Arzthaftungsrecht: Darf ein Medizinstudent ein Aufklärungsgespräch führen?

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Ausgangsfall – OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.01.2014 – 7 U 163/12

Die Klägerin erlitt bei einer Herzkatheteruntersuchung eine Verletzung der Arteria femoralis. Zwar wurde sie auf dieses Risiko hingewiesen, das Aufklärungsgespräch führte jedoch nicht der behandelnde Arzt, sondern eine Medizinstudentin im praktischen Jahr, was die Klägerin rügt.

Rechtslage:

Das OLG Karlsruhe hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe zurückgewiesen und führt zur Begründung aus, dass die Eingriffs- und Risikoaufklärung weder inhaltlich unzureichend, noch deshalb unbeachtlich sei, weil sie von einer Medizinstudentin im praktischen Jahr durchgeführt wurde. Auch sei die Anwesenheit eines Arztes im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen.

Die von einem Medizinstudenten im Praktischen Jahr durchgeführte Aufklärung kann nach Auffassung des Gerichts (vgl. auch LG Karlsruhe, Urteil vom 5. Oktober 2012 – 3 O 314/11 –) einer ärztlichen Aufklärung gleichstehen, „wenn sie seinem Ausbildungsstand entspricht und unter der Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes stattfindet“.

Im vorliegenden Fall kam es darauf an, dass die Studentin sich zuvor mit Herzkatheteruntersuchungen im Studium befasst hatte und diese auch bereits in Patientengesprächen erläutert hatte. Zudem war der Aufklärungsbogen mit ihr durchgesprochen und erläutert worden. Letztlich hatte sie im Vorfeld bereits an mehreren Aufklärungsgesprächen teilgenommen, die von einem Arzt geführt wurden, bevor sie selbständig ein solches Gespräch geführt hat. Somit war sie sowohl nach ihrem Ausbildungsstand in der Lage, Patienten über diesen Eingriff und dessen Risiken aufzuklären, als auch durch einen Arzt hinreichend angeleitet und beaufsichtigt worden.

Auch die Anwesenheit eines Arztes während des Aufklärungsgesprächs war nach Ansicht des OLG nicht notwendig, da es sich bei einer Herzkatheteruntersuchung um einen Standardeingriff handele, über den die Studentin bereits mehrfach beanstandungslos aufgeklärt hatte. Zudem könne bei einem Aufklärungsgespräch kein unvorhergesehener medizinischer Notfall eintreten, der sofortiges Eingreifen eines Arztes erforderlich mache. Die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Arztes bei außergewöhnlichen Fragen, hätte außerdem jederzeit bestanden.

Kommentar:

Sofern das Aufklärungsgespräch von einem Medizinstudenten im praktischen Jahr durchgeführt wird, ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob die Behandlungsmaßnahme tatsächlich dessen Ausbildungsstand entsprach. Ansonsten erscheinen die Erfolgsaussichten gegen inhaltlich und formal fehlerfreie Aufklärungsgespräche durch nichtärztliches Personal gering zu sein. Zumal das OLG eine hypothetische Einwilligung des Patienten zum ärztlichen Eingriff für den Fall annimmt, dass diesem bewusst gewesen ist, dass das Aufklärungsgespräch von einem Medizinstudenten durchgeführt wurde.

Zum einen dürfte es schwierig sein darzulegen, dass der Kläger trotz einwandfreier Aufklärung in einen Entscheidungskonflikt über die Durchführung der Maßnahme geraten wäre, wenn er gewusst hätte, dass die aufklärende Person noch kein approbierter Arzt ist. Zum anderen ist fraglich, ob die Einwilligung des Patienten in diesem Fall überhaupt fingiert werden muss, wenn das nichtärztliche Aufklärungsgespräch dem ärztlichen in jeder Hinsicht gleichstehen soll.

Eric Winter, Volljurist


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