Betriebsratswahl – Wahlvorstand – Mitglieder Anzahl – Vorsitz und Stellvertretung

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Teil 5

Mitgliederzahl

Der Wahlvorstand besteht grundsätzlich aus drei Mitgliedern, § 16 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Es ist gleichgültig, wie viele Sitze der Betriebsrat hat, der gewählt werden soll.

Ein Wahlvorstand mit weniger als drei Mitgliedern ist kein gesetzlich zusammengesetzter Wahlvorstand. Er muss auch während seiner gesamten Amtszeit mindestens über drei Mitglieder verfügen bzw. mindestens die Anzahl Mitglieder behalten, die das einsetzende Gremium bestimmt hat.

Erhöhung der Mitgliederzahl

Der Betriebsrat kann – auch nachträglich – eine Vergrößerung des Wahlvorstands beschließen. Dies ist allerdings nur im normalen Wahlverfahren möglich, im vereinfachten Wahlverfahren ist dies gem. § 14a BetrVG unzulässig. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber eröffnet, um in Großbetrieben mit mehreren Wahllokalen die ordnungsmäßige Durchführung der Betriebsratswahlen zu gewährleisten.

Eine Höchstgrenze für die Erhöhung der Mitgliederzahl ist nicht vorgesehen. Vorgeschrieben ist nur, dass der Wahlvorstand immer aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen muss, da Beschlüsse zu fassen sind und eine Pattsituation vermieden werden soll. Es kommt also nur eine Erhöhung auf 5, 7, 9, 11 usw. in Frage.

Um die Mitgliederzahl zu erhöhen, ist keine Zustimmung des Arbeitgebers notwendig.

Einzige Voraussetzung ist, dass die höhere Zahl zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist.

Die Frage nach der Erforderlichkeit ist als unbestimmter Rechtsbegriff durch die Arbeitsgerichte überprüfbar, sodass in manchen Kommentaren empfohlen wird, die beabsichtigte Erhöhung der Mitgliederzahl mit dem Arbeitgeber zu erörtern. Allerdings kann auf diesem Weg nicht jede Anfechtungsmöglichkeit ausgeschlossen werden; so kann vor allem bei einer Verhältniswahl die unterlegene Liste dies immer noch als Grund für eine Wahlanfechtung anführen.

Erforderlich ist die Erhöhung nach der Kommentarliteratur dann, wenn eine größere Zahl von Wahlvorstandsmitgliedern unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Verhältnisse (Größe, räumliche Entfernung von Betriebsteilen, Schichtbetrieb, Gliederung und Anzahl von Betriebsabteilungen, Anzahl der Wahllokale usw.) notwendig ist, um die Wahl gemäß den Bestimmungen der Wahlordnung (WO) ordnungsgemäß durchführen zu können.

Bloße Zweckdienlichkeit („dann können wir schneller auszählen“, „dann können wir uns besser vertreten“, „wir können die Kollegen besser informieren“) genügt nicht.

Die Begründung zum Regierungsentwurf nennt vor allem den Fall, dass bei Großbetrieben die Einrichtung von mehr als drei Wahlräumen notwendig ist, in denen gleichzeitig gewählt wird, da nach § 12 Abs. 2 WO während der Stimmabgabe ständig mindestens ein stimmberechtigtes Mitglied des Wahlvorstands im Wahlraum anwesend sein muss.

Fraglich ist, ob daneben noch andere Erwägungen zulässigerweise eine Rolle spielen können. Sicher muss es möglich sein, auch bei Einrichtung von weniger als drei Wahllokalen mehr als drei Wahlvorstandsmitglieder zu bestellen, wenn zB. ein Schichtbetrieb die Öffnung der Wahllokale an mehr als 8 Stunden arbeitstäglich erfordert, um allen Arbeitnehmern eine persönliche Stimmabgabe zu ermöglichen; es kann den Wahlvorstandsmitgliedern nicht zugemutet werden, länger als die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit im Wahllokal anwesend zu sein.

Eine Alternative wäre ansonsten, die Wahl über mehrere Tage zu erstrecken. Es wird für zulässig gehalten, die Zahl der Mitglieder des Wahlvorstandes (auch nachträglich) zu erhöhen, sofern eine Erhöhung sachgemäßer erscheint als eine sich über mehrere Tage hinziehende Wahl.

Um möglichst viele Mitglieder in der Belegschaft auf das Thema BR-Wahl aufmerksam zu machen, empfiehlt der Kommentar von Däubler, nach Möglichkeit viele unterschiedliche Gruppierungen in der Belegschaft (Frauen, Ausländer, Schwerbehinderte) oder Vertreter möglichst aller Organisationsbereiche und unselbstständiger Nebenbetriebe in den Wahlvorstand zu berufen. Dem hat allerdings das LAG Nürnberg unter Berufung auf die Begründung im Regierungsentwurf (BT-Drucks. VI/1786, S. 33 ff.)eine Absage erteilt. Auf die individuelle Zusammensetzung ist nicht abzustellen. So sei es nicht erforderlich, dass der Wahlvorstand einem Querschnitt der Belegschaft entspricht, allenfalls zweckmäßig:

LAG Nürnberg, 30.03.2006, 6 TaBV 19/06: „Als Gründe, die Zahl der Wahlvorstandsmitglieder zu erhöhen, kommt insbesondere die Einrichtung mehrerer Wahllokale in Betracht, in denen notwendigerweise mindestens ein Wahlvorstandsmitglied durchgehend anwesend sein muss (vgl. § 12 Abs. 2 WO).

Diese Konstellation ist hier aber nicht gegeben. Die Vorsitzende des Betriebsrats hat selbst eingeräumt, dass nur ein Wahllokal auf dem einheitlichen Betriebsgelände geplant ist.

Die Überlegungen, alle Betriebsabteilungen, verschiedene Schichten und ausländische Mitarbeiter sollten im Wahlvorstand repräsentiert sein, damit die jeweiligen Abteilungen ausreichend informiert seien, tragen jedoch nicht. Sie begründen keine „Erforderlichkeit“, die es rechtfertigen würde, von der gesetzlich vorgeschriebenen Ausgangsgröße von drei Wahlvorstandsmitgliedern abzuweichen.

Der Wahlvorstand soll handlungsfähig sein; es soll auch die persönliche Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung nicht verloren gehen. Die Kosten der Wahl - eine größere Zahl von Wahlvorstandsmitgliedern führt zur Notwendigkeit höherer Freistellungszeiten - sollen das erforderliche Maß nicht übersteigen.

Die angeführten Motive haben - so nachvollziehbar sie sein mögen - mit „Erforderlichkeit“ in diesem Sinn nichts zu tun.“

In diesem Zusammenhang muss zudem berücksichtigt werden, dass der Wahlvorstand – nicht der Betriebsrat – zu seiner Unterstützung wahlberechtigte Arbeitnehmer als Wahlhelfer hinzuziehen kann (§ 1 Abs. 2 WO). Im Allgemeinen genügt deshalb deren Heranziehung, um auch in Betrieben mit mehreren (bis zu 3) Wahllokalen eine ordnungsmäßige Durchführung der Betriebsratswahl zu gewährleisten. Zu den Wahlhelfern noch später.

Eine Erhöhung der Mitgliederzahl wird in aller Regel nur dann geboten sein, wenn der Wahlvorstand mehr als drei Mitglieder benötigt, um die Wahllokale ordnungsgemäß zu besetzen.

Über die Anzahl der Wahllokale allerdings entscheidet der Wahlvorstand im Rahmen seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl.

Konsequenz einer ermessensfehlerhaften und damit unwirksamen Erhöhung der Mitgliederzahl ist, dass der Wahlvorstand unwirksam bestellt ist.

Weitergehend könnte man überlegen, ob dies einen Abbruch der Wahl im Wege der einstweiligen Verfügung rechtfertigt. Das LAG Nürnberg nahm dies an, da ein unwirksam bestellter Wahlvorstand auch keine wirksamen Beschlüsse fassen und somit keine Wählerliste feststellen und kein Wahlausschreiben erlassen könne. Das ist falsch, dem wird man nicht folgen können, da der Fehler nicht so schwer wiegt; nach der Rechtsprechung des BAG (27.07.2011, 7 ABR 61/10) gilt nämlich:

1.    Auf Antrag des Arbeitgebers ist eine Betriebsratswahl abzubrechen, wenn sie voraussichtlich nichtig ist. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht.

2.    Einem nicht existenten Wahlvorstand kann untersagt werden, weiter tätig zu werden. Die nur fehlerhafte Bestellung reicht nicht aus.

Dennoch: Einstweilige Verfügungsverfahren enden immer in der zweiten Instanz, so dass sich manche Richter nicht so richtig an diese Rechtsprechung des BAG halten möchten und die Wahlen abbrechen, wenn die Wahl sicher anfechtbar ist; manche Richter schauen immerhin noch, ob eine betriebsratslose Zeit droht oder nicht. Um also hier keine „Überraschungen“ zu erleben, sollte man eine Erhöhung der Mitgliederzahl unabhängig von der Zahl der Wahllokale oder deren Öffnungszeiten sich gut überlegen. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass Wahlabbrüche insgesamt eher selten sind.

Absinken der Mitgliederzahl unter drei bzw. unter die beschlossene Anzahl

Die einmal beschlossene Mitgliederzahl muss – auch wenn sie falsch, da nicht erforderlich ist – während der gesamten Wahldurchführung beibehalten werden. Der Betriebsrat kann nicht einfach nachträglich die Mitgliederzahl verringern, wenn er plötzlich meint, der Wahlvorstand sei überbesetzt.

Sinkt die Mitgliederzahl unter die festgelegte Anzahl, weil ein Mitglied ausscheidet, muss unverzüglich eine Nachbestellung durch den Betriebsrat vorgenommen werden, wenn keine Ersatzmitglieder bestellt worden sind oder die Liste der Ersatzmitglieder erschöpft ist (14.12.1965, 1 ABR 6/65). Zu den Ersatzmitgliedern kommt gleich noch ein gesonderter Punkt.

Wird der Betriebsrat nicht tätig oder ist die Amtszeit des BR inzwischen abgelaufen, erfolgt die Bestellung durch den GBR/KBR, § 16 Abs. 2 und 3 BetrVG oder, falls diese nicht tätig werden oder nicht existieren, erfolgt die Ergänzung des Wahlvorstands auf Antrag von drei Wahlberechtigten Arbeitnehmern bzw. einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft durch das Arbeitsgericht; Dabei ist eine Ergänzung nicht im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens möglich (LAG Köln, 29.05.2013, 3 TaBVGa 3/13).

Durch Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Ergänzung wird jedoch nicht die Ergänzung durch eine Wahl-/Betriebsversammlung unmöglich.

Eine Ergänzung des Wahlvorstands durch die Mitglieder des Wahlvorstands selbst ist nicht zulässig.

Solange der Wahlvorstand unterbesetzt ist, ist er (vorübergehend) nicht handlungsfähig. Die Wahlvorbereitungen ruhen evtl. mit der Gefahr, dass der Wahltermin zu verschieben ist, weil z. B. das Wahlausschreiben nicht rechtzeitig beschlossen werden kann.

Der nicht funktionsfähige Wahlvorstand hört aber nicht auf zu existieren, selbst wenn alle Wahlvorstandsmitglieder zurücktreten; zuvor gefasste Beschlüsse bleiben also wirksam.

TIPP: Unbedingt eine ausreichende Zahl an Ersatzmitgliedern bestellen, damit durch eine eventuell notwendige Nachbestellung und eine eventuell erforderliche Verschiebung des Wahltermins keine betriebsratslose Zeit eintritt.

Ein Sonderfall kann eintreten, wenn der Betriebsrat beschlossen hat, die Anzahl der Wahlvorstandsmitglieder zB. auf 7 festzulegen, sich aber nur 6 Kandidaten bereit erklären, das Amt zu übernehmen. Hier muss man § 11 BetrVG entsprechend anwenden: Der Wahlvorstand besteht dann aus 5 Mitgliedern plus einem Ersatzmitglied. So etwas darf aber eigentlich nicht passieren, die Bereitschaft der Kandidaten muss vorher geklärt sein.

Die/Der Vorsitzende

In jedem Wahlvorstand ist ein Mitglied zur/m Vorsitzenden zu bestellen.

Diese/r Vorsitzende wird nicht von den Wahlvorstandsmitgliedern aus ihrer Mitte gewählt, sondern vom Betriebsrat durch Mehrheitsbeschluss bestellt. Das wird in der Praxis relativ häufig übersehen.

Hat der Betriebsrat die/den Vorsitzende/n nicht bestellt, ist dies unverzüglich nachzuholen. Wenn der Betriebsrat nicht mehr existiert, wählt nach der Kommentarliteratur der Wahlvorstand aus seiner Mitte heraus einen Vorsitzenden. Meiner Meinung nach wird es wohl vorrangig Aufgabe des GBR oder der KBR sein, den Vorsitzenden anstelle des nicht mehr existierenden Betriebsrats zu bestellen. Erst wenn diese nicht existieren oder nicht tätig werden, kommt eine Bestellung durch den Wahlvorstand in Frage.

Die Anrufung des Arbeitsgerichts ist unzulässig, zumal bereits die Abhaltung einer erneuten Wahlversammlung – die der Anrufung des Gerichts vorgeschaltet ist – nicht notwendig ist, BAG, 14.12.1965, 1 ABR 6/65).

Gleiches muss gelten, wenn der Vorsitzende endgültig aus dem Wahlvorstand ausscheidet oder sein Amt als Vorsitzender niederlegt.

Sind Mitglieder des Wahlvorstandes ausgeschieden, jedoch nicht der Vorsitzende selbst, bleibt dieser auch nach Vornahme einer Nachwahl oder Nachbestellung weiterhin Wahlvorstandsvorsitzender. Eine erneute Wahl ist nicht erforderlich (BAG, 14.12.1965, 1 ABR 6/65).

Aufgaben des Wahlvorstandsvorsitzenden

Dem Vorsitzenden sind folgende Aufgaben übertragen:

  • die Sitzungen des Wahlvorstands einzuberufen und zu leiten,
  • den Wahlvorstand im Rahmen der gefassten Beschlüsse zu vertreten, zB. gegenüber dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmern (zB. bei Einsprüchen gegen die Richtigkeit der Wählerliste) sowie vor dem Arbeitsgericht bei Rechtsstreitigkeiten, bei denen der Wahlvorstand beteiligt ist,
  • die Erklärungen, die gegenüber dem Wahlvorstand abzugeben sind, entgegenzunehmen
  • er übernimmt die laufende Verwaltung, führt also zB. vorbereitenden Schriftverkehr mit dem Arbeitgeber oder sonstigen Stellen, oder er verhandelt mit diesen; er schreibt die Ladungen zu den Sitzungen, legt die Tagesordnung fest
  • zusammen mit mindestens einem weiteren stimmberechtigten Mitglied des Wahlvorstands unterzeichnet er die Sitzungsprotokolle, das Wahlausschreiben und die Niederschrift über die Feststellung des Wahlergebnisses.

Stellvertretung

Die Bestellung eines Stellvertreters ist nicht vorgeschrieben, jedoch zulässig. Sie hat ebenfalls durch den Betriebsrat zu erfolgen, da dieser grds. die personellen Entscheidungen trifft.

Die Bestellung eines Stellvertreters und sogar mindestens eines weiteren Stellvertreters ist dringend zu empfehlen, damit im Verhinderungsfall die Kontinuität der Arbeit gewährleistet ist; andernfalls könnten Streitigkeiten unter den verbleibenden Wahlvorstandsmitgliedern entstehen, wer nun für welche Aufgabe zuständig ist und es könnten insb. Unklarheiten auftreten, wer den Wahlvorstand bei der Abgabe oder dem Empfang von Erklärungen vertritt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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