Benachteiligungsverbot bei Betriebsratsmitgliedern

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Arbeitgeber dürfen Betriebsratsmitglieder aufgrund ihres Amtes nicht benachteiligen. Das ist in § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gesetzlich bestimmt. Doch was heißt das genau? Was muss ein Betriebsratsmitglied vortragen, damit es eine Benachteiligung durch den Arbeitgeber vor Gericht beweisen kann?

Mit dieser Frage setzte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) auseinander (BAG, Urteil v. 20.01.2021, Az.: 7 AZR 52/20).

Benachteiligung wegen Freistellung von Arbeitsleistung?

Der Kläger war freigestellter Betriebsratsvorsitzender in einem Krankenhaus, in dem er früher als Pflegedienstleiter und Stationsleiter beschäftigt war. Er stritt mit seinem Arbeitgeber über einen Anspruch auf Vergütung als Pflegedirektor. Diesen Anspruch habe er, weil er bei der Besetzung dieser Position wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht zum Zuge gekommen sei. Das sei eine Benachteiligung wegen seiner Betriebsratstätigkeit.  

Der Arbeitgeber hatte intern die Stelle des Pflegedirektors ausgeschrieben, der spätere Kläger hatte sich auf diese Stelle beworben. Einzige Mitbewerberin war eine Stationsleiterin. Mit beiden fand ein Vorstellungsgespräch statt. Bzgl. des Klägers notierte der arbeitgeberseitige Gesprächspartner u.a.: „keine aktuelle Pflegeerfahrung aktiv“. Bzgl. der Mitbewerberin hieß es: „Erfahrung in der direkten Pflege und der Stationsleitung sehr ausgeprägt“. Der Arbeitgeber traf die Auswahlentscheidung zugunsten der Mitbewerberin.

Daraufhin erhob der Betriebsratsvorsitzende Klage. Er habe die Stelle nur aufgrund seiner Amtsstellung im Betriebsrat nicht bekommen. Der Arbeitgeber habe allein darauf abgestellt, dass ihm die aktuelle Pflegeerfahrung fehle. Diese fehle ihm aber nur aufgrund der Freistellung als Betriebsratsmitglied. Das sei eine Benachteiligung aufgrund seiner Betriebsratsstellung, denn ohne die Freistellung hätte er Erfahrungen in der aktiven Pflege sammeln können und die Stelle bekommen. Der Arbeitgeber bestritt eine Benachteiligung. Der Mitarbeiter könne nicht hinreichend substantiiert darlegen, dass er ohne seine Betriebsratstätigkeit die Stelle als Pflegedirektor bekommen hätte.

Das Arbeitsgericht (ArbG) gab dem Arbeitgeber Recht und wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hob das erstinstanzliche Urteil auf und gab dem Kläger Recht: der Kläger habe ausreichend dargelegt, dass seine Beförderung ohne das Betriebsratsamt „möglich und wahrscheinlich“ gewesen wäre. Diese Entscheidung wollte der Arbeitgeber nicht akzeptieren und erhob Revision vor dem BAG.

Wahrscheinliche Benachteiligung reicht nicht!

Das BAG folgte der Auffassung des Arbeitgebers und gab ihm im Revisionsverfahren Recht.

Eine Benachteiligung nach § 78 Satz 2 BetrVG kann grundsätzlich vorliegen, wenn der Arbeitgeber eine Beförderung des Betriebsratsmitglieds wegen Fehlen von aktuellem Fachwissen ablehnt und das Fehlen des Fachwissens seine Ursache in der Freistellung für die Betriebsratstätigkeit hat. Das war aber nach Auffassung der Richter im konkreten Fall nicht überzeugend genug dargelegt.

Um von einer Benachteiligung nach § 78 Satz 2 BetrVG ausgehen zu können, sei es nicht ausreichend, wenn der Vortrag des Betriebsratsmitgliedes ergibt, dass die Beförderung ohne das Betriebsratsamt „möglich und wahrscheinlich“ ist. Es müsse überzeugend vorgetragen werden, dass die behauptete berufliche Entwicklung ohne das Betriebsratsamt tatsächlich eingetreten wäre. Dafür sei es notwendig, dass vorgetragen wird, dass die Ablehnung für die Stelle wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgte.

Der Arbeitgeber muss sich dann dazu wahrheitsgemäß erklären und seine Motive für die Auswahlentscheidung so konkret benennen, dass sich das Betriebsratsmitglied dazu qualifiziert äußern kann. Das Gericht muss dann aufgrund der festgestellten Tatsachen zu der Überzeugung kommen, dass das Betriebsratsmitglied ohne das Betriebsratsamt auf der „besseren“ Stelle tatsächlich eingestellt worden wäre. Die bloße Möglichkeit bzw. „konkrete Chance“ einer beruflichen Entwicklung genüge nicht, um von einer Benachteiligung „wegen der Betriebsratstätigkeit“ auszugehen, wenn die berufliche Entwicklung nicht stattfindet.

Tatsächliche Benachteiligung des Betriebsrats darzulegen

Nicht jede theoretisch mögliche Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern wegen ihrer Betriebsratstätigkeit ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 78 Satz 2 BetrVG. Eine solche unzulässige Benachteiligung ist nur anzunehmen, wenn das Gericht überzeugt ist, dass tatsächlich eine Benachteiligung wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit vorlag.

Und exakt das müssen Betriebsratsmitglieder dann beweisen bzw. überzeugend darlegen (Darlegungs- und Beweislast). Gelingt das nicht, kann eine Klage erfolglos sein, auch wenn es de facto zu einer Benachteiligung gekommen ist.

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