Krankentagegeld nach nicht genehmigtem Aufenthalt in gemischter Klinik  

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Der Risikoausschluss in zahlreichen Versicherungsbedingungen privater Krankenversicherer, wonach keine Leistungspflicht bei Behandlung in einer gemischten Klinik besteht, wenn diese vom Versicherer nicht vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt worden ist, muss einschränkend ausgelegt werden. Steht fest, dass der Versicherungsnehmer nach der Entlassung aus der gemischten Klinik noch arbeitsunfähig ist, so wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn sich der Versicherer für den Zeitraum des Aufenthalts in der gemischten Krankenanstalt unter Berufung auf die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Leistungspflicht entziehen könnte.

Die Kl. hat nach einem Aufenthalt in einer gemischten Klinik, der von dem Versicherer vorher nicht genehmigt worden war, gegen diesen Ansprüche aus einer Krankheitskostenversicherung, aus einer Krankenhaustagegeldversicherung und einer Krankentagegeldversicherung geltend gemacht.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte hinsichtlich der Krankentagegeldversicherung Erfolg.

1. Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Klinikaufenthalt in X:

Insoweit hat das LG die Klage zu Recht gem. § 4 I Nr. 5 der AVB für die Krankheitskostenversicherung als unbegründet abgewiesen.

a) Nach dieser Bestimmung hat die Bekl. für die stationäre Heilbehandlung in Krankenanstalten, die auch Kuren- bzw. Sanatoriumsbehandlung durchführen, eine Erstattung nur dann zu erbringen, wenn dies vor Beginn der Behandlung zugesagt ist. Unstreitig handelt es sich bei der Klinik in X. um eine derartige Krankenanstalt. Eine schriftliche Zusage war auch – ebenfalls unstreitig – vor dem klagegegenständlichen Krankenhausaufenthalt nicht erteilt.

b) Bei dieser Bestimmung in den AVB der Bekl. handelt es sich um eine sogenannte Risikobegrenzung, die grundsätzlich nicht zu beanstanden ist (Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 2. Aufl., § 4 MB/KK Rdnr. 119).

c) Die Kl. kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, daß die Berufung der Bekl. auf diese Klausel im Streitfall ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich ist (vgl. hierzu Bach/Moser, § 4 MB/KK Rdnr. 129). Insbesondere greift ihr Einwand nicht durch, daß die Bekl. in der Vergangenheit die Kosten für ihre stationäre Unterbringung in der Klinik X. getragen habe:

Die uneingeschränkte Kostenübernahme für frühere Behandlungen in derselben Anstalt kann nämlich noch keinen Vertrauenstatbestand schaffen, der die Berufung des Versicherers auf die mangelnde vorherige Genehmigung rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnte. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Krankheitszustand dem Anschein nach wiederholt (vgl. Bach/Moser, § 4 MB/KK Rdnr. 129). Der Versicherer ist vielmehr berechtigt, für jeden Aufenthalt die Erteilung und den Umfang seiner Leistungszusage neu zu prüfen (vgl. Bach/Moser, § 4 MB/KK Rdnr. 129). Auch ein anderes Verhalten der Bekl., das für sie einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben könnte, hat die darlegungspflichtige Kl. nicht vorgetragen (vgl. hierzu Bach/Moser, § 4 MB/KK Rdnr. 130). Ebenso wenig kann sich die Kl. darauf berufen, ein Abwarten auf die vorherige schriftliche Zusage sei für sie unzumutbar gewesen: Die Versäumung einer vorherigen Abklärung, ob der Versicherer seine Zustimmung zu der stationären Behandlung in der gemischten Anstalt erteilt, liegt ausschließlich im Risikobereich des Versicherungsnehmers (vgl. OLG Hamm, VersR 1982, 386; OLG Karlsruhe, VersR 1985, 560; 1990, 730). Etwas anderes gilt nur bei einem aktuellen Notfall, etwa einem lebensbedrohenden Herzinfarkt (vgl. OLG Hamm, VersR 1982, 386; OLG Karlsruhe, VersR 1985, 560; Schlemmer, AoS 91, 110 m.w. Nachw.). Ein derartiger Ausnahmefall lag jedoch hier unstreitig nicht vor.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat zudem selbst bei kurzfristig terminierten Klinikaufenthalten eine Berufung des Versicherungsnehmers auf Rechtsmissbrauch des Versicherers versagt (vgl. BGH, LM AVB f. Krankheitskosten u. Krankenhaustagegeldversicherung Nr. 11 = VersR 1983, 576). Da somit insgesamt keine Anhaltspunkte für ein treuwidriges Handeln der Bekl. ersichtlich sind, beruft sich diese zu Recht auf den Leistungsausschluss aus § 4 I Nr. 5 AVB.

2. Anspruch auf Krankenhaustagegeld

Diese Ausführungen gelten entsprechend für den Anspruch der Kl. aus der Krankenhaustagegeld-Versicherung. Auch die AVB der Bekl. für die Krankenhaustagegeld-Versicherung enthalten einen entsprechenden Leistungsausschluss. Da auch insoweit keine Gründe ersichtlich sind, die die Berufung der Bekl. hierauf als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten, hat das LG auch diesen Teilanspruch zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

3. Anspruch auf Krankentagegeld:

Insoweit erweist sich die Berufung der Kl. als begründet. Zwar enthalten die AVB der Bekl. für die Krankentagegeld-Versicherung ebenfalls einen gleichlautenden Risikoausschluss in § 4 Nr. 9 MB/KT. Dieser muss jedoch einschränkend ausgelegt werden. Steht fest, dass der Versicherungsnehmer nach der Entlassung aus der gemischten Klinik noch arbeitsunfähig war, so wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn sich der Versicherer für den Zeitraum des Aufenthalts in der gemischten Krankenanstalt unter Berufung auf § 4 IX MB/KT der Leistungspflicht entziehen könnte. Diese Bestimmung hat nur den Zweck, dass mit einer Behandlung in einer solchen Anstalt verbundene erhöhte Risiko einer übermäßig langen Verweildauer zu vermeiden. Ist aber der Versicherungsnehmer bereits vor dem Klinikaufenthalt arbeitsunfähig oder dauert diese Arbeitsunfähigkeit nach dem Klinikaufenthalt fort, so greift dieser Grund für die Krankentagegeld-Versicherung nicht ein (vgl. Bruck/Möller/Wrede, Krankenversicherung, Anm. G 53). Für diese Fälle ist es deshalb gerechtfertigt, den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Krankentagegeld ungeachtet des ungenehmigten Aufenthalts in der gemischten Anstalt fortbestehen zu lassen (vgl. Bach/Moser, § 4 MB/KT Rdnr. 26).

Die Kl. hat deshalb Anspruch auf Zahlung des Krankentagegelds für den – unbestrittenen – Zeitraum ihrer Arbeitsunfähigkeit.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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