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Darf eine Gesellschaft wegen Eigenbedarf kündigen?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Das deutsche Mietrecht ist vorrangig mieterfreundlich ausgestaltet worden. Schließlich haben Mieter innerhalb ihrer vier Wände ihren Lebensmittelpunkt – sie sollen daher nicht plötzlich und grundlos auf die Straße gesetzt werden können. Allerdings dürfen Vermieter unter bestimmten Voraussetzungen auch kündigen – etwa wenn sie die Wohnung für sich selbst oder einen (Haushalts)Angehörigen benötigen. Doch darf auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – das ist ein Zusammenschluss von mindestens zwei Personen zur Förderung bzw. Erfüllung eines bestimmten Zwecks – wegen Eigenbedarf kündigen?

Tochter eines GbR-Gesellschafters sucht Wohnung

Bereits seit 1985 lebten die Mieter in ihrer Wohnung, als ihnen plötzlich gekündigt wurde. Die Vermieterin – eine GbR – nannte als Kündigungsgrund „Eigenbedarf“. Danach benötigte einer der vier Gesellschafter die Wohnung für seine Tochter.

Die Mieter waren jedoch der Ansicht, dass die Eigenbedarfskündigung bereits deshalb unwirksam sei, weil ihnen keine Alternativwohnung in derselben Wohnanlage angeboten worden war, obwohl zweifellos eine frei gewesen wäre. Außerdem könne eine GbR nicht wegen Eigenbedarf kündigen – hier handle es sich schließlich nicht um eine natürliche Person, einen Menschen, der mit Sack und Pack umziehen könne. Der Streit endete vor Gericht.

GbR hat Recht auf Eigenbedarfskündigung

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass auch eine GbR wegen Eigenbedarf in entsprechender Anwendung des § 573 II Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kündigen kann, wenn einer der Gesellschafter die betreffende Wohnung für sich oder einen (Haushalts)Angehörigen benötigt.

Es gibt schließlich keinen Grund, die Gesellschafter einer GbR schlechter zu stellen als z. B. die Mitglieder einer Erben- oder Miteigentümergemeinschaft, die problemlos wegen Eigenbedarf kündigen dürfen. Allein die Tatsache, dass eine GbR aus vielen verschiedenen Gesellschaftern bestehen und der Mieter einer Vielzahl an Personen gegenüberstehen kann – vielleicht mehr als bei einer Erbengemeinschaft –, rechtfertigt es nicht, sie um ein Kündigungsrecht zu bringen.

Keine Alternativwohnung angeboten: Schadenersatzanspruch?

Der BGH änderte in seinem Urteil vom 14.12.2016 ferner seine bisherige Rechtsprechung:

Früher erachtete er eine Eigenbedarfskündigung als unwirksam, wenn der Vermieter seinem gekündigten Mieter keine Alternativwohnung in derselben Wohnanlage anbot. Sofern dieser sich nämlich selbst immer vertragsgetreu verhalten hat, also stets pünktlich die Miete zahlte und pfleglich mit der Mietsache umging, erachteten die Richter es als unbillig, ihm alle negativen Konsequenzen aufzubürden, nur weil sein Vertragspartner die Wohnung für sich selbst braucht. Anderenfalls müsste er unter anderem das Risiko tragen, dass er keine Wohnung mehr findet, die bezüglich Ausstattung und Höhe des Mietzinses der alten entspricht, aus der er schuldlos „herausgeworfen“ wurde.

Nun kamen die Richter jedoch zu dem Ergebnis, dass das unterlassene Anbieten einer Ersatzwohnung lediglich eine Pflichtverletzung darstellt. So hat der Vermieter gegen seine Pflicht verstoßen, Rücksicht auf die Interessen seines Mieters zu nehmen. Das kann aber nur zu einem Schadenersatzanspruch des Mieters gegen seinen Vermieter führen, nicht zur Unwirksamkeit einer eigentlich rechtmäßigen Eigenbedarfskündigung. Der Mieter kann von nun an also nur noch eine Geldentschädigung verlangen, muss in aller Regel aber dennoch aus der Wohnung ausziehen, sofern die Kündigung nicht aus anderen Gründen unwirksam ist.

Weil aber im vorliegenden Fall nach wie vor ungeklärt war, ob der Eigenbedarf des Gesellschafters tatsächlich vorliegt und ob ein etwaiger Härtegrund vorliegt, der einen Auszug der Mieter verhindern könnte, wiesen die BGH-Richter den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück. Fürs Erste jedoch dürfen die Mieter in ihrer Wohnung bleiben.

Fazit: Auch eine GbR darf wegen Eigenbedarf kündigen, sofern ein Gesellschafter die Wohnung für sich oder seine Angehörigen benötigt. Wurde dem Mieter nach Ausspruch der Kündigung keine freie Alternativwohnung angeboten, liegt darin zwar eine Pflichtverletzung. Die führt rückwirkend allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern löst lediglich einen Schadenersatzanspruch des Mieters aus.

(BGH, Urteil v. 14.12.2016, Az.: VIII ZR 232/15)

(VOI)

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