Abgasskandal: Nächstes Gericht sieht keine Verjährung bei VW / Klagen aufgrund § 852 BGB möglich

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Das nächste Gericht vertritt die Rechtsauffassung, dass Forderungen im Diesel-Abgasskandal gegen VW noch nicht endgültig verjährt sind. Selbst bei verjährtem Anspruch aufgrund § 199 BGB besteht ein Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB. Der von VW erschlichene finanzielle Vorteil muss an Geschädigte zurückgegeben werden. Dabei tritt die Verjährung frühestens in 10 Jahren ab Kauf ein. 

Das Amtsgericht Marburg (Az. 9 C 891/19) hatte erstmals diese Rechtsauffassung vertreten. Auch das Landgericht Magdeburg sieht einen Anspruch gegenüber VW aus § 852 BGB. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH weist zudem darauf hin, dass selbst die übliche Verjährungsfrist von drei Jahren noch nicht abgelaufen ist. Die Verbraucher-Kanzlei gehört zu den führenden im Diesel-Abgasskandal. Die Inhaber haben den Verbraucherzentrale Bundesverband in der Musterfeststellungsklage gegen VW vertreten, einen 830-Millionen-Euro-Vergleich ausverhandelt und Rechtsgeschichte geschrieben.
 

Verjährung im Diesel-Abgasskandal von VW heftig umstritten

Trotz des ersten verbraucherfreundlichen Urteils vor dem Bundesgerichtshof im VW-Skandal gibt es noch viele offene Fragen. Auch die Verjährung im Diesel-Abgasskandal ist heftig umstritten. Gerade im Hinblick auf die neue Sichtweise durch § 852 BGB rät die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer betroffenen VW-Kunden zur anwaltlichen Beratung, um ihre Rechte gegen den Autobauer durchzusetzen. Im kostenfreien Online-Check der Kanzlei lässt sich der richtige Weg aus dem Diesel-Abgasskandal herausfinden. Verjährt ist definitiv noch nichts.  

VW pocht auf die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB). Normalerweise beginnt die Verjährungsfrist gegen Ende des Jahres zu laufen, in dem das Tatereignis stattfand. 2015 machte VW den Abgasskandal mit einer Ad-hoc-Mitteilung publik. Also wäre Ende 2018 der Betrug verjährt. Dieser frühe Verjährungszeitpunkt stellt in der Rechtsprechung jedoch eine Minderheitenmeinung dar. Die meisten Gerichte gehen bisher davon aus, dass frühestens 2016 die Verbraucher vom Skandal informiert gewesen sein könnten. Damit wäre die Verjährung Ende 2019 eingetreten. § 852 BGB macht VW jedoch einen Strich durch die Rechnung. Noch ist nichts verjährt. Verbraucher können weiter ihr Recht vor Gericht einklagen.


Landgericht Magdeburg folgt Amtsgericht Marburg bei Verjährung 

Das Landgericht Magdeburg sieht wie bereits das Amtsgericht Marburg einen Restschadensanspruch gegenüber VW nach § 852 BGB, der erst nach 10 Jahren ab Kauf des Fahrzeugs verjährt. Im Urteil vom 25. Juni 2020 (Az.: 10 O 1856/19) formuliert es das Gericht folgendermaßen: „Schließlich prüfen die, eine Verjährung der 2019 erhobenen Klagen bejahenden Gerichte nicht, - die nach der Rechtsansicht der Kammer hier allerdings nicht erhebliche Problematik -, ob nicht möglicherweise ein Anspruch aus § 852 BGB mit 10-jähriger Verjährungsfrist gegeben ist. […] Auch von daher überzeugt die Meinung, die Ansprüche angesichts der Verjährung grundsätzlich abzulehnen nicht, da dann wohl ein Anspruch aus § 852 BGB vorliegen würde.“

Das Amtsgericht Marburg hatte am 16. Juni 2020 (Az.: 10 O 1856/19) im VW-Skandal ein neues Kapitel bei der juristischen Aufarbeitung aufgeschlagen. Bisher war VW dadurch aufgefallen, dass der Autobauer zur Aufklärung des Skandals nur wenig beigetragen hat. Mit einer Hinhaltetaktik vor Gerichten erweckt VW den Eindruck, dass man die Verfahren in die Länge ziehen wolle, bis die meisten Fälle verjährt sind. „Die Beklagtenseite wird vom Gericht gemäß § 139 ZPO darauf hingewiesen, dass die Einrede der Verjährung wohl ins Leere geht, da vorliegend nicht die Regelverjährung von 3 Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB einschlägig sein dürfte, sondern die Verjährung gemäß § 852 BGB von 10 Jahren (vgl. BGH Urt. verkündet am 12.05.2016, I ZR48/15).“

§ 852 öffnet Verbrauchern eine neue Tür im Diesel-Abgasskandal

Auch die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vertritt seit langem die Meinung, dass im Diesel-Abgasskandal nicht die übliche dreijährige Verjährungsfrist zur Geltung kommen muss, sondern auch die zehnjährige. Bisher ist die herrschende Rechtsauffassung, dass der Skandal um den Diesel EA 189 Ende 2019 verjährt ist. Die Verbraucherkanzlei ist sich jetzt sicher, dass VW nicht so leicht und schnell davonkommen wird. Denn, wer sittenwidrig täuscht und trickst, darf sich keine Hoffnungen darauf machen, dass seine Tat nach der üblichen Verjährung in Vergessenheit gerät. § 852 BGB bietet Verbrauchern die Möglichkeit, selbst bei verjährten Schadensersatzansprüchen gegen VW finanziell entschädigt zu werden. Daher macht die Einreichung einer Klage auch noch 2020 und darüber hinaus Sinn.

  • Denn die Ansprüche auf eine Geldzahlung können laut § 852 BGB frühestens nach zehn Jahren verjähren. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Restschadensersatzanspruch. Wer sich beispielsweise sittenwidrig einen finanziellen Vorteil verschafft hat, muss diesen Vorteil wieder zurückgeben.
     
  • Im BGB liest sich § 852 dann wörtlich folgendermaßen:
     „Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an […].“


Dr. Stoll & Sauer führte Musterfeststellungsklage gegen VW mit an 

Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich um eine der führenden Kanzleien im Abgasskandal. Die Kanzlei ist unter anderem auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Die Kanzlei führt mehr als 12.000 Gerichtsverfahren im Abgasskandal bundesweit und konnte bereits hunderte positive Urteile erstreiten.

In dem renommierten JUVE Handbuch 2017/2018, 2018/2019 und 2019/2020 wird die Kanzlei in der Rubrik Konfliktlösung - Dispute Resolution, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten besonders empfohlen für den Bereich Kapitalanlageprozesse (Anleger). Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führten in der RUSS Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) außerdem die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG und verhandelten einen 830-Millionen-Euro-Vergleich aus. Damit haben die beiden Inhaber Rechtsgeschichte geschrieben. Im JUVE Handbuch 2019/2020 wird die Kanzlei deshalb für ihre Kompetenz beim Management von Massenverfahren als marktprägend erwähnt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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