10 Optimierungsmöglichkeiten für das "Berliner Testament"

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Grundform des Berliner Testaments (Einheits­lösung)

Das "Berliner Testament" ist das beliebteste Testament von Eheleuten mit Kindern. Die wirtschaftliche Absicherung des länger lebenden Ehepartners im ersten Erbfall und die ausschließliche Begünstigung der gemeinsamen Kinder im zweiten Erbfall entsprechen dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Eltern. Es kann wie folgt formuliert werden:

„Wir, die Ehegatten …, setzen uns im ersten Erbfall gegenseitig zu unbeschränkten Alleinerben ein. Beim Tod des Längerlebenden erben unsere Kinder … und … zu gleichen Teilen. Ersatzerben sind deren Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge und wiederum ersatzweise soll – zunächst innerhalb eines Stammes – Anwachsung eintreten.“

Erst nach dem ersten oder gar zweiten Erbfall – wenn es also zu spät ist – treten die Unzulänglichkeiten dieser Gestaltung hervor. 

In diesem Beitrag werden zehn einfache und übliche Konstellationen erläutert und vorgestellt, die die üblichen praxisrelevanten Probleme lösen.

I. Trennungslösung mit Vor- und Nacherbe zur Reduzierung des Pflichtteils 

Bei der Trennungslösung wird der länger lebende Ehegatte nur Vorerbe, so dass ihm zwei getrennte Vermögensmassen zustehen, und zwar sein Eigenvermögen und die Erbschaft. Die Trennungslösung bietet sich vor allem dann an, wenn ein Kind auch im zweiten Erbfall enterbt und sein Gesamtpflichtteilsanspruch möglichst gering gehalten werden soll. Bei der sog. Einheitslösung verschmilzt der Nachlass des länger lebenden Ehegatten mit dem Nachlass des Erstversterbenden, so dass sich die Berechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch im zweiten Erbfall erhöht.  Dies wird durch die Trennungslösung verhindert:

 „Wir, die Ehegatten …, setzen uns gegenseitig zu nicht befreiten Vorerben ein. Nacherben und Erben des länger lebenden Ehegatten sind unsere Kinder … und … zu gleichen Teilen.“
 Die zu Nacherben berufenen Kinder beerben im zweiten Erbfall direkt den Erstverstorbenen. Zudem erben sie von dem Längerlebenden, so dass zwei Erbengemeinschaften auseinanderzusetzen sind.

Das Gesetz geht von dem nicht befreiten Vorerben aus, der faktisch die Stellung eines Nießbrauchsberechtigten hat. Soll der länger lebende Ehegatte weitestgehend berechtigt sein, indem er unter anderem die Substanz für sich verbrauchen darf, ist er von den gesetzlichen Beschränkungen gem. § 2136 BGB zu befreien (Formulierung „… zu befreiten Vorerben …, soweit dies zulässig und rechtlich möglich ist.“). Es kann auch vollständig befreit werden, aber etwa unter Ausschluss und damit Beibehaltung des Verfügungsverbots bezüglich Grundstücken.

II. Vorsorge bei potenziell minderjährigen Erben

Sind die Kinder im ersten Erbfall minderjährig, kann ein Konflikt entstehen: So vertritt der länger lebende Ehegatte zum einen seine höchst eigenen Interessen als Alleinerbe und zum anderen die Interessen als nunmehr alleiniger gesetzlicher Vertreter seiner enterbten Kinder. Diesen steht gegen den Elternteil ihr Pflichtteilsanspruch zu, dessen Verjährung gem. § 207 I Nr. 2 BGB zwar gehemmt ist. 

Dann hat das Familiengericht nur für die Pflichtteilsgeltendmachung einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Wollen die Eltern sich nicht auf die Auswahl der Person des Pflegers durch das Gericht verlassen, können sie wie folgt die Person des Pflegers bestimmen:

„Vorsorglich benennen wir …, ersatzweise …, als Ergänzungspfleger, falls und solange unsere Kinder minderjährig sind.“

Für den Fall, dass die Kinder auch bei dem zweiten Erbfall minderjährig sind, sollten die Eltern die Person des Vormundes bestimmen. 

III. Pflichtteilsstrafklausel

Da im ersten Erbfall die Kinder enterbt sind, stehen ihnen ihre Pflichtteilsansprüche zu. Ein verbindlicher Verzicht ist vor dem Erbfall nur durch eine notarielle Erklärung möglich, wozu die Kinder im Regelfall nicht ohne eine Abfindung zu bewegen sind. 

Durch folgende Pflichtteilsstrafklausel kann Kindern oft die Motivation zur Pflichtteilsgeltendmachung genommen werden (für Einheitslösung):

„Derjenige Abkömmling, der im ersten Erbfall gegen den Willen des länger lebenden Ehegatten seinen Pflichtteilsanspruch verlangt, ist einschließlich seines Stammes, also seiner Abkömmlinge, auch im zweiten Erbfall enterbt. Es tritt Anwachsung bei den sich wohlverhaltenden Abkömmlingen ein.“

IV. Wiederverheiratungsklausel

Für den Fall der Wiederverheiratung wünschen Ehegatten oftmals, dass in diesem Zeitpunkt auch oder sogar ausschließlich die gemeinsamen Kinder begünstigt werden. Von einer Klausel, nach der mit Wiederverheiratung der länger lebende Ehegatte enterbt ist und die Kinder den Erstversterbenden alleine beerben, ist dringend abzuraten. Zum einen führt eine solche Klausel auch bei einer eigentlich beabsichtigten Einheitslösung zu der konstruktiven Vor- und Nacherbfolge. Zum anderen könnte eine solche Klausel sittenwidrig sein, da der Längerlebende auf Grund der finanziellen Drucksituation – Verlust der Erbschaft – von einer Wiederheirat abgehalten werden könnte. Es bietet sich aber ein spezielles Vermächtnis an:

„Für den Fall der Wiederverheiratung des länger lebenden Ehegatten setzt der erstversterbende Ehegatte den gemeinsamen Kindern jeweils ein Geldvermächtnis aus, und zwar in Höhe ihrer gesetzlichen Erbquote. Maßgeblich ist der Nachlasswert im Zeitpunkt des ersten Erbfalls; es gelten die Regeln aus dem Pflichtteilsrecht. Die Vermächtnisse fallen mit Wiederverheiratung an, sind drei Monate danach fällig, bis dahin unverzinslich und auf dasjenige beschränkt, was vom Nachlass übrig ist.“

V. Steueroptimierung durch Vermächtnisse

Da die Kinder im ersten Erbfall enterbt sind, kann die Familie nicht die Freibeträge der Kinder nach dem Erstversterbenden nutzen. Jedem Kind steht ein Freibetrag von jeweils 400.000 Euro nach beiden Elternteilen zur Verfügung. Wer sich nicht auf die „Rettung“ durch Pflichtteilsgeltendmachung verlassen will, sollte seinen Kindern Vermächtnisse aussetzen. 

„Wir setzen im ersten Erbfall unseren Kindern … und … jeweils ein Barvermächtnis von 400.000 Euro aus, das drei Monate nach dem Erbfall fällig ist.“

Aus steuerlichen Gründen ist eine Optimierung dahingehend nicht möglich, dass diese Vermächtnisse erst mit dem zweiten Erbfall fällig werden. So werden solche betagten Vermächtnisse Nachvermächtnissen gleichgestellt, womit diese als Erwerb vom länger lebenden Ehegatten besteuert werden.

VI. Zuweisung von Vermögensgegenständen

Im zweiten Erbfall entsteht unter den miterbenden Kindern eine Erbengemeinschaft, die per se konfliktanfällig ist. Differenzen hinsichtlich der Verteilung von Nachlassgegenständen lassen sich dadurch vermeiden, dass bestimmte Gegenstände mittels Teilungsanordnungen einzelnen Kindern zugewiesen werden. Da eine Anrechnung auf den Erbteil erfolgt, können dennoch Differenzen bezüglich der „richtigen“ Bewertung entstehen. Zur Konfliktvermeidung sollten besser einzelne Gegenstände durch Vorausvermächtnisse zugewiesen werden, die auf Grund ihres klagefähigen schuldrechtlichen Anspruchs die Erfüllung direkt nach dem Erbfall garantieren. 

„Der länger lebende Ehegatte weist durch Vorausvermächtnisse unserer Tochter den Grundbesitz …, und unserem Sohn den Grundbesitz …, zu. Eine Bewertung und eine Anrechnung auf den Erbteil schließen wir ausdrücklich aus.“

VII. Änderungsklauseln

1. Zu Gunsten der Erbfolge

Regelmäßig führt die auf Grund der gesetzlichen Auslegungsregel vermutete Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeinsetzung bei dem Berliner Testament in der Praxis zu großen Überraschungen: Ein die Schlusserben beeinträchtigendes Einzeltestament ist unwirksam. 

Der Längerlebende kann so nicht etwa das Kind letztwillig umfangreicher begünstigen, zu dem sich eine besondere Nähe entwickelt hat bzw. das ihn pflegt. Eine Flexibilität der Begünstigung unter Kindern ist oft durchaus gewollt, aber es sollen zumeist keine Dritten bedacht werden können. Dies lässt sich so erreichen:

„Dem länger lebenden Ehegatten ist es gestattet, die Erbquoten unter den Kindern zu verändern, so dass auch die Enterbung eines Kindes zulässig ist.“

Der etwaige Wunsch, dass der länger Lebende eingeschränkt zur Vermächtnisaussetzung berechtigt ist, lässt sich wie folgt umsetzen:

„Dem länger lebenden Ehegatten ist es gestattet, Vermächtnisse im Wert bis zu insgesamt 50 000 Euro nach seinem Belieben auszusetzen.“

Var.: „…, aber nur zu Gunsten von Enkelkindern.“

2. Zu Gunsten von Schenkungen

Eine wechselbezügliche und damit bindend gewordene Schlusserb­einsetzung kann der länger lebende Ehegatte auch nicht dadurch umgehen, dass er lebzeitig Schenkungen gewährt. So kann ein Geschenk von den beeinträchtigten Erben nach Bereicherungsrecht von dem Beschenkten nach dem Erbfall zurückgefordert werden, soweit kein lebzeitiges Eigeninteresse vorliegt. 

„Der länger lebende Ehegatte ist berechtigt, nach dem ersten Erbfall Gegenstände zu verschenken (Ausschluss der Ansprüche nach § 2287 BGB).“

Var.: „… jedoch nur zu Gunsten von Abkömmlingen.“

VIII. Anfechtungsausschluss

Ist die Schlusserbeinsetzung mit wechselbezüglicher Wirkung verfügt, kann der länger lebende Ehegatte bei Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten die letztwilligen Verfügungen anfechten. Einen Pflichtteilsberechtigten kann der länger lebende Ehegatte sich gezielt durch Wiederheirat oder Adoption schaffen. Eine solche Anfechtung zu verhindern, gelingt mit folgender Klausel:

„Das Recht zur Anfechtung wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten nach § 2079 BGB wird ausgeschlossen.“

IX. Anordnung der wechselbezüglichen bzw. einseitigen Wirkung

Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten sollten die Ehegatten ausdrücklich anordnen, ob die Erbeinsetzungen (und ggf. die Vermächtnisse) einseitige oder wechselbezügliche Wirkung haben sollen. Sollen beide Erbeinsetzungen wechselbezüglich sein, ist wie folgt klarzustellen:

„Die Erbeinsetzungen sowohl im ersten als auch im zweiten Erbfall ordnen wir mit wechselbezüglicher Wirkung an.“

Soll dagegen der länger lebende Ehegatte frei verfügen können, bietet sich folgende Klausel an:

„Die Erbeinsetzung für den ersten Erbfall ist wechselbezüglich. Dagegen haben wir die Erbeinsetzung für den zweiten Erbfall nur mit einseitiger Wirkung verfügt.“

 X. Rechtswahl nach der EU-Erbrechtsverordnung

Durch die EU-Erbrechtsverordnung ändern sich für Erbfälle ab dem 17. 8. 2015 die Regeln zur Bestimmung des materiellen Erbrechts bei internationalen Bezügen. Dieses richtet sich dann nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt. Sind etwa die Erblasser nach Spanien übergesiedelt, gilt dann das spanische materielle Erbrecht für den Erbfall. Dies lässt sich durch die Wahl des Rechts des Staates bestimmen, dem der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehörte.

„Wir bestimmen für unseren Erbfall das deutsche materielle Erbrecht, auch wenn einer von uns oder wir beide seinen/unseren letzten gewöhnlichen Aufenthalt bei seinem Erbfall im Ausland hatte.“

Formfragen und Hinterlegung beim Amtsgericht

Wird das Ehegattentestament handschriftlich errichtet, reicht es aus, wenn ein Ehegatte sämtliche Verfügungen schreibt und der andere Ehegatte nur unterschreibt. Zur Verhinderung des späteren Vorwurfs einer blanko-Unterschrift bietet sich der Zusatz an: „Dies ist auch mein letzter Wille.“ Eine Datums- und Ortsangabe sollte erfolgen.

Es empfiehlt sich zwecks Sicherstellung der Testamentseröffnung die Hinterlegung in die amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht.

Fazit

Schon mit einfachen, ergänzenden Klauseln lässt sich das beliebte Berliner Testament maßschneidern. So lassen sich bereits eine Vielzahl von potenziellen Konflikten und Überraschungen verhindern.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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