Als Angeklagter vor Gericht – Teil I: Die Vorbereitung

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Die Hauptverhandlung ist der entscheidende Teil eines Strafprozesses. Zwar hat ein guter Verteidiger bereits während des gesamten Ermittlungsverfahrens die notwendige Vorarbeit geleistet, um seinen Mandanten zu entlasten und dessen Sicht der Dinge darzulegen. Das Urteil wird aber maßgeblich vom Verlauf der Hauptverhandlung und den dort ermittelten Tatsachen bestimmt.

Die Situation im Gerichtssaal ist für den Angeklagten ungewohnt und oft auch furchteinflößend. Er weiß, dass das Ergebnis der Verhandlung über seine Zukunft und seine Freiheit entscheiden kann. Aber auch bei weniger schweren Delikten drohen unangenehme Geldstrafen, ein Eintrag im Führungszeugnis oder auch Konsequenzen für den Führerschein.

Eine solide Vorbereitung der mündlichen Hauptverhandlung zusammen mit Ihrem Verteidiger sorgt für eine gewisse Sicherheit. Ganz nehmen kann er Ihnen Ihre Nervosität aber selten. Damit Sie die Abläufe im Gerichtssaal kennen und sich nicht ganz so „verloren“ fühlen, stellt Ihnen Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa, Strafverteidiger in München, den Strafprozess in diesem und zwei weiteren Artikeln ausführlich vor.

Im ersten Teil soll es nun darum gehen, wie man sich auf den Prozess vorbereiten kann, was Sie also von dem Moment, in dem Sie davon erfahren, dass es einen Prozess geben wird, bis zum Beginn der Verhandlung alles tun können.

Wiedergutmachung leisten

Ein wesentliches Merkmal der Strafzumessung ist die Wiedergutmachung. Falls Sie jemandem finanziell geschadet haben (z. B. bei Diebstahl, Betrug oder Sachbeschädigung), sollten Sie unbedingt versuchen, den Schaden zu ersetzen. Das geschieht am besten durch vollständige Zahlung noch vor Prozessbeginn. Schaffen Sie dies nicht, bemühen Sie sich zumindest um eine Ratenzahlungsvereinbarung und leisten Sie, soviel Sie können.

Bei anderen Straftaten, vor allem Körperverletzungen, ist zwar kein Schadenersatz in diesem Sinne möglich, aber Sie können ein Schmerzensgeld zahlen. Auch eine Entschuldigung wird hier sehr positiv gesehen.

An Problemen arbeiten

Oft hatte die Straftat irgendeine Ursache oder Vorgeschichte. Wenn Sie versuchen, daran zu arbeiten, können Sie dem Gericht viel glaubhafter versichern, dass so etwas nicht wieder vorkommen wird. Insbesondere bei der Frage, ob eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ist die weitere Prognose entscheidend.

Mögliche Maßnahmen sind z. B. eine Alkohol- oder Drogentherapie. Auch Gewalt- oder Sexualdelikten gibt es spezialisierte Therapiemaßnahmen. Falls Sie sich dies nicht leisten können und auch die Krankenkasse oder andere Kostenträger nicht einspringen wollen, sind aber zumindest Beratungsgespräche sinnvoll. Im Internet finden Sie hier in der Regel passende Angebote. Auch Ihr Anwalt kann Sie hier beraten.

Arbeitssituation verbessern

Eine auffällig hohe Zahl von Beschuldigten ist arbeitslos. Aus der Arbeitslosigkeit entstehen oft finanzielle Probleme oder persönliche Unzufriedenheit, die die Begehung von Straftaten begünstigen können.

Gerade, wenn Sie die Tat wirklich begangen haben und geständig sind, ist es wichtig, dass Sie Ihr Leben im Griff haben. Dazu gehört zunächst einmal eine Arbeit oder eine geregelte Einkommenssituation. Ein Praktikum ist besser als gar nichts. Eine geregelte Arbeit ist noch besser. Falls Sie noch keinen Beruf erlernt haben, sollten Sie sich nach einem Ausbildungsplatz umsehen.

Selbstverständlich ist Arbeitslosigkeit noch lange kein Beweis, dass Sie schuldig sind oder auch in Zukunft Straftaten begehen werden. Aber gerade, wenn es in Ihrem Fall einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Situation und dem Tatvorwurf geben könnte, ist dieser Hinweis wichtig.

Die Gerichtsatmosphäre kennen lernen

Wenn Sie zum ersten Mal vor Gericht stehen, ist alles neu und ungewohnt für Sie. Die Anspannung tut ihr Übriges. Damit Sie sich aber angemessen verteidigen können, ist es notwendig, dass Sie auch eine gewisse innere Ruhe mitbringen.

Darum sollten Sie sich einen Prozess erst einmal anschauen. Fast alle Verfahren sind öffentlich, Sie können sich also als Zuschauer bei einem anderen Verfahren in den Saal setzen. Auf diese Weise lernen Sie die Abläufe kennen und verlieren vielleicht etwas die Angst vor dem, was Sie erwartet.

Den Richter kennen lernen

Sie können sich auch eine Verhandlung vor „Ihrem“ Richter ansehen. Sobald Sie die Ladung zum Prozess haben, kennen Sie dessen Namen. Wenn Sie dann beim Gericht anrufen, erhalten Sie in aller Regel die Auskunft, wann dieser Richter seinen nächsten Sitzungstag hat.

So können Sie dann möglicherweise schon abschätzen, wie dieser Richter auf bestimmtes Verhalten des Angeklagten reagiert.

Zeugen finden

Falls sich die Tat anders ereignet hat als von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift oder im Strafbefehl dargestellt, sollten Sie nachdenken, welche Zeugen es für Ihre Sicht der Dinge gibt. Grundsätzlich kann jeder Mensch Zeuge sein, also bspw. auch Ihr Ehepartner oder Verwandte.

Aber Vorsicht: Jeder Zeuge steht unter absoluter Wahrheitspflicht. Bitten Sie keinesfalls jemanden, aus Gefälligkeit eine Falschaussage zu machen. Jede unrichtige Angabe vor Gericht ist mit ganz erheblichen Freiheitsstrafen bedroht! Dies würde auch auf Sie sehr negativ zurückfallen.

Gegengutachten in Auftrag geben

Gutachten sind oft eine wichtige Erkenntnisquelle für das Gericht. Nicht umsonst bezeichnet man Sachverständige auch als „heimliche Richter“. Gutachten gibt es dabei zu praktisch allen wissenschaftlichen Fachbereichen, z. B. zu medizinischen, physikalischen, technischen, wirtschaftlichen oder psychologischen Fragestellungen. Sehr häufig sind auch Unfallgutachten zur Rekonstruktion eines Verkehrsunfalls und Gutachten über den Wirkstoffgehalt von Betäubungsmitteln.

Sollte also ein Gutachten vorliegen, das Sie belastet, so ist daran zu denken, ein eigenes Gegengutachten in Auftrag zu geben. Dabei beauftragen Sie selbst einen Sachverständigen, diese Fragestellung erneut zu untersuchen.

Allerdings ist es keineswegs sicher, dass das Gegengutachten zu einem „besseren“ Ergebnis kommt. Auch ist das Gericht relativ frei in der Bewertung, welches Gutachten es für glaubwürdiger und nachvollziehbarer hält. Die Kosten des Gutachtens werden Sie zudem fast immer selbst tragen müssen.

Ärztliche Atteste beibringen

Insbesondere bei psychischen Erkrankungen gibt es häufig einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat. Wenn Sie sich deswegen bereits in Behandlung befunden haben, sollten Sie ärztliche Nachweise darüber vorlegen oder ggf. vor der Verhandlung noch erstellen lassen.

Auch eine komplette Entbindung von der Schweigepflicht und die Benennung des Arztes als Zeuge kommt unter Umständen in Betracht. Allerdings bedeutet das, dass Ihre gesamte Krankengeschichte in einem öffentlichen Prozess thematisiert wird – ob Sie das wollen, müssen Sie nach Beratung mit Ihrem Anwalt selbst entscheiden.

Begleitung organisieren

Es empfiehlt sich, dass Sie Personen Ihres Vertrauens (Angehörige oder gute Freunde) bitten, Sie als Zuschauer beim Prozess zu begleiten. Zum einen ist moralische Unterstützung nie verkehrt. Zum anderen zeigen Sie dadurch, dass Sie Rückhalt durch andere Menschen haben und vor diesen auch nichts zu verheimlichen haben.

Aber Vorsicht: Wenn Sie sich dann gehemmt fühlen und manche Dinge, die zu Ihrer Verteidigung sinnvoll wären, nicht sagen können oder wollen, ist das kontraproduktiv. Außerdem sollten sich die Zuschauer möglichst zurückhalten und nicht durch Zwischenrufe, Unmutsbekundungen o. ä. negativ auffallen.

Rücksprache mit dem Anwalt halten

Sofern Sie einen Verteidiger haben, sollten Sie mit diesem unbedingt das Verfahren, dessen Ablauf und Ihre Erklärungen gegenüber dem Gericht durchsprechen. Nur so ist eine gemeinsame und vertrauensvolle Verteidigung möglich.

Ich halte es so, dass ich mich kurz vor der Hauptverhandlung noch einmal mit meinem Mandanten treffe und alles durchspreche. Dabei geht es vor allem darum, wie die Verhandlung ablaufen wird, welche Zeugenaussagen zu erwarten sind und wie man das angestrebte Ergebnis (z. B. Freispruch oder auch eine möglichst milde Verurteilung) erreichen kann. Außerdem vermittle ich meinem Mandanten, wie er sich jeweils verhalten soll.

Wichtig ist aber eines: Vor Gericht müssen Sie sich selbst darstellen. Der Anwalt kann nicht alles für Sie vortragen und schreibt Ihnen auch kein „Drehbuch“. Es ist gerade wichtig, dass der Richter einen authentischen Eindruck von Ihnen bekommt.

Zusammenfassung

Man kann eine Gerichtsverhandlung in einer Strafsache häufig sehr gut vorbereiten. Die Zeit zwischen der Ladung und dem Prozesstermin reicht oft aus, idealerweise beginnen Sie aber bereits nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens mit Ihren Anstrengungen.

Nicht alle der oben genannten Tipps werden in Ihrem Spezialfall sinnvoll sein. Möglicherweise bieten sich für Sie auch noch andere, ganz individuelle Vorgehensweisen an. In einer vertrauensvollen Besprechung mit Ihrem Strafverteidiger können Sie ausloten, welche Maßnahmen Ihre Aussichten vor Gericht verbessern können.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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