Wem gehört der Müll?

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Wenn jemand etwas nicht mehr will, dann darf ich das nehmen, oder? Ganz so einfach ist das nicht. 

Letzt entsorgte ich auf einem Recyclinghof meinen Sperrmüll, hinter mir wartete ein Kleintransporter. Zwei junge Männer schoben keuchend eine beachtliche Couch Richtung Kante. Leder, Kolonialstil, massiv, wie neu. Perfekt für einen guten Freund, der sich gerade eine Wohnung einrichtet. Bevor ich den Platz am Container freimachte, ging ich zu ihnen. Der wohlgestylte Fahrer bestätigte meinen Eindruck, sein vermögender Großvater hatte sich das gute Stück erst vor einem halben Jahr gegönnt. „Leder, fast 2.000 Euro“, der Junge verdrehte die Augen. Und lies dann durchblicken: Das geerbte Aktienpaket sei von weit größerem Wert und für ihn das einzig Wichtige. Ich teilte ihm mit, jemanden zu kennen, der sich über die Couch sehr freuen würde, er willigte ein. Also fuhr ich meinen Wagen aus dem Weg, informierte am Telefon besagten Freund, der einen Transporter mieten wollte. Die Couch wurde neben dem Container abgestellt. Zufrieden bedankte ich mich, setzte ich mich darauf. Wartete. Bis ein Mitarbeiter des Hofes mich hochscheuchte. Das Möbelstück, so erklärte er mir, sei nun Eigentum der Entsorgungsgesellschaft. 

Mein inständiges Bitten, doch ein Auge zuzudrücken, half nichts, die edle Kolonialstil-Couch wurde von zwei Männern in Orange fortgetragen Richtung Lagerhalle. Vielleicht ist sie einem Bedürftigen zugute gekommen, ich hoffe das. 

Wie beim „Containern“ 

Natürlich war mir die Rechtslage sofort klar gewesen. Müll ist ein Gut, für welches das Eigentumsrecht genauso gilt, wie für jedes andere auch. In diesem Fall war das Eigentum daran mit dem Abstellen auf dem Hof an die Entsorgungsgesellschaft übergegangen. In anderen Fällen, in denen eine (scheinbare) Entsorgung auf dem Grundstück des Besitzers stattfindet, bleibt es dessen Eigentum. Ein viel beachtetes Beispiel hierfür sind die abgelaufenen Lebensmittel in den Müllcontainern der Supermärkte. Noch gibt es hierfür keine gesetzliche Ausnahmeregelung, „Containern“ ist deshalb nach wie vor verboten. Was auch immer man davon halten mag.

Kunst im Papiermüll

Ein weiterer kurioser Fall, der diese absurd anmutende Rechtslage etwas verständlicher macht, liefert jetzt Oberlandesgericht Köln (OLG). Der Angeklagte hatte den international bekannte Maler Gerhard Richter besucht. Beim Verlassen des Grundstücks hatte er bemerkt, dass eine Papiermülltonne umgefallen war. Flugs schnappte er sich daraus vier von Richter angefertigte Skizzen. Die wollte er über ein Auktionshaus verkaufen. Dazu kam es jedoch nicht, Richter hatte von der Sache Wind bekommen und Anzeige erstattet. Das OLG gab dem Künstler nun vollumfänglich Recht: Die Werke hatten sich noch in dessen Besitz befunden, es hätte also gut sein können, das er seine Entscheidung überdenkt, sie damit nur temporär „Müll“ gewesen wären. Im Grunde ist das aber unerheblich, die Skizzen ungefragt mitzunehmen, das sei in jedem Fall Diebstahl. 

Egal also ob Möbel, Lebensmittel oder gar Kunst - auch Müll entsteht im Auge des Betrachters. Wer ihn haben möchte, fragt am besten den Eigentümer. Und lässt bei dessen Zustimmung dann niemand anders mehr dazwischen kommen. 

Herzlichst, Ihr

Rechtsanwalt Gerhard Rahn (Fachanwalt für Strafrecht) 

(OLG Köln, Beschluß vom 21.4.2020, Az. III.1 RVs 78/20


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