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Routerzwang vollständig abgeschafft – Routerfreiheit gilt auch für Bestandskunden

  • 4 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Jahrzehntelang hatten Netzbetreiber und Provider rechtlich die Möglichkeit, ihren Kunden das zu verwendende Endgerät für ihren Internetanschluss vorzugeben. Diese Praxis verstieß aber gegen europarechtliche Vorgaben für den Markt der Telekommunikationsendeinrichtungen. Der deutsche Gesetzgeber hat deshalb mit einer Gesetzesänderung im August 2016 dafür gesorgt, dass Unternehmen ihren Kunden keine bestimmten Endgeräte mehr vorschreiben können, sondern die freie Endgerätewahl auf dem Markt überlassen müssen.

Auch wenn der Routerzwang mit dem Gesetz zur Auswahl und zum Anschluss von Telekommunikationsendgeräten – kurz Routergesetz – abgeschafft wurde, gibt es noch offene Detailfragen. Eine dieser Detailfragen hat nun das Landgericht Essen geklärt: Die neue Routerfreiheit gilt nicht nur für Neukunden, sondern auch für Bestandskunden.

Routerfreiheit statt Routerzwang – Änderung der Rechtslage im August 2016

Der Router ist als Endgerät das zentrale Element für den Internetzugang. Während man bei den Endgeräten im Mobilfunkbereich die freie Wahl zwischen diversen Modellen von I-Phone, Smartphone und Co. hat, war man zu Hause an die Vorgaben des Providers gebunden. Wollte man einen anderen Router verwenden, verweigerte der Netzbetreiber die Herausgabe der erforderlichen Zugangsdaten. Ohne diese Zugangsdaten konnten fremde Router nicht für alle vertraglich vereinbarten Dienste eingerichtet werden. So waren Kunden gezwungen, sich an die Routervorgabe des Betreibers zu halten, um alle vereinbarten Dienste nutzen zu können.

Mit dem Routergesetz hat der Gesetzgeber sowohl die Vorschriften im Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) als auch Regelungen im Telekommunikationsgesetz (TKG) geändert. Um Kunden die freie Wahl des Endgerätes zu ermöglichen, wurden die Anbieter dazu verpflichtet, ihren Kunden die für den Anschluss erforderlichen Zugangsdaten und Informationen unaufgefordert und kostenfrei zur Verfügung stellen. Dadurch sind Internet-Provider nicht mehr länger in der Lage, ihren Kunden eine bestimmte Hardware für die Einwahl ins Netz vorzuschreiben. Statt dem Routerzwang gilt deshalb nun auch bei Breitband-Internetanschlüssen die Routerfreiheit. 

Neukunden, Bestandskunden oder beide – für wen gilt die neue Gesetzeslage?

Seit der Gesetzesänderung können Kunden nicht nur im Mobilfunkbereich das Endgerät frei wählen, sondern sie haben auch zu Hause die freie Wahl, welchen Router sie für den Internetzugang verwenden wollen. Streitig war aber, für wen diese neue Gesetzeslage galt und ob das Recht auf freie Routerwahl nur für Neukunden oder auch für Bestandskunden galt. Die gesetzliche Regelung im § 11 FTEG spricht zwar einerseits davon, dass Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten die Nutzung bestimmter Endgeräte nicht mehr vorschreiben dürfen. Andererseits knüpft die Pflicht in § 11 Abs. 3 S. 3 FTEG, notwendige Zugangsdaten und Informationen unentgeltlich und unaufgefordert auszuhändigen, an den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Es war deshalb unklar, ob die neue Gesetzeslage auch für ältere Verträge gilt.

In der Literatur und Presse hat sich die Meinung verfestigt, dass die gesetzlich neu eingeführte Freiheit bei der Routerwahl nur für Neukunden und Kunden, die den Vertrag wechseln, gelte. Bestandskunden könnten sich hingegen nicht auf die Routerfreiheit berufen. Anbieter seien deshalb nicht dazu verpflichtet, ihren Bestandskunden die notwendigen Daten auszuhändigen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sah dies anders, erhob Klage und bekam vom Landgericht (LG) Essen recht. 

Wortlaut nicht eindeutig – Regelung muss ausgelegt werden

Die Essener Richter stellten fest, dass der Wortlaut der neuen Regel zur Routerfreiheit nicht eindeutig ist und deshalb ausgelegt werden müsse. Als Auslegung bezeichnet man eine juristische Technik, mit der ermittelt werden soll, was eine gesetzliche oder vertragliche Regelung tatsächlich meint. Hierzu wird die fragliche Regel aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und am Ende eine Gesamtbetrachtung aller Argumente vorgenommen.

Systematik und Ziel sprechen für eine allgemeine Informationspflicht

Das Gericht stellte fest, dass der Kontext der gesamten Regelung für eine allgemeine Pflicht zur Herausgabe der erforderlichen Daten spricht. Der vorangehende Absatz stelle eindeutig klar, dass Netzbetreiber ihren Kunden zwar weiterhin Router überlassen dürfen, sie aber nicht mehr zwingen dürfen, diese zu verwenden. Eine Differenzierung zwischen Bestandskunden und Neukunden ist bei diesem Recht nicht zu erkennen. Notwendige Voraussetzung für seine Ausübung ist aber die Kenntnis der erforderlichen Daten. Der streitgegenständliche dritte Satz dient lediglich dazu, unmissverständlich klarzustellen, dass die Netzbetreiber diese Daten herausgeben müssen.

Außerdem sei es Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung, dafür zu sorgen, den europarechtlich vorgegebenen freien Warenverkehr von Telekommunikationsendeinrichtungen vollständig zu gewährleisten, damit Kunden den technischen Fortschritt vollständig nutzen können. Dieses Ziel kann aber nicht erreicht werden, wenn das Recht zur freien Routerwahl nur bei neu abgeschlossenen oder gewechselten Verträgen gewährt wird. Damit sprachen die systematische Auslegung und der Sinn und Zweck der Routerfreiheit nach Ansicht der Essener Richter dafür, dass die Zugangsdaten allen Kunden zu übergeben sind, weil das Recht andernfalls ins Leere laufen würde.  

Fazit: Das Recht auf freie Routerwahl steht nicht nur den Neukunden, sondern auch Bestandskunden zu. Unternehmen müssen deshalb allen Kunden die erforderlichen Zugangsdaten aushändigen, damit diese einen anderen Router kaufen und verwenden können.

(LG Essen, Urteil v. 23.09.2016, Az.: 45 O 56/16)

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