Aussageverweigerungsrecht, pauschales Bestreiten des Tatvorwurfs und Teileinlassung im Strafprozess

  • 2 Minuten Lesezeit

Schließt eine Aussageverweigerung im Strafprozess jede aktive Rechtsverteidigung des Angeklagten aus?

Das Aussageverweigerungsrecht ist eines der wichtigsten Verteidigungsinstrumente des Beschuldigten im Strafverfahren: Der Beschuldigte muss keine Angaben zur Sache machen. Nach § 136 und § 163a der Strafprozessordnung (StPO) muss er vor Beginn seiner ersten Vernehmung darüber belehrt werden, „dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, insbesondere wenn er sich durch eine wahrheitsgemäße Aussage selbst belasten müsste“. Eine gleichlautende Vorschrift findet sich in § 55 OWiG. Aus der verweigerten Aussage darf nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, der Beschuldigte habe die Tat begangen. Der Satz „Wer nichts zu befürchten hat, hat auch nichts zu verbergen“ gilt im Strafprozess nicht.

Aussageverweigerungsrecht, psychologischer Ankereffekt und Priming

Die Psychologie kennt die Begriffe „Ankereffekt“ und „Priming“. Kurz und vielleicht etwas pauschal ausgedrückt für die Strafverhandlung: Wem es in der Strafverhandlung gelingt, den ersten Eindruck beim Richter zu machen und beim Richter den ersten Gedanken hervorzurufen, gibt die Richtung vor. Ein Verteidiger, der auf einen Freispruch hinarbeitet, und dazu die Aussagen von Belastungszeugen erschüttern muss, will also in die Köpfe der Richter möglichst früh den Gedanken einpflanzen: „Möglicherweise ist der Angeklagte ja doch unschuldig?“. Was aber werden die Zeugen sagen? Am Ende soll es nicht heißen: „Zum Nachteil des Angeklagten spricht, dass er wahrheitswidrig die Tat abgestritten hat. Die Zeugen haben aber glaubhaft das Gegenteil ausgesagt und den Angeklagten überführt.“ Deshalb soll der Angeklagte im Zweifel von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Wie aber kann mit einem solchen schweigenden Angeklagten als erster Gedanke in den Köpfen der Richter der Zweifel an der Täterschaft hervorgerufen werden?

OLG Karlsruhe: Pauschales Bestreiten des Tatvorwurfs ist noch keine Einlassung zur Sache

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied bereits mit Beschluss vom 04.08.2004, Az. 1 Ss 79/04: Ein pauschales Bestreiten des Tatvorwurfs stellt keine Mitwirkung an der Sachaufklärung dar. Eine solche Äußerung gilt noch immer als Schweigen des Angeklagten und nicht als eine Teileinlassung. Ein pauschales Bestreiten eines Tatvorwurfs darf deshalb nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden.

Hier haben wir die Lösung: Noch vor dem Beginn der eigentlichen Beweisaufnahme wird der Angeklagte in der Strafverhandlung gefragt, ob er sich zur Sache äußern möchte, und über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt. Die Antwort des Angeklagten lautet: „Ich habe die Tat, die mir vorgeworfen wird, nicht begangen. Im Übrigen mache ich von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.“ Der erste Schachzug ist gemacht, der erste Gedanke ist da – und trotzdem gilt der Angeklagte im prozessrechtlichen Sinne weiterhin als schweigender Angeklagter mit allen Vorteilen, die damit verbunden sind.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Stefan Loebisch

Beiträge zum Thema