um 24 Uhr. Sie kann, je nach Festnahmezeitpunkt, maximal 47 Stunden und 59 Minuten dauern.

In diesem Zeitraum müssen auch die Staatsanwaltschaft informiert, dass Aktenmaterial gesichtet und das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen beurteilt werden.

Aber wie verhalte ich mich richtig in einer solchen Situation?

Generell und ausnahmslos gilt: Schweigen ist Gold.

Praxistipp 1:

Machen Sie überhaupt keine Aussagen zur Sache, bevor Sie mit einem Verteidiger gesprochen haben. Auch freiwillige Angaben (vor einer Belehrung) können als Spontanäußerungen ggf. in einen Strafprozess über die Vernehmung der Beamten eingebracht werden.

Sie müssen nur die Feststellung Ihrer Person ermöglichen (Angabe von Vor- und Nachname, Geburtstag und Adresse) und gegebenenfalls erkennungsdienstliche Maßnahmen über sich ergehen lassen.

Auch wenn eine solche Verhaftung ein einschneidendes Ereignis darstellt, vor allem, wenn sie über Nacht andauert, sollten Sie trotzdem unbedingt Ruhe bewahren. Bestehen Sie in jedem Fall auf Ihr Recht, mit einem Rechtsanwalt zu sprechen. Denn oft sind die Gründe für die Festnahme fadenscheinig und verleiten eine mit einer solchen Situation unerfahrene Person häufig schnell dazu, doch Angaben zur Sache zu machen, da sie meinen, damit der Verhaftung entgehen zu können. Hiervon können wir aber nur abraten, da auch nach erfolgten Angaben in der Regel die Verhaftung nicht aufgehoben wird; oft macht man es dadurch nur noch schlimmer. Lassen Sie sich daher auf keinerlei Gespräche oder „Empfehlungen“ der Ermittlungsbeamten (oder Staatsanwälte oder Richter) ein, bevor Sie mit Ihrem Verteidiger gesprochen haben – und sei das Gespräch auch noch so freundlich angebahnt und Ihnen erklärt worden, warum es für Sie nur gut sein könne, wenn Sie mit der Polizei sprechen und Angaben zur Sache machen.

Praxistipp 2:

Weiterhin ist es bei vorläufiger Festnahme und Verhaftung wichtig, sofort Ihr Recht wahrzunehmen, einen Verteidiger zu kontaktieren. Sollten Sie in den Nachtstunden verhaftet worden sein und keinen Verteidiger kontaktieren können, so kontaktieren Sie unbedingt einen nahen Angehörigen, welcher dann gleich am nächsten Morgen Kontakt mit Ihrem Verteidiger aufnehmen kann.

Wenn man Ihnen den Anruf bei einem Anwalt verweigern will, was in der Praxis bisweilen geschehen soll, was jedenfalls von Mandanten ab und an berichtet wird, so bestehen Sie auf den Anruf. Verlangen Sie im weiteren Weigerungsfall die Bekanntgabe des Namens und der Dienstbezeichnung des Beamten, wenn er hartnäckig bleibt und notieren Sie beides. Korrekt ist die Verweigerung nämlich nicht.

Was ein Verteidiger für Sie erreichen kann:

  • Ihr Verteidiger wird Sie umgehend besuchen,
  • dabei wird er mit Ihnen ein Mandantengespräch führen (Anwesenheit der Polizei nicht gestattet),
  • im Weiteren wird er Akteneinsicht nehmen,
  • und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen.

Im Einzelnen:

Damit ein Verteidiger für Sie tätig werden kann, benötigt er zunächst eine von Ihnen unterzeichnete Vollmacht; diese ist auch erforderlich, um Sie in der Justizvollzugsanstalt (JVA) überhaupt besuchen zu können; ohne eine solche Vollmacht erhält auch der Verteidiger keinen Einlass zu Ihnen in die Justizvollzugsanstalt. Der Verteidiger hat selbstverständlich das Recht, das Gespräch mit Ihnen persönlich ohne Anwesenheit Dritter (auch keine Vollzugsbeamte) zu führen. Auch darf das Gespräch nicht überwacht oder abgehört werden. Ebenso wenig darf der Schriftverkehr zwischen Verteidiger und Mandant überwacht werden.

Nachdem Ihr Verteidiger die Vollmacht erhalten hat, wird er sich zunächst, um die Sach- und Rechtslage beurteilen zu können, einen Überblick verschaffen müssen. Hierzu dient zunächst das Mandantengespräch; entscheidend ist aber auch der Einblick in die Ermittlungsakte.

Ihr Verteidiger wird daher umgehend (vollständige) Akteneinsicht beantragen. Eine Akteneinsicht erhält auch nur der Verteidiger in dieser Art; die Akte wird ihm dazu vollständig zur Einsichtnahme und für die Möglichkeit, diese zu kopieren, in die Kanzlei übersendet.

Nach der Einarbeitung in die Ermittlungsakte wird es zu einem weiteren Mandantengespräch kommen, bei welchem dann unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Akte die Verteidigungsstrategie entwickelt und entschieden wird, ob der Beschuldigte weiterhin von seinem Schweigerecht Gebrauch macht oder gegebenenfalls eine schriftliche Einlassung abgegeben wird. Auch ist es möglich, dass eine von dem Verteidiger begleitete mündliche Vernehmung des Beschuldigten stattfindet. Als Strafverteidiger sind wir mit diesen Vorgängen vertraut.

Sollte die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet worden sein, so besteht auch die Möglichkeit, hiergegen das Rechtsmittel der Haftprüfung oder Haftbeschwerde einzulegen; dieses muss jedoch zuvor sorgfältig geprüft werden, da dies auch begründet werden muss. Auch dies ist Gegenstand des Mandantengesprächs.

Mit der Verkündung eines Haftbefehls (vor Ablauf der 24 Stunden Frist) wird der Beschuldigte von dem zuständigen Richter in der Regel nur kurz mit den strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert und persönlich dazu angehört. Gerade angesichts der Tatsache, dass nicht einzuschätzen ist, was bereits in das Ermittlungsverfahren Eingang gefunden hat, sollte auch dieses Anhörungsrecht nur zusammen mit einem Verteidiger wahrgenommen werden. Nur dieser kann rechtzeitig Akteneinsicht nehmen und so eine Lageeinschätzung vornehmen.

Seit Anfang 2010 sieht das Gesetz zwar zwingend vor, dass bei Anordnung der Untersuchungshaft durch das Gericht ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist. In der Praxis wird die Beiordnung jedoch erst mit der Verkündung des Haftbefehls verfügt, so dass die richterliche Anhörung leider teilweise noch ohne anwaltlichen Beistand durchgeführt wird. Daher ist es umso wichtiger, sich sofort nach Ihrer Festnahme an Ihren Verteidiger zu wenden.

Vorstehendes ist nur eine generelle Übersicht und ersetzt keinesfalls eine strafrechtliche anwaltliche Beratung oder Vertretung. Gerade im Strafrecht ist es von großer Wichtigkeit, jeden Fall genau von allen Seiten zu beleuchten. Nur so kann auf Ihre Situation rechtlich richtig eingegangen werden, was Voraussetzung für eine kompetente Verteidigung ist.

Anwaltskanzlei Schmid | Rechtsanwälte Schmid & Treuter

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