Anscheinsbeweis bei Parkplatzunfällen durch Rückwärtsfahrer

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In seiner jüngsten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Fragen der Haftungsverteilung bei Parkplatzunfällen durch einen Rückwärtsfahrenden geklärt: Zugunsten desjenigen, der sich auf ein unfallursächliches Verhalten des Rückwärtsfahrenden beruft, können die Grundsätze des Anscheinsbeweises Anwendung finden. Wenn feststeht, dass der Rückwärtsfahrende zum Zeitpunkt der Kollision selbst noch nicht stand, so spricht nach Ansicht des BGH bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der dargestellten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit)verursacht hat.

Anlass für diese Entscheidung des BGH (BGH Urteil vom 26.01.2016 Az.: VI ZR 179/15) war folgender Sachverhalt: Das rückwärtsfahrende Fahrzeug der Beklagten kollidierte auf einem Parkplatz mit dem Fahrzeug der Klägerin. Mit der Behauptung, die Klägerin treffe eine Mitschuld von 40 %, regulierte die Haftpflichtversicherung der Beklagten den am Fahrzeug der Klägerin entstandenen Schaden zu 60 %. Die Klägerin machte den restlichen Betrag mit der Begründung geltend, dass sie, die Klägerin, den Unfall gar nicht vermeiden können hätte. Sie sei zunächst hinter dem Fahrzeug der Beklagten hergefahren. Die Beklagte habe dann versucht, in eine Parklücke einzuparken, was ihr jedoch beim ersten Versuch nicht gelungen sei, so dass sie den Rückwärtsgang eingelegt habe und aus der Parklücke rückwärts herausgefahren sei. Dabei sei sie in das Fahrzeug der Klägerin reingefahren, welches wartend quer zur Parklücke gestanden sei. Ein Zurücksetzen sei für die Klägerin nicht möglich gewesen, da sich hinter ihr ein anderes Fahrzeug befunden habe, ein Hupen, um die Beklagten auf die drohende Kollision aufmerksam zu machen, sei ebenfalls nicht möglich gewesen.

Die Klage wurde in der ersten und in der zweiten Instanz abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hob jedoch der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück.

Dabei argumentierte der BGH wie folgt: Auch auf Parkplätzen muss die Wertung des § 9 Abs. 5 StVO – jedenfalls mittelbar über § 1 StVO – Berücksichtigung finden. Derjenige, der auf einem Parkplatz rückwärtsfährt, muss sich so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann. Kollidiert der Rückwärtsfahrende mit einem anderen Fahrzeug, so können zugunsten desjenigen, der sich auf ein unfallursächliches Verschulden des Rückwärtsfahrenden beruft, die Grundsätze des Anscheinsbeweises zur Anwendung kommen. Steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand, so spricht bei Parkplatzunfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der dargestellten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit)verursacht hat. Nachdem die Klägerin vorliegend vorgetragen hat, dass die aus der Parklücke (wieder)rausfahrende Beklagte auf ihr zum Kollisionszeitpunkt bereits stehendes Fahrzeug aufgefahren sei, und keine abweichende Feststellungen getroffen wurden, sprach der Beweis des ersten Anscheins für ein unfallursächliches Verschulden der Beklagten.

Natalia Dinnebier
Rechtsanwältin für Verkehrsrecht


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