Verteidigung bei Fahrerflucht? Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht gibt Tipps

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Der Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) kann bei Verurteilung zu empfindlichen Fahrverboten von bis zu sechs Monaten führen. Ab einem sogenannten erheblichen Fremdschaden droht sogar die Entziehung der Fahrerlaubnis für nicht weniger als sechs Monate. Oft droht sogar bereits die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vor rechtskräftiger Strafe – man darf in solchen Fällen also kein Kraftfahrzeug mehr führen, obwohl die Schuld noch gar nicht naschgewiesen ist.

Der Tatbestand des § 142 StGB ist sehr kompliziert, bietet  daher aber auch viele Verteidigungsansätze. Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Ahaus, Borken, Dülmen) stellt Ihnen einige davon nachfolgend in gebotener Tiefe vor. Vielleicht entdecken Sie darunter ein paar Argumente, die auf Ihren Fall passen könnten.


Fahrzeughalter ist grundsätzlich als Beschuldigter zu belehren

Da sich in Deutschland der Fahrer für die Tat strafbar macht, nicht jedoch der Halter des unfallbeteiligten Kfz, steht die Ermittlung des Fahrers im Zentrum der Ermittlungen. Wird der Fahrer nicht ermittelt oder wiedererkannt, gibt es keine Strafe, selbst wenn das Fahrzeug als solches gefunden wird.

Nicht selten sind Strafanzeigen wegen Fahrerflucht sog. „Kennzeichenanzeigen“. Das heißt: Weil nicht unbedingt der Fahrer als namentliche Person erkannt wird, sondern das Auto samt Kennzeichen beobachtet wird, wird zunächst über das Nummernschild der Halter ermittelt. Dieser wird sodann oft sehr zeitnah durch die Polizei zu Hause oder am Arbeitsplatz aufgesucht und mit der Befragung überrumpelt.

Wer hierbei dummerweise nun seine Fahrereigenschaft eingesteht oder warum auch immer fälschlicherweise einräumt, könnte Glück im Unglück haben: Der Halter eines Kraftfahrzeuges ist vor einer polizeilichen Befragung zur Fahrereigenschaft im Rahmen von Unfallfluchtermittlungen grundsätzlich als Beschuldigter zu belehren. Eine Ausnahme gilt nur, wenn seine Fahrereigenschaft nicht aufgrund anderer Erkenntnisse ausgeschlossen ist. In diesen Fällen ist die Durchführung einer sogenannten „informatorischen Befragung“ („Tag, Polizei hier. Wissen Sie, wer gefahren ist? Sie sind doch der Halter.“) regelmäßig falsch. Entsprechend gewonnene Erkenntnisse aus einer polizeilichen Befragung des Halters ohne vorherige Beschuldigtenvernehmung sind in diesem Fall unverwertbar.

Wer also als Fahrzeughalter lediglich „informatorisch befragt“ oder nur als Zeuge belehrt wurde, könnte nochmal aus seinem Geständnis rauskommen. Ist fair, weil rechtsstaatlich vorgesehen.

Wenn der Schock der ersten Befragung überwunden ist, und Sie denken, „Mist, was habe ich das bloß gesagt!“, lassen Sie vom Strafverteidiger Akteneinsicht nehmen und die Verwertbarkeit Ihrer Angaben prüfen.


War der schadenverursachende Anstoß bemerkbar?

Polizei und Staatsanwaltschaft unterstellen allzu schnell, daß auch jeder Anstoß bzw. Unfall vom Unfallbeteiligten oder gar Verursacher bemerkt wird – und die Flucht vorsätzlich erfolgt. Das ist mitnichten stets der Fall. es gibt keinen Erfahrungssatz, daß die Berührung zweier Fahrzeuge immer gefühlt wird. Die Bemerkbarkeit des Unfalls ist daher in vielen Fällen zweifelhaft, gar nicht gegeben oder jedenfalls nicht gesichert nachweisbar (was für einen Freispruch genügen kann).

Die Bemerkbarkeit kann einerseits taktil („Ruckeln“), visuell (Bewegung) oder akustisch (Knall, Schleifgeräusche) sein.

Untersuchungen haben z.B. gezeigt, daß vor allem beim Rangieren von schweren Lkws verursachte Unfälle trotz hoher Fremdschäden kaum taktil oder akustisch bemerkbar sind. Ein Trucker kann beim Rückwärtsfahren z.B. mehrere Meter ein Auto hinter sich herschieben, ohne es im Führerhaus wahrzunehmen. 

Ähnliches gilt in vielen Konstellationen für Autofahrer. Streifberührungen oder der Anstoß in weiche Fahrzeugteile sind häufig nicht wahrnehmbar (weder akustisch, noch durch Ruckeln).  Auch kann Wahrnehmbarkeit eingeschränkt sein oder entfallen durch Ablenkung, laute Innen- und Außengeräusche oder eine ohnehin im Kollisionszeitpunkt erfolgende Bremsbewegung.   

Die Wahrnehmbarkeit bietet daher hervorragende Verteidigungsansätze. Gegebenenfalls hat das ein unfallanalytischer Sachverständiger gutachterlich zu beurteilen. Ein versierter Strafverteidiger und Fachanwalt wird Ihnen allerdings bereits aufgrund eigener Erfahrung eine erste Einschätzung zur erfolgreichen Argumentation geben können.


Schadenhöhe ist nicht gleich Schadenhöhe

Ab einem sogenannten erheblichen Fremdschaden droht nicht nur ein Fahrverbot bis zu sechs Monaten, sondern sogar die Entziehung der Fahrerlaubnis ab sechs Monaten aufwärts. Je nach Landgerichtsbezirk liegt der erhebliche derzeit ab 1.500,- Euro aufwärts. Nur ganz selten bejahen, vor allem süddeutsche Gerichte, die Schadengrenze bei 2.500 Euro aufwärts. Der erhebliche Fremdschaden ist also angesichts heutiger Fahrzeugwerte oder bei Beschädigung fremder Gebäude und Bäume schnell erreicht.

Bei Übersteigen der Schadengrenze kennen Gerichte und Staatsanwaltschaften keine Gnade. Erst unterhalb der Erheblichkeitsgrenze wachsen die Chancen für eine Einstellung des Verfahrens.  

Doch es gibt nicht selten Grenzfälle, in denen allein eine fehlerhafte Schadenberechnung zur Überschreitung der magischen Fremdschadengrenze zur Fahrerlaubnisentziehung führt.

Ein leichtes Beispiel zur Berechnung:

Sie sollen einen Firmenwagen der Firma A GmbH beschädigt haben. Die Firma A GmbH teilt der Staatsanwaltschaft einen Blechschaden in Höhe von 1.666,00 Euro mit und zudem 1.000,- Euro Kosten für einen Ersatzfirmenwagen während der Reparatur. Die Firma A ist jedoch vorsteuerabzugsberechtigt. Ihr Blechschaden war einschließlich 19 Prozent Mehrwertsteuer in Höhe von 266,00 Euro berechnet. Diese sind jedoch in Abzug zu bringen, da die Mehrwertsteuer durch die GmbH ja wieder „gezogen“ werden kann. Und der Mietwagen? Er darf im Rahmen des § 142 StGB nicht als Schadensbetrag in die Berechnung einbezogen werden OLG Hamm, Beschluß vom 5.04.2022 – 5 RVs 31/22).

Was im Strafverfahren gegen Sie übrig bleibt, sind also 1.400,- Euro Nettoschaden der Firma A GmbH. Im Falle Ihrer Verurteilung droht also immerhin keine Entziehung der Fahrerlaubnis mehr. Für Ersttäter erhöht dies zugleich die Chance auf eine komplette Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Geldbuße – es gibt dann keine Vorstrafe.

Ein erfahrener Strafverteidiger weiß, wie ein Schadensvorwurf im Einzelfall zu korrigieren ist. Verlassen Sie sich dabei nicht auf Staatsanwaltschaft oder Gericht! Viele Positionen werden nur allzu gerne übersehen und die Rechtsprechung ist unübersichtlich.            


Schadenhöhe muß erkennbar sein       

Bei der Frage des bedeutenden Fremdschadens ist nicht der im Nachhinein festgestellte tatsächliche Schaden maßgebend sondern einerseits, wie sich zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens der Schaden am Unfallort objektiv abgezeichnet hat. Andererseits kommt es subjektiv auf Ihre Vorstellung als beschuldigter Unfallbeteiligter selbst über den Umfang des von Ihnen angerichteten Fremdschadens an. Nur Schäden, die für den Beschuldigten am Tatort kalkulierbar waren, können Gegenstand des erheblichen Sachschadens sein.

Ein Beispiel:

Die Polizeibeamten mit ihrem geschulten Auge und teils langjähriger Berufserfahrung schätzen am Unfallort den Fremdsachschaden auf lediglich 1.000 Euro. Das liegt jedenfalls unterhalb der Grenze für die Entziehung der Fahrerlaubnis. Tatsächlich liegt der Blechschaden laut späterem Schadengutachten weit über der für Sie gefährlichen Grenze bei 2.800,- Euro. Allerdings muß nach der Rechtsprechung in diesem Fall mit Blick auf die Fehlschätzung der Polizisten auch nicht der Beschuldigte wissen oder nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten wissen können, daß ein bedeutender Fremdsachschaden eingetreten war. Sie als Beschuldigter müssen untechnisch gesagt nicht schlauer sein als die Polizei.


Bei Vorwurf Unfallflucht: Hilfe beim Fachanwalt suchen!

Obige Ausführungen sind nur ein klitzekleiner Überblick über eine große Auswahl an Verteidigungsansätzen.   Vielleicht haben Sie schon für Ihren Fall eine vergleichbare Konstellation wiedererkannt?

Ab der ersten polizeilichen Vernehmung oder Vorladung sollten Sie schweigen und sich unverzüglich durch einen Verkehrsanwalt mit strafrechtlichem Schwerpunkt vertreten lassen. Dieser nimmt schnelle Akteneinsicht und erarbeitet danach mit Ihnen die beste Verteidigungsstrategie, um Ihren Führerschein zu retten. Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk mit Kanzleisitz in Coesfeld (bei Reken, Gescher, Velen, Bocholt) ist Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht. Er beherrscht seit Jahren die Klaviatur der Strafverteidigung und Verkehrsunfallfluchtsachen und verteidigt zum § 142 StGB in ganz Deutschland. Kontaktaufnahme für das Erstgespräch einfach per e-mail oder WhatsApp / Signal unter 0151-52068763.

Foto(s): Heiko Urbanzyk

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