BGH, Urteil vom 24.01.2023, Az. XI ZR 257/21

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Kündigung und Berechnung von Prämiensparverträgen durch die Bank


Prämiensparverträge waren Jahrzehnte sowohl für den Verbraucher als auch für die Banken ein attraktives Geschäft. Je nach Kreditinstitut haben die Prämiensparverträge unterschiedliche Namen, z.B. Prämiensparen flexibel, VorsorgePlus, Vorsorge-Ansparplan, Scala, Topsparplan Bonus, Bonusplan, Jahrtausend-Sparvertrag, ZielSparen, Ziel-Sparplan, Zuwachssparen, usw.


Bei einem Prämiensparvertrag erhält der Verbraucher auf seine Sparbeiträge nicht nur Zinsen, sondern auch eine jährliche Prämie, die mit der Laufzeit steigt, und den Kreditinstituten stehen langfristig Gelder zur Verfügung. Mit der andauernden Niedrigzinsphase sind diese Verträge für die Banken unattraktiv geworden, was die Kündigung vieler unliebsam gewordener Prämiensparverträgen zur Folge hatte und hat. Vielfach wird hier auf die Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verwiesen.


Unabhängig von 1. der Frage der Wirksamkeit einer Kündigung stellt sich 2. die Frage, ob die jeweils gutgeschriebenen Zinsen richtig berechnet wurden.


1. Un-/Wirksamkeit der Kündigung ?


Zur ordentlichen Kündigung muss zunächst ein Recht zur Kündigung bestehen.


Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18, im Einklang mit dem Urteil des Oberlandesgericht Dresden vom 21.11.2019, Az. 8 U 1770/18, die Auffassung vertreten, dass sich ein Kündigungsrecht des Kreditinstituts jedenfalls aus § 696 BGB, ergibt, und zwar unabhängig davon, ob eine entsprechende vertragliche Regelung wirksam oder ein solches Recht überhaupt vertraglich vorgesehen ist. Ob diese nationalen Rechtsprechung einer europäischen Überprüfung standhalten wird, ist fraglich.


Wenn man nun mit der derzeitigen nationalen Rechtsprechung von einem Kündigungsrecht der Bank ausgeht, stellt sich die Frage, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung seitens der Bank ausgesprochen werden darf.


Zu welchem Zeitpunkt die Bank kündigen darf, richtet sich danach, welche vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich der Laufzeit getroffen wurden.


  • Der Prämiensparvertrag sieht eine feste Laufzeit vor

Sieht der Prämiensparvertrag eine feste Laufzeit vor (Achtung: hiervon zu unterscheiden sind Formulierungen wie „max. 30 Jahre“, hierzu weiter unten), so muss sich das Kreditinstitut an die vereinbarte Laufzeit halten.


  • Der Prämiensparvertrag sieht keine feste Laufzeit vor, aber eine Prämienstaffelung

 Der Bundesgerichtshof hat am 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18, entschieden, dass bei einem                   Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, ein Recht zur ordentlichen Kündigung, jedenfalls bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen ist.

Anders gesagt: Kreditinstituten steht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ein ordentliches Kündigungsrecht zu, wenn der Prämiensparvertrag keine feste Laufzeit vorsieht und darüber hinaus auch die höchste Prämienstufe bereits erreicht wurde.

Einen Sonderfall stellen Verträge dar, die keine feste Laufzeit und eine Prämienstaffelung enthalten, die über das Jahr der höchsten Prämie noch Folgejahre nennt, in denen die höchste Prämie gezahlt werden soll.


Beispiel: Die Prämienstaffelung sieht ab dem dritten Sparjahr eine jährlich steigende Prämie vor. Im 15. Sparjahr ist die höchste Prämienstufe erreicht. Über das 15. Sparjahr werden noch explizit Folgejahre genannt, in denen die höchste Prämienstufe auch gelten soll.


Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg, Urteil vom 29.03.2022, Az. 14 U 3259/20, ist das ordentliche Kündigungsrecht der Kreditinstitute für die Dauer sämtlicher im Vertrag expliziert genannter Sparjahre ausgeschlossen.

Ob dieses Ergebnis einer höchstrichterlichen Überprüfung standhalten wird, ist fraglich, da der Bundesgerichtshof in einem Hinweisbeschluss vom 18.01.2022, Az. XI ZR 104/21, wie folgt ausgeführt hat:


Nach dem Inhalt der Vertragsurkunde hat die Beklagte die Zahlung einer bis zum 15. Sparjahr prozentual ansteigenden und danach prozentual gleichbleibenden Sparprämie versprochen. Einen umfassenden Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung des Sparvertrags lässt sich den Vertragsunterlagen dagegen nicht entnehmen. Mit der Angabe zur Vertragsdauer von "max. 25 Jahre" ist was sich bereits aus dem Wortlaut ergibt keine Mindestvertragslaufzeit vereinbart worden.“


Das der Entscheidung des BGH zugrundeliegende Vertragsformular bildete im Rahmen der Prämienstaffelung allerdings nur die Jahre bis zum Erreichen der höchsten Sparjahr ab – also bis zum 15. Jahr -, die Folgejahre wurden nicht ausdrücklich genannt, im Vertag wurde weiter die Formulierung „max. 25 Jahre“ verwandt. Insofern waren die dem OLG Nürnberg und die dem Bundesgerichtshof zugrundeliegenden Vertragsformulare nicht identisch.


  • Der Prämiensparvertrag enthält hinsichtlich der Dauer auslegungsbedürftige Formulierungen

Einige Verträge nennen lediglich Höchstfristen und enthalten Formulierungen wie beispielsweise „flexibel gestaltbar bis maximal 25 Jahre“.

Die derzeitige höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt in diesen Fällen an, dass durch die Verwendung des Wortes „maximal“ deutlich wird, dass der Vertrag auch weniger als 25 Jahre laufen kann und keine bestimmte Laufzeit vereinbart wurde, es sich bei der Formulierung also nur um eine Höchstfrist und nicht um eine Mindestvertragslaufzeit handelt, vgl. Bundesgerichtshof, Hinweisbeschluss vom 18.01.2022, Az. XI ZR 104/21.



2. Wurden die gutgeschriebenen Zinsen zutreffend berechnet bzw. bestehen darüber hinaus  Ansprüche?


In der Regel enthalten Prämiensparverträge Zinsanpassungsklauseln. Diese lauten beispielsweise wie folgt:  


„Das Kreditinstitut zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z. Zt. … %, am Ende eines Sparjahres eine verzinsliche Prämie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel…“


oder


Die Spareinlage wird variabel z.Zt. mit ..% p.a. verzinst“.


Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass solche Formulierungen in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sind, da sie nicht das „erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen“ aufweisen, sondern es den Banken erlauben, den Zins nach eigenem Ermessen „anzupassen“ mit der Folge, dass der Kunde zu geringe Zinsen gutgeschrieben bekommt, vgl. beispielsweise Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.10.2021, Az. XI ZR 234/20.


Der Bundesgerichtshof stellte in dieser Entscheidung auch klar, dass bei Prämiensparverträgen, bei denen die Prämien auf die Sparverträge stufenweise bis zum x-ten Sparjahr (dort waren es 15 Sparjahre) steigen, „im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung für die vorzunehmenden Zinsanpassungen allein ein Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen und eine Zinsanpassung nach der Verhältnismethode“ ausschlaggebend ist. Der Bundesgerichtshof äußerte weiter, dass der als Referenzzinssatz heranzuziehende Marktzinssatz oder die als Referenz heranzuziehende Umlaufrendite „mit sachverständiger Hilfe zu bestimmen“ ist und hierbei berücksichtigt werden muss, dass es sich bei Prämiensparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt.


Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof jüngst mit seinem Urteil vom 24.03.2023, Az. XI ZR 257/21, verfestigt. Da dem Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz alleine eine rechtliche Überprüfung der Angelegenheit zusteht und er keine Tatsachen feststellt, hat er das dortige Verfahren an das vorangegangene Oberlandesgericht Dresden zur Feststellung weiterer Tatsachen  zurückverwiesen.


Das Oberlandesgericht Dresden sprach in seinem Urteil vom 13.04.2022, Az. 5 U 1973/20, dem dortigen Kläger nach Einholung eines Sachverständigengutachtens neben der ursprünglich vorgenommenen Abrechnung der dort beklagten Bank weitergehende Ansprüche von 6.209,43 € brutto zu.


Das Oberlandesgericht Dresden vertrat die Auffassung, dass „am ehesten als Referenzzinssatz die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinsreihe der Ist-Zinssätze des Kapitalmarktes für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8 bis 15-jähriger Restlaufzeit, Monatswerte“, zugrunde zu legen sei.


Viele Verbraucherschützer sehen dies anders und vertreten die Ansicht, dass dieses Ergebnis „immer noch nicht“ sach- und interessengerecht sei. So soll statt der oben genannten Zinsreihe die Zinsreihe für Hypothekenpfandbriefe von über 9 bis 10-jähriger Restlaufzeit und statt Monatswerten gleitende Durchschnitte maßgeblich sein. Am 15.02.2023 hat das Oberlandesgericht Bamberg in dem Verfahren 8 U 4/21 wiederum völlig andere Werte zur Berechnung des Referenzzinssatzes zugrunde gelegt und hierbei nicht Kapitalmarktzins-, sondern Spareinlagenzinsreihen zur Berechnung herangezogen. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, welcher Referenzzinssatz einer Berechnung zugrunde zu legen ist, steht nach wie vor aus.


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