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Bestandsschutz: Diese Regeln müssen Eigentümer einhalten!

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Bestandsschutz: Diese Regeln müssen Eigentümer einhalten!

Experten-Autorin dieses Themas

Das Thema Bestandsschutz wird vor allem beim Erwerb älterer Gebäude und bei Umbauarbeiten relevant. Grundsätzlich kann Bestandsschutz Eigentümern hohe Sicherheit bieten. Was viele jedoch nicht bedenken: Eine baurechtlich relevante Veränderung der Bausubstanz oder der Nutzung kann zum Verlust des Bestandsschutz führen. 

In diesem Ratgeber erklären wir unter anderem, was Bestandsschutz im Baurecht ist, welche Arten man unterscheidet, welche Möglichkeiten Eigentümer haben, welche Auswirkungen ein Eigentümerwechsel auf den Bestandsschutz hat und ob Bestandsschutz auch ohne Baugenehmigung bestehen kann. 

Was bedeutet Bestandsschutz?

Bestandsschutz im Baurecht garantiert dem Eigentümer einer baulichen Anlage den Schutz vor bauaufsichtsrechtlichen Maßnahmen, die ihm grundsätzlich aufgrund nachträglich geänderter rechtlicher Bestimmungen drohen würden, da die bauliche Anlage nicht mehr den aktuellen baurechtlichen Vorschriften entspricht. Eine bauliche Anlage kann durch Bestandsschutz unverändert bleiben und unverändert weitergenutzt werden, obwohl die bauliche Anlage im Hinblick auf die aktuell geltende Rechtslage nicht mehr errichtet bzw. nicht mehr in der derzeitigen Form genutzt werden dürfte.  

Bestandsschutz betrifft damit sowohl die Bausubstanz als auch die Nutzung des Bauwerks. Unter den Begriff der baulichen Anlagen fällt auch ein Gartenhaus, ein Carport oder eine Garage. Bei Vorliegen der notwendigen weiteren Voraussetzungen (siehe: Voraussetzungen und Grenzen des Bestandsschutzes) genießen deshalb auch Gartenhäuser Bestandsschutz. 

Wann können Gebäude Bestandsschutz genießen?

Für die Frage, ob ein Gebäude Bestandsschutz haben kann, ist entscheidend, ob die bauliche Anlage ursprünglich legal errichtet worden ist. Bestandsschutz kann nur bestehen, wenn  

  1. die bauliche Anlage entweder zum Zeitpunkt der Errichtung oder später rechtswirksam genehmigt worden ist (formeller Bestandsschutz).  
  2. die bauliche Anlage keine Genehmigung hat oder abweichend von der Baugenehmigung errichtet worden ist, aber zum Zeitpunkt der Errichtung oder danach über einen nicht unwesentlichen Zeitraum hinweg – nach überwiegender Ansicht mindestens drei Monate – dem materiellen Baurecht entsprochen hat und damit genehmigungsfähig war (materieller Bestandsschutz). 
  3. die bauliche Anlage fertiggestellt beziehungsweise mindestens im Wesentlichen fertiggestellt ist. 

Für alle fertig errichteten Gebäude, für die eine Baugenehmigung vorliegt, besteht mithin grundsätzlich Bestandsschutz – zu den Grenzen siehe unten unter: Voraussetzungen und Grenzen des Bestandsschutzes. Für den Bestandsschutz ist unerheblich, ob die Baugenehmigung zum Zeitpunkt der Erteilung rechtswidrig war. 

Bestandsschutz kann daher ausnahmsweise auch für Gebäude bestehen, die ohne Baugenehmigung errichtet worden sind, sofern das Gebäude bei Errichtung oder danach für mindestens drei Monate den geltenden materiellen Bauvorschriften entsprochen hat und damit materiell legal war. Das gilt allerdings nur, wenn das Gebäude vollumfänglich materiell rechtmäßig war. Da die materielle Illegalität den Bestandsschutz bei fehlender Baugenehmigung entfallen lässt, besteht hier sehr große Unsicherheit für Eigentümer. Nachbarn könnten viele Jahre später einen Widerspruch auf die materielle Illegalität stützen und Baubehörden hierauf Beseitigungsanordnungen stützen. 

Ganz wichtig ist, dass die bloße behördliche Duldung einer formell und materiell illegalen baulichen Anlage nie zu einem Bestandsschutz führt. Dies wäre allenfalls bei Ermessenentscheidungen zu berücksichtigen. Wer ein älteres Gebäude kaufen möchte, sollte sich daher nicht nur die Baupläne, sondern immer alle Baugenehmigungen aushändigen lassen und diese prüfen, um über den Bestandsschutz und den Umfang zuverlässig informiert zu sein. 

Voraussetzungen und Grenzen des Bestandsschutzes

Damit eine bauliche Anlage tatsächlich Bestandsschutz genießt, müssen zusätzlich folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 

  • Funktionsgerecht nutzbarer Bestand: Eine funktionsgerechte Benutzung muss möglich sein. Ein dem Verfall preisgegebenes Gebäude genießt daher keinen Bestandsschutz mehr. Beispielsweise muss bei einem Wohnhaus die Bewohnbarkeit gesichert sein. 

  • Fortdauer der Nutzung des Gebäudes: Das Gebäude muss genutzt werden. Bei endgültiger Nutzungsaufgabe und bei nicht nur vorübergehender Nutzungsänderung endet der baurechtliche Bestandsschutz ebenfalls. Ist ein Gebäude jahrelang unbenutzt, kann es juristisch als aufgegeben gelten. 

Ein kurzzeitiger Leerstand eines Gebäudes bzw. eine Nutzungsunterbrechung führt allerdings nicht zum Verlust des Bestandsschutzes. Das von der Rechtsprechung entwickelte sogenannte Zeitmodell, das besagt, dass der Bestandsschutz nach einem Leerstand von zwei Jahren regelmäßig entfallen würde, dient heute nur noch als grobe Richtschnur und wird ergänzt durch die Prüfung, ob durch den Leerstand ein hinreichend eindeutiger dauerhafter Verzichtswillen erkennbar ist oder aufgrund einer – gegebenenfalls stillschweigenden – Übereinkunft der Beteiligten, die Baugenehmigung sei obsolet, eingetreten sein könnte, u. a. Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 07.05.2019, Aktenzeichen 2 A 2995/17.

Arten von Bestandsschutz

Man differenziert zwischen zwei Arten des baurechtlichen Bestandsschutzes: dem aktiven und dem passiven Bestandsschutz. 

Passiver Bestandsschutz 

Der passive Bestandsschutz beschränkt sich lediglich darauf, genehmigungsfähige und genehmigte bauliche Anlagen vor späteren Änderungen der Rechtslage zu schützen, sodass sie in der bestehenden Form erhalten und weiter genutzt werden können. Man spricht auch von einer reinen Abwehrfunktion gegenüber bauaufsichtsrechtlichen Maßnahmen. Grundlage für die Gewährung des passiven Bestandsschutzes ist Art. 14 Grundgesetz, GG (Eigentumsgarantie), wonach Eigentum grundsätzlich gewährleistet wird. 

Achtung: Sowohl Änderungen an der Bausubstanz als auch Nutzungsänderungen sind nicht vom passiven Bestandsschutz erfasst. Wer trotzdem Veränderungen vornimmt (auch in der Nutzung), muss mit dem Verlust des Bestandsschutzes rechnen und riskiert schlimmstenfalls eine behördliche Abrissverfügung. Alternativ drohen beispielsweise ein Nutzungsverbot, eine Nutzungsuntersagung oder eine Stilllegungsverfügung. Es ist also Vorsicht geboten. Nutzungs- und Bausubstanzänderungen gefährden den Bestandsschutz! 

Aktiver Bestandsschutz 

Der aktive Bestandsschutz betrifft hingegen nicht nur die Erhaltung und Weiternutzung des derzeitigen baulichen Zustands, sondern auch die Frage, welche baurechtlich relevanten Veränderungen trotz geänderter Rechtslage an einer passiv geschützten baulichen Anlage möglich sind. Der aktive Bestandsschutz betrifft nicht nur umfassende Umbauarbeiten, sondern auch Gebäudeerweiterungen, die Errichtung eines Ersatzbaus und Nutzungsänderungen. 

Über den Umfang des aktiven Bestandsschutzes wurde rechtlich viel diskutiert. Die Rechtsprechung lehnt den aktiven Bestandsschutz grundsätzlich ab. Maßnahmen, die zur Sicherung und Erhaltung der bestimmungsmäßigen Gebrauchsfähigkeit und der baulichen Substanz der baulichen Anlage dienen, ohne deren Identität zu verändern (Instandhaltungsarbeiten), sind jedoch erlaubt.  

Wichtig: Sind Sanierungs- beziehungsweise Modernisierungsmaßnahmen an einem älteren Gebäude, das Bestandsschutz genießt, geplant, ist es ratsam, einen fachkundigen Anwalt zu kontaktieren. Andernfalls riskiert man den Verlust des Bestandsschutzes mit unter Umständen weitreichenden Folgen. 

Bestandsschutz bei Grenzbebauung

Bei der Grenzbebauung geht es im Grundsatz immer um die Einhaltung von Abstandsflächen zum Schutz der Privatsphäre Dritter. Das Unrecht, zu nah an die Grenze gebaut zu haben, verjährt grundsätzlich nicht – Bestandsschutz kann nur unter den oben genannten Voraussetzungen bestehen. Können oder werden Abstandsflächen nicht eingehalten, kann nur die Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit auf dem Nachbargrundstück die sichere Variante sein.  

Bezüglich Anpflanzungen, bei denen ebenfalls Abstände einzuhalten sind, gilt in NRW, dass ein Anspruch auf Beseitigung einer Anpflanzung, mit der ein geringerer als der gesetzlich vorgeschriebene Abstand eingehalten wird, ausgeschlossen ist, wenn der Nachbar nicht binnen sechs Jahren nach dem Anpflanzen Klage auf Beseitigung erhoben hat, § 47 Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen (NachbG NRW). Es ist daher immer ratsam, einen Blick in die Regelung des jeweiligen Bundeslandes zu werfen, ob ein Ausschluss eines Beseitigungsanspruchs gesetzlich normiert ist, und sich anwaltlich beraten zu lassen. 

Bestandsschutz bei Eigentümerwechsel 

Grundsätzlich hat der Eigentumswechsel, ob aufgrund eines Erbfalls oder Verkaufs einer baulichen Anlage, keine Auswirkungen auf den Bestandsschutz. Aber beachten Sie § 47 Gebäudeenergiegesetz: Ein neuer Eigentümer muss ein Gebäude gegebenenfalls energetisch nachrüsten, um die Anforderungen an den Mindestwärmeschutz zu erfüllen. 

Fazit

  • Eine bauliche Anlage wird durch den Bestandsschutz vor bauaufsichtsrechtlichen Maßnahmen geschützt, die grundsätzlich deshalb zu befürchten wären, weil die bauliche Anlage nicht mehr den aktuellen baurechtlichen Vorschriften entspricht. 

  • Eine Baugenehmigung sichert den Bestandsschutz. Nur in Ausnahmefällen kann auch für Gebäude ohne Baugenehmigung Bestandsschutz bestehen. 

  • Bestandsschutz betrifft sowohl die Bausubstanz als auch die Nutzung. 

  • Man unterscheidet zwischen passivem und aktivem Bestandsschutz. 

  • Sowohl Änderungen an der Bausubstanz als auch Nutzungsänderungen gefährden den Bestandsschutz. Schlimmstenfalls droht die Abrissverfügung. 

  • Instandhaltungsarbeiten, die die Identität der baulichen Anlage nicht verändern, sind grundsätzlich erlaubt und lassen den Bestandsschutz nicht entfallen. 

  • Bestandsschutz ist nicht personenbezogen. Ein Eigentümerwechsel hat daher grundsätzlich keine Auswirkungen auf den Bestandsschutz. 

Foto(s): ©Adobe Stock/Toyakisfoto.photos

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