Ausschlagungsfrist bei widersprüchlichen Erbfolgeregelungen
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Wenn es mehrere widersprüchliche Regelungen zur Erbfolge gibt, ist es nicht sofort klar, ob man das Erbe annehmen möchte. Das Gesetz setzt eine Ausschlagungsfrist von 6 Wochen fest, die ab dem Zeitpunkt läuft, an dem man Kenntnis von der Erbenstellung erhält. In solchen Fällen kann es jedoch zu Verzögerungen kommen, da die Klarheit über die Erbenstellung möglicherweise nicht sofort gegeben ist.
Ein Fallbeispiel:
Eine Frau schließt mit ihrem ersten Ehemann einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzen. Als Erben des längerlebenden Ehepartners setzen sie unter anderem die spätere Adoptivtochter der Frau ein und ordnen Testamentsvollstreckung sowie Vermächtnisse an. Nach dem Tod ihres ersten Ehemanns widerruft die Frau alle vorherigen letztwilligen Verfügungen und setzt in einem notariellen Testament ihren zweiten Ehemann als alleinigen Erben ein. Kurz darauf erstellt sie ein weiteres notarielles Testament, in dem sie erneut alle vorherigen Verfügungen widerruft und ihre spätere Adoptivtochter uneingeschränkt als Alleinerbin einsetzt. Als die Frau einige Jahre nach der Adoption stirbt, beantragt die Adoptivtochter auf Grundlage des letzten notariellen Testaments einen Erbschein, der sie als uneingeschränkte Alleinerbin ausweisen soll. Der Antrag wird jedoch mit dem Hinweis abgelehnt, dass die beiden letzten Testamente aufgrund der Bindungswirkung des Erbvertrags unwirksam sind. Daraufhin lehnt die Adoptivtochter ihre Stellung als Miterbin aus dem Erbvertrag wegen Beschränkungen und Beschwerungen ab und fordert ihren Pflichtteil von den anderen Erben ein, die durch den gültigen Erbvertrag eingesetzt wurden.
Beginn der Ausschlagungsfrist bei beachtlichem Rechtsirrtum gehemmt
Das Gericht entscheidet zu Recht, dass es grundsätzlich möglich ist, das Erbe abzulehnen, um den Pflichtteil zu erhalten, wenn die eigene Erbeinsetzung mit Testamentsvollstreckung oder Vermächtnissen belastet ist, wie es hier der Fall ist. Die Ausschlagung muss jedoch innerhalb der gesetzlich vorgesehenen 6-wöchigen Frist erfolgen. Diese beginnt normalerweise erst, wenn der Erbe weiß, dass er zum Erben berufen ist. Wenn es mehrere widersprüchliche Erbfolgeregelungen gibt, die als Grundlage für die Berufung dienen können, kann der Erbe einen Rechtsirrtum über den Grund seiner Berufung haben. Ein solcher Irrtum kann den Beginn der Ausschlagungsfrist verzögern, wenn die Gründe für den Irrtum zumindest am Anfang nicht eindeutig sind. Bei mehreren inhaltlich unterschiedlichen Erbeinsetzungen ist es, insbesondere für rechtliche Laien, oft nicht erkennbar, welche gültig ist. Es ist nachvollziehbar, dass sich der Erbe an der letzten letztwilligen Verfügung orientiert, da die mögliche Bindungswirkung eines vorherigen Erbvertrags oft nicht offensichtlich oder vorhersehbar ist. In einem solchen Fall beginnt die 6-wöchige Ausschlagungsfrist erst, nachdem im Erbscheinsverfahren verbindlich über die Frage der Bindungswirkung entschieden wurde.
Zusammenfassend hat das Landgericht Wuppertal in einem Urteil vom 6. Januar 2023 (2 O 298/19) festgestellt, dass der Beginn der Ausschlagungsfrist bei einem beachtlichen Rechtsirrtum gehemmt sein kann, insbesondere wenn es mehrere widersprüchliche Erbfolgeregelungen gibt und die Frage der Bindungswirkung noch nicht abschließend geklärt ist.
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