Begehung von Straftaten im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit – Auswirkungen

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Mache ich mich strafbar, wenn ich betrunken eine Straftat begehe?


Eine elementare Voraussetzung dafür, dass eine Person für eine begangene Handlung bestraft werden kann, ist, dass sie zum Zeitpunkt der Tat schuldfähig war. 


„Schuld“ im strafrechtlichen Sinne ist die Verantwortung für die Folgen des eigenen normwidrigen Handels. Schuldfähigkeit setzt damit vereinfacht ausgedrückt die Fähigkeit voraus, getreu den Normen zu handeln. 


Wann ist man schuldunfähig?

Einerseits kann das Fehlen der Schuldfähigkeit sich aus dem Alter des Täters ergeben (§ 19 StGB). 

Zum anderen aus der mangelnden Fähigkeit, das Unrecht der begangenen Tat einzusehen oder trotz Einsicht des Unrechts, sich entsprechend zu verhalten (§ 20 StGB). Diese mangelnde Fähigkeit muss auf der psychischen Verfassung des Beschuldigten beruhen, die eine Beeinträchtigung aufweist. Dies können beispielsweise bipolare Störungen, posttraumatische Belastungsstörungen oder Schizophrenie sein. 


Wann ist man vermindert schuldunfähig?

Außerdem kann auch die sogenannte „verminderte Schuldfähigkeit“ nach § 21 StGB vorliegen. Es wird dabei von einer „erheblich verminderten“ Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit wegen einer psychischen Beeinträchtigung ausgegangen. Diese sind aber nicht – wie bei der Schuldunfähigkeit – vollständig aufgehoben.


In diesem Fall handelt der Täter dennoch schuldhaft und muss entsprechende rechtliche Konsequenzen tragen. Jedoch besteht die Möglichkeit, dass die Strafe geringer ausfällt, als der Strafrahmen des verwirklichten Straftatbestandes dies vorsieht. Wichtig: Zwingend ist eine solche Milderung der Strafe für das entscheidende Gericht nicht. Gerade hier kann aber ein Ansatz effektiver Strafverteidigung liegen.


Die vorgesehene Mindest- oder Höchststrafe kann sich deutlich verringern.

Beispielsfälle können akute Alkoholvergiftungen, Spielsüchte oder Persönlichkeitsstörungen sein


In welchem Verhältnis stehen Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit zueinander?

Die Grenzen zwischen der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB und der verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB sind oftmals nicht eindeutig zu ziehen. Die Voraussetzungen beider Vorschriften unterscheiden sich nur unwesentlich. 


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss (Beschluss vom 19. September 2023 – 3 StR 229/23 (LG Halle)) klargestellt, in welchem Verhältnis die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Zusammenhang mit den §§ 20, 21 StGB zueinanderstehen.  


Ist die Unrechtseinsicht eingeschränkt oder vollständig aufgehoben?

Das Gericht prüft zunächst, ob der Täter zum Tatzeitpunkt an einer psychischen Beeinträchtigung litt, wodurch er in der Einsichtsfähigkeit eingeschränkt oder diese vollständig aufgehoben war. 

In beiden Fällen muss im Tatzeitpunkt die Einsicht Unrecht zu tun gefehlt haben. 


Auch bei einer erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit muss sich dies also auf eine fehlende Unrechtseinsicht der konkreten Tat ausgewirkt haben. Nicht ausreichend ist, dass eine Störung vorliegt, welche die Einsichtsfähigkeit einschränkt, wenn im Tatzeitpunkt dennoch die Einsicht gegeben ist, Unrecht zu tun. Der § 21 StGB findet dann keine Anwendung. 


Die fehlende bzw. erheblich verminderte Fähigkeit, entsprechend der Unrechtseinsicht zu handeln

Hat der Täter das Unrecht eingesehen und dennoch gehandelt, wird von dem Gericht festgestellt, ob das Verhalten auch gemäß der Einsicht gesteuert werden konnte. Die Tatvariante kommt gar nicht in Betracht, wenn das Unrecht der Tat nicht erfasst wurde.  


Für die fehlende Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob der Täter fähig war, auf Grund der Unrechtseinsicht den Reizen der Tatbegehung zu widerstehen. 

Die verminderte Steuerungsfähigkeit liegt vor, wenn der Täter im Vergleich zu einer durchschnittlichen Person weniger gehemmt war die Tat zu begehen, beziehungsweise geringeren Widerstand leisten konnte


Welche Relevanz hat die Unterscheidung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit?

Das Gericht muss feststellen, ob die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit betroffen war, es darf nicht offengelassen werden, welche der beiden Varianten einschlägig ist. Grund dafür ist, dass beide Varianten sich gegenseitig ausschließen, da die Unrechtseinsicht Voraussetzung dafür ist, dass das Verhalten überhaupt daran angepasst gesteuert werden kann. 

Die Unterscheidung wird dann relevant, um zwischen der Schuldunfähigkeit und verminderten Schuldfähigkeit zu differenzieren, welche von erheblicher Bedeutung ist, da man bei verminderter Schuldfähigkeit zu einer (möglicherweise geringeren) Strafe verurteilt wird; bei Schuldunfähigkeit hingegen nicht.


Beachten Sie aber: Nur weil jemand bei Begehung einer Straftat schuldunfähig ist und nicht bestraft werden kann, bedeutet das nicht, dass das Verhalten, das Geschehen, ohne Konsequenzen bleibt. In Betracht kommt dann zum Beispiel die Anordnung sogenannter Maßregeln der Besserung und Sicherung, wie die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt (Letzteres wohl insbesondere, wenn die Schuldunfähigkeit auf einem Hang beruht, Alkohol in übermäßigen Mengen zu sich zu nehmen).


Insbesondere da das Thema der Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit so schwer greifbar sein kann, dennoch aber von so elementarer Bedeutung für die Bestrafung und Anordnung von Maßnahmen gegenüber den Beschuldigten ist, ist bei entsprechendem Anlass die Frage nach der Schuldfähigkeit ein wesentlicher Bestandteil der Verteidigung. Es gilt, sich fundiert auch mit den in derartigen Fällen regelmäßig hinzugezogenen Sachverständigen auseinanderzusetzen. Aufgrund der Komplexität dieser Thematik und der Bedeutung solcher Fragen empfiehlt es sich, sich an einen spezialisierten und erfahrenen Fachanwalt für Strafrecht als Strafverteidiger zu wenden.


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