Volksverhetzung und Verleumdung einer Person des politischen Lebens durch Telegram-Post?
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Personen des öffentlichen Lebens sind regelmäßig mehr Kritik ausgesetzt als Privatpersonen. Dabei sind vor allem auch Personen des politischen Lebens Kritik ausgesetzt - und diese macht sich vor allem in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram, WhatsApp-Gruppen und Telegram Luft.
Mehr oder weniger unüberlegte Postings in Social Media beschäftigen Strafverteidigung und Strafverfolgung jährlich tausendfach. Denn strafrechtlich relevant wird dies, wenn nicht mehr bloß eine Meinungsäußerung oder objektive Kritik an einem Politiker vorliegt, sondern eine strafbare Beleidigung oder Verleumdung. Eine provokante Aussage kann gar als Volksverhetzung gewertet werden. Es braucht nicht extra betont zu werden, dass ein derart politisch aufgeladener Tatvorwurf aufgrund eines einzigen unbedachten Postings für sonst unbescholtene Bürger ohne Weiteres zur Existenzgefährdung führen kann. Nicht selten erfährt der Beschuldigte erstmals im Rahmen einer Hausdurchsuchung von den Ermittlungen.
Anlass dieses Rechtstipps ist eine Entscheidung des OLG Celle über einen so gelagerten Fall (Beschl. vom 23. Juli 2024 – 1 ORs 19/24). Dort wurde eine Verurteilung wegen Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB sowie Verleumdung einer Person des politischen Lebens gem. §§ 187, 188 Abs. 2 StGB aufgehoben. Sollten Sie beschuldigt werden eine solche Tat begangen zu haben, dann kann Ihnen der folgende Beitrag einige wichtige Informationen liefern.
Sachverhalt des Beschlusses vom OLG Celle
Dem Beschluss des OLG Celle ging ein Urteil des LG Stade voraus. Dieses verurteilte den Angeklagten wegen Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB und Verleumdung einer Person des politischen Lebens gem. §§ 187, 188 Abs. 2 StGB. Der Angeklagte hatte in seinem öffentlich einsehbaren Telegram-Kanal ein Pressefoto, dass den Bundesgesundheitsminister als Impfarzt bei einer Covid-19 Impfung zeigte, veröffentlicht und in der Textzeile offen mit einem bekannten Arzt eines Konzentrationslagers verglichen, der nach 1945 als Kriegsverbrecher gesucht war. Das OLG hob die Verurteilung auf.
Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB
Gemäß § 130 Abs. 3 StGB ist es strafbar in der NS-Zeit begangene Handlungen der in § 6 Abs. 1 Völkerstrafgesetzbuch bezeichnete Art öffentlich zu billigen, leugnen oder verharmlosen. Die Äußerung muss geeignet sein den öffentlichen Frieden zu stören. Bestraft wird die Tat mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe.
Im vorliegenden Fall wurde der Telegram-Post als eine Verharmlosung des Holocaust gesehen, dies wurde vom OLG als solches auch bestätigt. Das OLG bestreitet jedoch, dass die Äußerung des Angeklagten geeignet war den öffentlichen Frieden zu stören. Die Verharmlosung des Nationalsozialismus als Ideologie allein begründet keine Strafbarkeit. Der öffentliche Frieden schützt die Gewährleistung von Friedlichkeit. Äußerungen, welche ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen angelegt sind, sollen verboten werden. Dies können Appelle oder Emotionalisierungen sein, welche bei Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Dritte einschüchtern.
Eine Meinungsäußerung kann daher den öffentlichen Frieden stören, wenn sie mittelbar auf Realwirkungen angelegt ist. Dies kann ein Apell zum Rechtsbruch, aggressive Emotionalisierung oder die Herabsetzung von Hemmschwellen sein, welches rechtsgutgefährdende Folgen auslöst.
Der Telegram-Post des Angeklagten erfüllte, entgegen der Ansicht des LG, nicht diese Anforderungen. Die getätigte Äußerung ist nicht geeignet das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern noch fordert es die Abonnenten des Angeklagten zu einem rechtswidrigen Protest auf. Die Äußerung ist ebenfalls nicht geeignet bei Sympathisanten Aggressionen hervorzurufen und sie zu einem Tätigwerden zu veranlassen. Das OLG stellt fest, dass nicht jede provokante Beeinflussung der öffentlichen Diskussion ohne weiteres eine Eignung zur Auslösung rechtgutgefährdender Folgen ist. Demnach hob es die Verurteilung wegen Volksverhetzung auf.
Verleumdung einer Person des politischen Lebens gem. §§ 187, 188 Abs. 2 StGB
Die Verleumdung einer Person des politischen Lebens wird gem. §§ 187, 188 Abs. 2 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Dies muss öffentlich erfolgen und aus Beweggründen begangen werden, welche mit der Stellung des Beteiligten im öffentlichen Leben zusammenhängen. Ebenso muss die Tat geeignet sein das öffentliche Wirken der Person erheblich zu erschweren.
Eine Verleumdung gem. § 187 StGB liegt vor, wenn Tatsachen, die dem Beweis zugänglich sind, falsch dargestellt werden. Ein subjektives Werturteil ist demgegenüber gem. § 185 StGB strafbar. Eine Tatsache ist eine eigene substantiierte konkret greifbare Behauptung. Eine lediglich plakative Bewertung von tatsächlichen Umständen stellt kein Tatsache dar.
Gemessen an diesen Kriterien war die Äußerung des Angeklagten ein Werturteil, welches anhand der Maßstäbe der §§ 185, 188 Abs. 1 StGB zu messen ist. Das Foto stellte nicht wie behauptet den KZ-Arzt dar, sondern soll eine Gleichstellung des Bundesgesundheitsministers mit diesem vornehmen. Diese Gleichstellung ist eine plakative und abwegige Bewertung tatsächlicher Vorgänge und ist demnach eben keine Tatsachenbehauptung, welche § 187 StGB unterfällt.
Unabhängig von dieser Einordnung müsste die Verleumdung oder Beleidigung das öffentliche Wirken des Bundesgesundheitsministers erheblich erschweren. Ob die Beleidigung einer Person des politischen Lebens gem. § 188 I StGB geeignet ist, deren öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände der Äußerung zu bestimmen. Dabei ist auf die Glaubwürdigkeit des Täters, die Art der Verbreitung und die Größe des erreichten Personenkreises einzugehen.
Bei der Verleumdung einer im politischen Leben des Volkes stehenden Person ist hingegen die Eignung zur Beeinträchtigung des öffentlichen Wirkens nur anhand des objektiven Inhalts der aufgestellten Behauptung zu bestimmen. Dazu müsste beispielsweise die Person als nicht mehr vertrauenswürdig erscheinen.
Vom Landegericht wurde nicht hinreichend dargelegt, dass durch den Post das öffentliche Wirken des Bundesgesundheitsministers erheblich erschwert würde. Das Gericht konnte nicht darlegen, dass durch den Post des Angeklagten der Bundesgesundheitsminister nun mehr als nicht vertrauenswürdig erscheint. Ebenso lagen keine anderweitigen Umstände vor, welche eine Verurteilung rechtfertigen. Demnach liegen die Voraussetzungen gem. §§ 187, 188 Abs. 2 SGB für die Verleumdung einer Person der politischen Lebens folglich nicht vor. Die Sache wurde durch das OLG an das Landgericht zur neuen Verhandlung zurückverwiesen.
Nicht jede Provokation ist strafbar!
Die Entscheidung des OLG Celle zeigt deutlich, dass nicht jede provokante Behauptung schon als Volksverhetzung oder Verleumdung einer Person eingestuft werden kann. Im Urteil müssen immer hinreichend die Umstände benannt werden und eine saubere Subsumtion der Tatbestandsvoraussetzungen erfolgen. Auch Richter an einem Landgericht können solche Umstände falsch beurteilen, wie das Urteil des OLG Celle zeigt.
Einerseits wäre wünschenswert, wenn man über gewisse Postings mehr als einmal nachdenkt. Andererseits sind die Behörden nun einmal gerade in diesem Bereich schnell mit Vorwürfen bei der Hand, die rechtlicher Prüfung nicht standhalten. Die Rechtsprechung dazu ist uferlos und maßgeblich durch das Bundesverfassungsgericht mitbestimmt.
Es ist in solchen Verfahren wichtig, dass Sie frühzeitig von einem erfahrenen Strafverteidiger verteidigt werden. In diesen Fällen es ist es essenziell die entscheidenden Aspekt zur Beurteilung solcher Posts durch einen versierten Strafverteidiger in dem Verfahren in entsprechenden Verteidigungsschriftsätzen hervorheben zu lassen. Ein erfahrener Strafverteidiger weiß, worauf es bei Ihrem Verfahren ankommt, und kann gezielte Argumente anbringen. Lassen Sie sich bestenfalls schon im Ermittlungsverfahren von einem Fachanwalt für Strafrecht beraten und sorgen Sie dafür, dass ab Beginn des Verfahrens Ihre Rechte gewahrt werden.
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