Betriebsratswahl - Wahlvorstand - Mitglieder - Anforderungen

  • 8 Minuten Lesezeit

Teil 4

Die Mitglieder des Wahlvorstands

Bei den Mitgliedern des Wahlvorstands ist zwischen den

  • vom Betriebsrat bestellten, sog. ordentlichen, d.h. den stimmberechtigten, Mitgliedern und deren Ersatzmitgliedern zu unterscheiden sowie
  • den nicht stimmberechtigten Mitgliedern, die unter bestimmten Voraussetzungen von den Gewerkschaften entsandt werden können; der Betriebsrat hat keinen Einfluss darauf, wen die Gewerkschaft entsendet.

Wer kann bestellt werden - Anforderungen an Mitglieder

Der Betriebsrat kann jeden Arbeitnehmer als Mitglied oder Ersatzmitglied des Wahlvorstandes bestimmen, der

  • dem Betrieb angehört, in dem der Betriebsrat gewählt wird (das ist wichtig bei Aufspaltungen) und
  • der dort wahlberechtigt im Sinne von § 7 Satz 2 BetrVG ist.

Der Arbeitnehmer muss nicht zugleich wählbar sein, § 8 BetrVG. Damit können auch Betriebsangehörige mit einer Zugehörigkeit von weniger als sechs Monaten oder Leiharbeitnehmer Mitglieder des Wahlvorstands sein; ob dies zweckmäßig ist, muss im Einzelfall entschieden werden.

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Bestimmung der Wahlberechtigung

Nur ein Kommentar äußert sich zu der Frage, welcher Zeitpunkt maßgeblich ist, um die Wahlberechtigung zu bestimmen: Danach soll grundsätzlich der Tag der Bestellung, und nicht der Tag der Stimmabgabe, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Wahlberechtigung sein; der Wahlvorstand müsse nämlich von Anfang an aus drei Wahlberechtigten bestehen.

Eine Besonderheit ist zu berücksichtigen, wenn zB. mittels Tarifvertrag gem. § 3 BetrVG oder mittels Führungsvereinbarung betriebsratsfähige Einheiten zu einem Gemeinschaftsbetrieb zusammenfasst, oder umgekehrt solche Vereinbarungen gekündigt werden. Hier sind die Wahlvorstände – nach gegenwärtigem Stand der Rechtsprechung (BAG-Urteile gibt es nicht) nur dann ordnungsgemäß bestellt, wenn sie ausschließlich aus solchen Arbeitnehmern bestehen, die in den späteren (zusammengefassten oder selbstständigen) Einheiten wahlberechtigt sind; dies ist weniger bei der Zusammenfassung, sondern eher bei der Trennung von Betrieben problematisch.

§ 16 Abs. 1 S. 1 BetrVG erfordere (so LAG Schleswig-Holstein, 4 TaBVGa 5/10), dass die Wahlberechtigung zu prüfen und zu messen sei an der betrieblichen Einheit, für die die Wahl stattfinden soll.

Entsprechendes gilt zB. auch bei Übergangsmandaten nach Umstrukturierung. Es sind nur solche Arbeitnehmer im Wahlvorstand zugelassen, die in der neuen (zurzeit noch) betriebsratslosen Einheit beschäftigt werden (sollen).

Es ist daher empfehlenswert, nur solche Mitglieder zu bestellen, die sowohl im Zeitpunkt der Bestellung, als auch bis zum letzten Tag der Stimmabgabe in der jeweiligen betrieblichen Einheit, in der die Wahl stattfinden soll, wahlberechtigt sind.

Ausnahmsweise betriebsfremde Mitglieder

Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Wahlberechtigung erforderlich ist, sieht § 16 Abs. 2 S. 3 BetrVG vor: Das Arbeitsgericht kann, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratswahl erforderlich ist, ein betriebsfremdes Gewerkschaftsmitglied in den Wahlvorstand berufen.

Das kann im Einzelfall geboten sein, so z.B. wenn es sich um eine Erstwahl handelt und daher im Betrieb die nötige Erfahrung fehlt.

Das gilt auch dann, wenn sich nicht genügend Arbeitnehmer finden, die bereit sind, im Wahlvorstand mitzuwirken.

Bei Fehlbesetzung Anfechtbarkeit

Ist ansonsten auch nur ein nicht-wahlberechtigter Arbeitnehmer Mitglied des Wahlvorstands, ist die Wahl anfechtbar.

Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine andere personelle Besetzung des Wahlvorstands zu einem anderen Wahlergebnis hätte führen können, was für die Anfechtbarkeit genügt; § 16 Abs. 1 BetrVG ist wesentliche Wahlvorschrift (BAG, 14.09.1988, 7 ABR 93/87; das ArbG Frankfurt a.M, 13.03.2002, 7 BVGa 76/02 ist dagegen anderer Meinung).

Zusammensetzung des Wahlvorstands

Grundsätzlich ist der Betriebsrat in der Auswahl unter den wahlberechtigten Arbeitnehmern in jeder Hinsicht frei.

Berücksichtigung der Geschlechter

Seit dem 01.09.1994 (Inkrafttreten des 2. GleichBG) sollen in Betrieben mit weiblichen und männlichen Arbeitnehmern sowohl Frauen als auch Männer dem Wahlvorstand angehören, § 16 Abs. 1 S. 5 BetrVG. Damit soll erreicht werden, dass die jeweiligen Interessen der Geschlechter bereits im Vorfeld der Betriebsratswahlen ausgewogen wahrgenommen werden.

Die Vorschrift ist allerdings nicht zwingend, da der Wahlvorstand in erster Linie organisatorische Aufgaben wahrnimmt. Wird diese Besetzungsregel nicht beachtet, führt dies nicht zur Anfechtbarkeit der Wahl.

Die Vorschrift enthält aber die Aufforderung an den Betriebsrat dafür zu sorgen, dass Frauen (nicht: Angehörige des Geschlechts in der Minderheit) in den Wahlvorstand gelangen. Er soll ein Zeichen setzen und die Bereitschaft bei Frauen wecken, sich an Betriebsratsarbeit zu beteiligen.

Betriebsratsmitglieder und Wahlkandidaten im Wahlvorstand?

Auch Mitglieder des amtierenden Betriebsrats können bestellt werden, ebenso können Mitglieder des Wahlvorstands für den neuen Betriebsrat – auch mit eigener Liste – kandidieren (BAG, 12.10.1976, 1 ABR 1/76).

Wahlvorstandsmitglieder dürfen mit ihrer Unterschrift auch einen Wahlvorschlag stützen (BAG, 04.10.1977, 1 ABR 37/77).

Das Amt als Mitglied des Wahlvorstandes ist durchaus mit dem Amt als (zukünftiges) Mitglied des Betriebsrats vereinbar. § 8 BetrVG enthält erschöpfend die Voraussetzungen für die Wählbarkeit zum Betriebsrat. Von einer Unvereinbarkeit verschiedener betriebsverfassungsrechtlicher Ämter ist dort nicht die Rede.

In manchen Kommentaren wird empfohlen, jeden Anschein einer Parteilichkeit zu vermeiden und deshalb Bewerber um ein Betriebsratsamt möglichst nicht in den Wahlvorstand zu bestellen.

In vielen kleineren Betrieben würden aber kaum überwindbare Schwierigkeiten auftreten; denn es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass oft nur ein begrenzter Kreis von Arbeitnehmern bereit ist, sich für die Kollegen einzusetzen und betriebsverfassungsrechtliche Funktionen zu übernehmen.

Abgesehen von diesen praktischen Gesichtspunkten hat der Wahlvorstand keinen wirklich erheblichen Einfluss auf das Zustandekommen des Wahlergebnisses. Das Wahlverfahren ist in der Wahlordnung eingehend im Sinne einer Formalisierung geregelt. Die Wahlordnung schreibt dem Wahlvorstand mehr oder weniger genau vor, wann er was zu tun hat. Er hat keinen Ermessensspielraum im Hinblick darauf, wer gewählt wird. Insbesondere hat der Wahlvorstand keinen Einfluss auf die Aufstellung und Einreichung von Vorschlagslisten (so BAG, 12.10.1976, 1 ABR 1/76, Rdn. 17).

Allerdings ist damit nicht Tür und Tor für jede Nachlässigkeit eröffnet: Die Überschneidung von Wahlbewerber und Wahlvorstandsmitglied kann in bestimmten Fällen den Anschein der Parteilichkeit erwecken bzw. verstärken und die Anfechtbarkeit der Wahl begründen.

In einem Fall, den das LAG Düsseldorf (LAG Düsseldorf, 16.11.2011, 10 TaBV 33/11) zu entscheiden hatte, war ein Wahlvorstandsmitglied, das gleichzeitig für den Betriebsrat kandidierte, vom Wahlvorstand damit beauftragt, Briefwahlrückläufer aufzubewahren. Die Rückläufer wurden dabei weder registriert noch in einem abschließbaren Behältnis aufbewahrt, sondern im Büro dieses Wahlvorstandsmitglieds, zu dem es alleine Zutritt hatte; dort in einer offenen Postversandkiste. Das LAG hat die Wahl für unwirksam erklärt. Der Wahlvorstand habe nicht dafür gesorgt, dass Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen sind; niemand habe dieses Wahlvorstandsmitglied überwacht, obwohl es als Wahlkandidat ein gesteigertes Interesse an einem bestimmten Ausgang gehabt habe. Die Manipulationsgefahr sei deshalb „nicht ganz unwahrscheinlich“ gewesen.

Daraus leitet sich der Tipp ab, alle organisatorisch möglichen Maßnahmen zu ergreifen, damit ein solcher Manipulationsverdacht nicht erst aufkommen kann, wenn Wahlvorstandsmitglieder zugleich kandidieren, also bspw. 

  • ordnungsgemäße Registrierung ausgegebener und rücklaufender Briefwahlunterlagen in der Wählerliste
  • Benutzen einer Urne mit versiegelbarem Einwurfschlitz zur Aufbewahrung von Briefwahlrückläufern,
  • Vier-Augen-Prinzip bei Öffnen und Versiegeln der Wahlurnen mit entsprechender Protokollierung,
  • Aufbewahrung der Urne in einem Raum oder Schrank, den keiner der Wahlvorstandsmitglieder alleine öffnen kann.

Viele Autoren in Büchern oder im Netz empfehlen, erst dann alle Posten im Wahlvorstand mit Betriebsratsmitgliedern zu besetzen, wenn andere Arbeitnehmer die Aufgaben nicht übernehmen wollen, da dies „moralisch korrekt und fair“ ist. So weit würde ich nicht gehen.

Jeder Betriebsrat sollte natürlich den Anschein vermeiden, er sei ein ämtergrapschender und nach außen abgeschotteter Geheimrat, dem es darum geht, Posten unter der Hand an Günstlinge zu verteilen. Aber ganz auf Betriebsratsmitglieder sollte man nicht verzichten, da eine reibungslose Geschäftsführung, dh. Beschlussfassung, Aufstellung von Tagesordnungen usw. eine gewisse Erfahrung und Routine erfordern, die Betriebsratsmitglieder eher mitbringen.

Zudem sind Betriebsratsfremde häufig nicht so durchsetzungsstark, vor allem aber unwissend und daher manipulierbar. Ein Wahlvorstand, der seine eigene Rechtsstellung, seine Rechte und die Pflichten des Arbeitgebers nicht kennt, kann auf Einschüchterungsversuche nicht richtig reagieren.

Oft lässt sich der Ungeschulte von Kostenargumenten beeindrucken und erledigt seine WV-Aufgaben dann doch in der Freizeit. Eventuell ist ein WV-Mitglied sogar bewusst von Arbeitgeberseite „eingeschleust“; dies wird evtl. versuchen, verinnerlichte Kostenargumente auf die anderen Mitglieder zu übertragen - und so wird auf eine Schulung oder die Unterstützung durch Sachverständige verzichtet.

Es sollte zwar nicht unbedingt der/die BR-Vorsitzende auch den Wahlvorstandsvorsitz besetzen, aber vielleicht doch ein erfahrenes BR-Mitglied, eventuell ein Ausschussvorsitzender, und lieber nicht ein „Außenstehender“.

Nicht stimmberechtigte Entsandte der Gewerkschaften

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 6 hat auch die Gewerkschaft die Möglichkeit, Mitglieder in den Wahlvorstand zu entsenden. Zu Einzelheiten noch später.

Voraussetzung ist, dass die Gewerkschaft nicht bereits durch ein stimmberechtigtes Wahlvorstand im Wahlvorstand vertreten ist.

Der Betriebsrat kann daher dem Entsendungsrecht der Gewerkschaften dadurch den Boden entziehen, dass er von sich aus Angehörige aller im Betrieb vertretenen Gewerkschaften in den Wahlvorstand beruft und in diesem Falle selbst die in den Wahlvorstand zu berufenen Arbeitnehmer dieser Gewerkschaften bestimmt.

Berücksichtigung verschiedener Organisationsbereiche und Beschäftigungsarten

Die Erfahrung zeigt, dass es gelegentlich schwer ist, die Belegschaft für Betriebsratswahlen zu interessieren, vor allem für eine Kandidatur.

Die Mitglieder des Wahlvorstands haben in ihrem betrieblichen Umfeld automatisch einen aktivierenden Einfluss auf die Belegschaft.

Bei der Besetzung des Wahlvorstands wollen daher manche Betriebsräte darauf achten, dass seine Mitglieder möglichst die tatsächlichen Verhältnisse in der Belegschaft widerspiegeln.

Dies ist bei einem Dreier-Gremium nur schwer möglich. Daher verfallen manche auf die Idee, den Wahlvorstand entsprechend aufzustocken. Dies kann je nachdem aber zur Anfechtung der Wahl berechtigen. Hierzu später noch ausführlicher.

Annahme des Amtes durch gewähltes Mitglied

Der Wahlvorstand ist aber allein durch die Beschlussfassung noch nicht wirksam bestellt. Erforderlich ist weiterhin die Zustimmung des Auserkorenen.

Kein Kandidat ist verpflichtet, das Amt als Mitglied des Wahlvorstandes anzunehmen. Lehnt ein Arbeitnehmer die Übernahme ab, so ist ein neues Mitglied zu bestellen.

Ein eventuell bereits bestelltes Ersatzmitglied rückt nicht ohne weiteres nach, da weder ein Fall der zeitweiligen Verhinderung noch des Ausscheidens vorliegt. Jedoch ist es zulässig, wenn der Betriebsrat für den Fall, dass ein bestelltes Mitglied das Amt nicht annimmt, vorsorglich ein weiteres Mitglied des Wahlvorstands bestellt oder aber auch das Nachrücken des Ersatzmitglieds für diesen Fall bestimmt, wofür ausdrücklich ein Beschluss gefasst werden muss.

Es entspricht allerdings dem gesunden Menschenverstand, die Kandidaten vorher zu befragen, ob sie bereit sind, das Amt im Falle der Wahl auch tatsächlich anzutreten und auszuüben. Auch im Hinblick auf den Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 KSchG sollten die Kandidaten die Annahme der Wahl schon vor der Beschlussfassung erklären, da der Kündigungsschutz dann sofort mit Feststellung des Beschlussergebnisses greift.

Die Kandidaten, die nicht dem Betriebsrat angehören, dürfen grds. nicht an der entsprechenden Betriebsratssitzung teilnehmen. Natürlich dürfen sie zur Sitzung eingeladen und gehört werden, insb. zur Frage, ob sie die Wahl annehmen werden; allerdings müssen sie vor der Beratung und Abstimmung (Beschlussfassung) den Raum verlassen; es gilt der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Derkorn

Beiträge zum Thema