Auswandern: Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG anhand von Fallbeispielen erklärt
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Der Wegzug von Deutschland ins Ausland ist steuerlich oft komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Besonders die erweiterte beschränkte Steuerpflicht (§ 2 AStG) sorgt immer wieder für Unklarheiten und Missverständnisse. Sie betrifft natürliche Personen, die aus Deutschland wegziehen, aber weiterhin wesentliche wirtschaftliche Interessen hier behalten. Der nachfolgende Beitrag setzt sich anhand von Fallbeispielen mit den praktischen Konsequenzen der erweiteren beschränkten Steuerpflicht auseinander.
Was ist die (erweiterte) beschränkte Steuerpflicht?
Die beschränkte Steuerpflicht gilt für Personen, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Sie unterliegen nur mit ihren inländischen Einkünften gemäß § 49 EStG der deutschen Steuerpflicht.
Die Rechtsfolgen der beschränkten Steuerpflicht sind insbesondere:
- Kein Grundfreibetrag und daher höhere Steuerbelastung,
- Keine Anrechnung ausländischer Verluste und
- Keine Berücksichtigung von Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen.
Der § 2 des Außensteuergesetzes (AStG) regelt die erweiterte beschränkte Steuerpflicht für natürliche Personen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen. Demnach unterliegen Personen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Wegzug mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und
in einem ausländischen Gebiet mit niedriger Besteuerung ansässig sind oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig sind,
wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland haben,
bis zu zehn Jahre nach dem Wegzug einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht. Diese umfasst alle Einkünfte, die bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht als ausländische Einkünfte gelten würden.
Der wesentliche Unterschied zwischen der beschränkten und der erweiterten beschränkten Steuerpflicht liegt im Umfang der steuerlichen Erfassung: Während die beschränkte Steuerpflicht nur deutsche Einkünfte (§ 49 EStG) erfasst, dehnt die erweiterte beschränkte Steuerpflicht die Steuerpflicht auch auf bestimmte ausländische Einkünfte aus. Dies betrifft Personen, die in ein solg. Niedrigsteuerland ziehen, aber weiterhin enge wirtschaftliche oder persönliche Bindungen zu Deutschland haben. Damit soll eine steuerliche Flucht ins Ausland verhindert werden, indem Deutschland unter bestimmten Bedingungen noch bis zu 10 Jahre nach dem Wegzug das Besteuerungsrecht auf Auslandseinkünfte behält.
Eine niedrige Besteuerung liegt vor, wenn die Steuerbelastung im Ausland um mehr als ein Drittel geringer ist als die deutsche Einkommensteuer bei gleichem Einkommen. Alternativ kann eine erhebliche Vorzugsbesteuerung im Ausland gegeben sein. Es besteht jedoch die Möglichkeit, nachzuweisen, dass die insgesamt zu entrichtenden Steuern mindestens zwei Drittel der deutschen Einkommensteuer betragen würden, um der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zu entgehen.
Wie vermeidet man die erweiterte beschränkte Steuerpflicht?
Es gibt mehrere Maßnahmen, mit denen die die erweiterte beschränkte Steuerpflicht vermieden werden kann:
1. Die erweitert beschränkten Einkünfte sind geringer als 16.500 EUR (sog. Freigrenze)
2. Wegzug in ein Hochsteuerland (> 30% Steuerbelastung). Dies gilt z.B. für Länder wie Italien, Spanien oder die USA.
2. Gründung einer ausländischen Firma und dadurch Vermeidung direkter Einkünfte aus Deutschland
3. Keine Betriebsstätte in Deutschland unterhalten.
4. Keine engen persönlichen Bindungen zu Deutschland beibehalten (z. B. keine Familie oder Wohnung in Deutschland).
Vermeidung durch Doppelbesteuerungsabkommen
Ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und dem Land, in dem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder seine steuerliche Ansässigkeit hat, kann dazu führen, dass die erweiterte beschränkte Steuerpflicht in Deutschland nicht greift. Ein DBA regelt, welcher Staat das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte hat, um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden.
Beispiel:
Ein Deutscher mit Wohnsitz in Österreich erzielt Einkünfte aus der Vermietung einer deutschen Immobilie. Nach dem maßgeblichen DBA sind diese Einkünfte in Deutschland zu versteuern. Österreich als Wohnsitzstaat wird diese Einkünfte ebenfalls besteuern, jedoch wird die in Deutschland gezahlte Steuer durch Anrechnung oder Freistellung berücksichtigt, um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden.
2. Keine feste Betriebsstätte in Deutschland
Wenn eine im Ausland ansässige Person keine feste Betriebsstätte in Deutschland unterhält (z.B. ein Büro), entfällt die erweiterte beschränkte Steuerpflicht für Einkünfte, die aus der Tätigkeit eines Unternehmens stammen. Eine feste Betriebsstätte ist notwendig, um Einkünfte in Deutschland zu versteuern.
Beispiel:
Ein Unternehmen mit Sitz in Frankreich erzielt Einkünfte aus Geschäften, die ausschließlich außerhalb Deutschlands durchgeführt werden. Hat das Unternehmen keine feste Betriebsstätte in Deutschland, so fallen diese Einkünfte nicht unter die erweiterte beschränkte Steuerpflicht.
Freiberufler und die erweiterte beschränkte Steuerpflicht
Freiberufler wie Architekten, Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, aber in Deutschland tätig sind, können grundsätzlich auch unter die Regelungen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht fallen. Wenn diese Personen in Deutschland Einkünfte aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit erzielen, ist stets zu prüfen, ob diese Einkünfte in Deutschland oder um Wohnsitzland zu versteuern sind.
1. Feste Betriebsstätte
Für das deutsche Steuerrecht ist für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht das Vorhandensein einer festen Betriebsstätte in Deutschland maßgeblich. Wenn ein Freiberufler wie ein Architekt, Anwalt oder Arzt eine feste Betriebsstätte in Deutschland unterhält, etwa ein Büro oder eine Praxis, werden die Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit in Deutschland steuerpflichtig.
Beispiel:
Ein Architekt, der in Großbritannien lebt und regelmäßig Projekte in Deutschland betreut, wozu er ein Büro in Berlin unterhält, unterhält ein Büro in Deutschland. Alle Einkünfte, die er aus seiner Tätigkeit in Deutschland erzielt, unterliegen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht, auch wenn er seinen Wohnsitz in Großbritannien hat.
2. Keine feste Betriebsstätte in Deutschland
Anders verhält es sich, wenn der Architekt keine feste Betriebsstätte in Deutschland hat. Wenn ein Freiberufler mit Wohnsitz im Ausland in Deutschland nur vereinzelt tätig ist (z.B. durch Beratungen oder Gutachten) und keine feste Niederlassung unterhält, dann unterliegt er nur der beschränkten Steuerpflicht für die Einkünfte, die er tatsächlich aus Deutschland bezieht. Dies bedeutet, dass keine erweiterte Steuerpflicht greift.
Beispiel: Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Zypern
Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und Zypern regelt, in welchem Land Einkünfte von Personen mit Wohnsitz in einem der beiden Länder versteuert werden. Ziel des Abkommens ist es, eine doppelte Besteuerung der gleichen Einkünfte zu verhindern und festzulegen, welcher Staat das Besteuerungsrecht hat.
Beispiel:
Ein in Zypern ansässiger Steuerberater erzielt Einkünfte aus Beratungsleistungen, die er an ein deutsches Unternehmen erbringt. Da er in Zypern lebt und keine feste Betriebsstätte in Deutschland unterhält, regelt das DBA zwischen Deutschland und Zypern, dass diese Einkünfte ausschließlich in Zypern versteuert werden. In diesem Fall unterliegt der Steuerberater nicht der erweiterten beschränkten Steuerpflicht in Deutschland .
Nach dem DBA zwischen Deutschland und Zypern sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit (z.B. Beratung) grundsätzlich in dem Land zu versteuern, in dem der Steuerpflichtige seine Tätigkeit tatsächlich ausführt. In unserem Fall würde der Steuerberater seine Einkünfte nur in Zypern versteuern, solange er keine Betriebsstätte in Deutschland hat, die seine Einkünfte aus dieser Tätigkeit beeinflusst.
Alternative: Gründet der Steuerberater in Zypern ein Unternehmen - eine Limited (Kapitlagesellschaft) - und erbringt diese Auslandsfirma die Beratungsleistungen (und nicht der Freiberufler), unterliegen die daraus erzielten Einkünfte aus Deutschland dem Besteuerungsrecht Zyperns. Auch hier darf jedoch keine Betriebstätte in Deutschland bestehen.
Fazit
Um kostspielige Fehler im Zusammenhang mit der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zu vermeiden, ist eine sorgfältige und vorausschauende strategische Planung unerlässlich. Die komplexen steuerrechtlichen Regelungen erfordern fundierte Kenntnisse, insbesondere in Bezug auf Doppelbesteuerungsabkommen und internationale Steuerpflichten. Die Beratung durch einen im internationalen Steuerrecht spezialisierten Rechtsanwalt kann dabei helfen, Fallstricke frühzeitig zu erkennen und zu umgehen, wodurch teure finanzielle und rechtliche Konsequenzen vermieden werden können.
Rechtsanwalt Markus Mehlig ist seit 15 Jahren im Bank- und Kapitalmarktrecht sowie im internationalen Steuerrecht tätig und berät bundesweit Unternehmer, Selbständige und Freiberufler bei der steuerlich optimalen Gestaltung einer Auswanderung sowie bei der Gründung von Auslandsfirmen.
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel stellt lediglich allgemeine Informationen zur (erweiterten) beschränkten Steuerpflicht in Deutschland dar und ersetzt keine rechtliche oder steuerliche Beratung. Für spezifische steuerliche Fragen und individuelle Fälle wird empfohlen, einen spezialisierten Rechtsanwalt oder Steuerberater zu Rate zu ziehen.

Ein ungeplanter Wegzug aus Deutschland kann unerfreuliche steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wer rechtzeitig plant, kann den Schritt ins Ausland steuerlich optimal durchführen
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