Auszahlungsverbote an Gesellschafter in der Krise

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Es ist für den Nichtjuristen nicht einfach zu verstehen, was der Gesetzgeber alles geregelt hat, zum Schutz des Eigenkapitals der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Gesellschafter, der etwas entnimmt, obwohl es andere Gläubiger gibt, die nicht bei Fälligkeit bedient werden können,  läuft Gefahr alle Zahlungen zurückzahlen zu müssen.

Man sollte daher als Unternehmer wissen, was man machen kann und was nicht.


1) Gesetzliches Auszahlungsverbot: § 30 GmbHG

a) Gesetzliche Grundlage
§ 30 GmbHG verhindert Ausschüttungen an die Gesellschafter, sofern dadurch eine Unterbilanz entsteht oder eine bestehende Unterbilanz vergrößert werden würde.

b) Haftungsfolge
Wenn die Ausschüttung gleichwohl ausgeführt, müssen nach § 31 Abs. 1 GmbHG " Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, ... der Gesellschaft erstattet werden".
Der Erstattungsanspruch wird mit seinem Entstehen sofort fällig und kann dem Gesellschafter nicht erlassen werden. 


c) Adressat des Verbots
Was die verbotswidrige Auskehr zu Lasten des Stammkapitals betrifft (§ 30 GmbHG), so richtet sich das Verbot solcher Zuwendungen nicht nur an die Gesellschafter, sondern auch an den Geschäftsführer (§ 43 Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Die Gesellschafter dürfen nicht nehmen, und der Geschäftsführer darf nicht geben.

d) Ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB)

Solche Ansprüche bestehen, wenn die §§ 30 und 31 GmbHG nicht greifen.

e) Denkbar sind auch Schadensersatzanspruch der GmbH gegen den Zahlungsempfänger nach §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB wegen Treuepflichtverletzung.


2) Vertragliches Auszahlungsverbot: Rangrücktritt

Es besteht auch ein vertragliches Auszahlungsverbot durch einen erklärten Rangrücktritt.

a) Regelung
Ein Rangrücktrittserklärung erfolgt meist nicht vorausschauend oder nur vorsorglich, sondern weil die Gesellschaft ansonsten überschuldet wäre.

Ziel des Rangrücktritts ist es, eine Insolvenz zu vermeiden.

Der Rangrücktritt erfolgte in qualifizierter Form und enthält auch eine vorinsolvenzrechtliche Auszahlungssperre. vgl. dazu BGHZ 204, 231 = ZIP 2015, 638 m. Anm. Bitter/Heim

b) Rechtsfolgen
aa) Keine Darstellung in einem Überschuldungsstatus

Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

bb) Keine Fälligkeit
Eine Durchsetzungssperre hindert nach einer Ansicht die insolvenzrechtliche „Fälligkeit“ vgl. Prof. Dr. Georg Bitter, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Insolvenzrecht; Bitter/Rauhut, ZIP 2014, 1005 ff. (Fall Prokon) in Klarstellung zu BGHZ 173, 286 = ZIP 2007, 1666 und BGH ZIP 2010, 2055.


cc) Schuldänderungsvertrag
Eine qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung stellt einen Schuld- oder Schuldänderungsvertrag dar, Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. März 2015 – IX ZR 133/14: Gleiches entschied der BFH mit Urteil vom 19. August 2020, XI R 32/18:
Nach der Rechtsprechung des BGH bildet die nachträgliche Übereinkunft eines Rangrücktritts einen verfügenden Schuldänderungsvertrag i.S. des § 311 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wenn der Zweck einer Rangrücktrittsvereinbarung darin liegt, dass die betreffende Forderung zur Vermeidung einer Insolvenz nicht in der Überschuldungsbilanz erscheint (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 204, 231, DStR 2015, 767, Rz 32).

Damit wird der Forderung vereinbarungsgemäß eine nachrangige Stellung zugewiesen, die eine Befriedigung nur aus freiem, nicht zur Schuldendeckung benötigtem Vermögen der Gesellschaft gestattet. Die betreffende Verbindlichkeit bleibt rechtlich bestehen und wird nur in ihrem Rang verändert; der Rangrücktritt stellt damit keinen Forderungsverzicht dar, der Gläubiger bleibt Inhaber der Forderung.

dd) Auszahlung trotz Rangrücktritt:
Der Bundesfinanzhof entschied in BFH, Urteil vom 19. August 2020, XI R 32/18 zur Auszahlung trotz Rangrücktritts folgendes:

"Wird die mit einem Rangrücktritt versehene Forderung von dem Schuldner trotz Insolvenzreife beglichen, steht ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ein Rückforderungsanspruch gegen den Gläubiger zu (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 204, 231, DStR 2015, 767, Rz 33) und ein Insolvenzverwalter kann die Zahlung anfechten (BGH-Urteil in BGHZ 204, 231, DStR 2015, 767, Rz 46 ff.).

Fazit: Würde eine Auszahlung erfolgen trotz Rangrücktritt und eine Unterbilanz entstehen, bestünde ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung.

c) Darlegungs- und Beweislast

aa) Allgemeiner Grundsatz
Für die Darlegungslast gilt der Grundsatz, dass der Kläger als Anspruchsteller die den Anspruch begründenden Tatsachen und der Beklagte als Anspruchsgegner die rechtshemmenden, rechtsvernichtenden und rechtshindernden Tatsachen vorzutragen hat.

bb) Darlegungslast bei Rangrücktritt
In einer Entscheidung des Landgerichts Gera vom 31.07.2018, Az. 2 O 892/16 hat das Gericht allerdings die Auffassung vertreten, dass die Beweislast für die Auszahlungsmöglichkeit der Kläger (Gläubiger) trägt. Im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast muss der Kläger (Gläubiger) daher Tatsachen vortragen, die gegen eine Krise sprechen.

cc) Vergleichbarer Fall:
BGH, Urteil vom 12.05.2016 - Aktenzeichen IX ZR 65/14, DRsp Nr. 2016/10490 für Zahlungen auf Grund eines Sanierungskonzepts. 


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