Wohnung im Ärztehaus – nicht ohne Änderung der Teilungserklärung (BGH, 23.03.2018 - V ZR 307/16)

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Wohnraum ist knapp und teuer, jedenfalls in den Großstädten und im Umland.

Die Ideen, wie man das ändern könnte, sind vielfältig. Aktuell wird gerade in Hamburg favorisiert, über Gewerbegebäuden, wie z. B. Supermärkten, Wohnungen zu errichten. Auch die Nutzung leer stehender Gewerbeflächen als Wohnraum, bzw. der Umbau zu Wohnraum, ist immer wieder im Gespräch.

Solche Überlegungen können aber sehr schnell an ihre Grenzen stoßen, wenn es um Gebäude geht, die nach dem WEG in Sondereigentum aufgeteilt sind, also sog. „Wohnungseigentümergemeinschaften“. Dabei ist der Begriff der „Wohnungseigentümergemeinschaft“ ein wenig irreführend, denn es muss sich nicht immer um Wohnungen handeln. Das WEG kennt das Wohnungseigentum und das Teileigentum. Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an Wohnungen, Teileigentum ist das Sondereigentum an Räumen, die nicht zu Wohnzwecken dienen. In der Regel definiert die Teilungserklärung, wie dieses Teileigentum genutzt werden darf. Die Teilungserklärung beschreibt diese Räume dann z. B. als Gewerbefläche, Büroräume, Ladenfläche oder ähnliches. Aber auch im normalen Wohnhaus finden sich solche Teileigentumsflächen, z. B. als „Keller“ bezeichnet oder als „Hobbyraum“; jede Tiefgarage stellt ein Teileigentum dar.

Diese Beschreibungen in der Teilungserklärung stellen nach der Rechtsprechung sog. Zweckbestimmungen dar, von denen bei der Nutzung nicht abgewichen werden darf. Ein klassischer Streit in Wohnungseigentümergemeinschaften geht denn oftmals darum, wie eine Wohnung genutzt werden darf. Ist die Nutzung einer Wohnung z. B. für die Betreuung von Kindern noch zulässige Wohnnutzung? Oder wie sieht es mit dem Betrieb eines Architekturbüros oder z. B. einer Arztpraxis in einer Wohnung aus? In der Regel geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Betrieb einer Arztpraxis in einer Wohnung zulässig sein soll, sofern keine unzumutbaren Belastungen z. B. durch den gesteigerten Publikumsverkehr entstehen. Eine Tierarztpraxis soll von vornherein ausscheiden.

Der Bundesgerichtshof hatte nun kürzlich einen Fall zu entscheiden, der genau anders herum gelagert war (BGH, Urteil vom 23.03.2018 – V ZR 307/16): Es ging darum, ob Einheiten in einem Ärztehaus auch zu Wohnzwecken genutzt werden durften. Nach der Teilungserklärung diente das aus sieben Einheiten bestehende Gebäude „zur beruflichen und gewerblichen Nutzung“. Konkret fand sich die Aussage, die Einheiten dürften ausdrücklich beruflich oder gewerblich, insbesondere auch als Apotheke oder Arztpraxis genutzt werden. So war es denn auch, sechs Einheiten wurden als Arztpraxen genutzt, eine Einheit als Apotheke. Irgendwann wanderten die Praxen aber ab, zuletzt befanden sich nur noch drei Praxen dort, das Büro einer Tierschutzhilfe und eine Schülernachhilfe. Ein Eigentümer baute seine Einheit also um und vermietete sie als Wohnung. Das störte zumindest einen seiner Miteigentümer und er wurde auf Unterlassung der Wohnungsnutzung verklagt.

Mit Erfolg, der Eigentümer wurde verurteilt, die Wohnungsnutzung zu unterlassen. Insoweit war zu berücksichtigen, dass die Anlage ausschließlich aus Teileigentumseinheiten bestand und das gesamte Gebäude beruflichen und gewerblichen Zwecken diente. Der BGH führte in seiner Entscheidung aus, die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken sei jedenfalls in einem ausschließlich beruflichen und gewerblichen Zwecken dienenden Gebäude bei typisierender Betrachtung regelmäßig schon deshalb störender als die vorgesehene Nutzung, weil eine Wohnnutzung mit typischen Wohnimmissionen (wie Küchengerüchen, Freizeit- und Kinderlärm oder Musik) sowie einem anderen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums (etwa im Flur herumstehenden Gegenständen) einhergehe. 

Darüber hinaus erfolge die Nutzung zu anderen Zeiten – nämlich ganztägig und auch am Wochenende. Daher komme es auch nicht darauf an, dass bei privaten Wohnungen ein geringerer Besucherandrang als bei einer gewerblich genutzten Einheit zu verzeichnen sei. Die Teileigentümer hätten ein berechtigtes Interesse daran, dass der professionelle Charakter einer derartigen Anlage erhalten bleibt, um Konflikte, die durch eine in der Teilungserklärung nicht angelegte gemischte Nutzung hervorgerufen werden können, von vornherein zu vermeiden. Die Nutzungsmöglichkeiten der Teileigentümer würden zwar einerseits beschränkt, sie dürften aber andererseits grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich auch die anderen Teileigentümer an die vereinbarten Zweckbestimmungen halten.

Dass diese Überlegungen aber vielleicht in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BGH stehen, hat der BGH selbst erkannt, denn erst im Oktober 2017 hatte der BGH entschieden, dass ein einer Teileigentumseinheit eine Nutzung als Flüchtlingsunterkunft zulässig sei. Hier würden zwar auch den ganzen Tag Menschen ein und ausgehen, so der BGH, das sei aber eben keine Wohnungsnutzung.

Nun ja, die Rechtsprechung folgt manchmal halt ganz formalen Kriterien, die nicht immer leicht zu verstehen sind.

Auch im vorstehenden Fall hätte der Eigentümer übrigens unter Umständen eine Änderung der Teilungserklärung verlangen können. Diese ist nach § 10 Abs. 2 WEG möglich, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Wann das genau der Fall ist, ist immer eine Einzelfallprüfung.

Die Entscheidung zeigt aber, dass es aus wohnungseigentumsrechtlicher Sicht gar nicht immer so einfach ist, gewerbliche Flächen zu Wohnraum umzubauen oder umzuwidmen. Der BGH hat übrigens ausdrücklich offen gelassen, wie er entscheiden würde, wenn es sich um eine gemischte Anlage mit Wohnungen und Teileigentumseinheiten gehandelt hätte. Und da schließt sich der Kreis zur Einleitung: Dürfte sich der Eigentümer einer Wohnung über einem Supermarkt darauf verlassen, dass unter ihm immer eine Gewerbeeinheit bliebe, oder müsste er sich damit abfinden, wenn diese eines Tages auch zu Wohnraum umgebaut würde? Warten wir es ab.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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