BGH verschärft Haftung: Immobilienverkäufer müssen über Sanierungspflicht rechtzeitig aufklären!

  • 4 Minuten Lesezeit

von Dr. Christian Ruso*


Einleitung: 

Beim Kauf einer Immobilie ist es wichtig zu wissen, welche Kosten auf den Käufer zukommen. Doch wie weit gehen die Aufklärungspflichten des Verkäufers? Ein Urteil des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage geht nach Ansicht von Experten weit über den konkreten Fall hinaus.


Zum Hintergrund:

Im vorliegenden Fall hatte ein Unternehmen mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex in Hannover gekauft. Der Kaufpreis betrug mehr als 1,5 Millionen Euro. Das Unternehmen fühlte sich arglistig getäuscht, weil es erst nach Vertragsabschluss von hohen Instandhaltungskosten für das Gemeinschaftseigentum erfuhr. Die Verkäuferin hatte das Protokoll einer wichtigen Eigentümerversammlung erst drei Tage vor Vertragsabschluss in einen digitalen Datenraum eingestellt. Die Klägerin sah darin eine Verheimlichung.


Entscheidung des BGH: 

Der unter anderem für Grundstückskaufverträge zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Verkäufer eines bebauten Grundstücks, der dem Käufer Zugang zu einem Datenraum mit Unterlagen und Informationen über die Immobilie gewährt, hierdurch seine Aufklärungspflicht nur erfüllt, wenn und soweit er nach den Umständen die berechtigte Erwartung haben darf, der Käufer werde durch die Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen. Im konkreten Fall bejahte der BGH eine Aufklärungspflicht des Verkäufers über die drohende Sanierungspflicht. Die Verkäuferin haftete wegen der unterlassenen Aufklärung aus Verschulden bei Vertragsschluss.

Die Entscheidung des Gerichts hat weitreichende Bedeutung nicht nur für künftige Immobilienverkäufe, sondern insbesondere auch für den gesamten Markt der Unternehmens (teil)-verkäufe (M&A).


Aufklärungspflichten des Verkäufers: 

Die Aufklärungspflichten des Verkäufers hängen vom Einzelfall ab. Es kommt darauf an, wie der Datenraum strukturiert und organisiert ist, welche Vereinbarungen getroffen wurden und wie wichtig die Information ist. Die Entscheidung des BGH zeigt, dass der Blick auf den Käuferhorizont wichtiger ist als bisher angenommen.


Empfehlungen für Verkäufer: 

Verkäufer sind nach diesem Urteil dringend gehalten, relevante Informationen zu dokumentieren, um mögliche Schadensersatzansprüche zu vermeiden. Der Hinweis auf kaufrelevante Umstände und die Vereinbarung eines Cut-Off-Datums, ab dem keine Dokumente mehr in den Datenraum eingestellt werden, sollten in keinem Kaufvertrag fehlen.


Checkliste für Immobilien Verkäufer zur Vermeidung einer Haftung wegen unvollständiger Informationen

In Zukunft wird es noch wichtiger werden, Kaufvertragsverhandlungen sorgfältig vorzubereiten. Die folgende Checkliste kann dabei hilfreich sein:

  1. Sorgfältige Vorbereitung der Due Diligence: Führen Sie eine gründliche Prüfung der Immobilie durch, um alle relevanten Informationen zu sammeln. Dies kann den Zustand der Immobilie, mögliche Mängel, anstehende Renovierungen oder andere wichtige Fakten umfassen.
  2. Offenlegungspflichten erfüllen: Informieren Sie potenzielle Käufer über alle relevanten Fakten und Umstände, die für ihre Kaufentscheidung von Bedeutung sein könnten. Dies können z.B. anstehende Sanierungskosten, Mängel oder andere finanzielle Verpflichtungen sein.
  3. Dokumentation: Halten Sie alle Mitteilungen und Offenlegungen schriftlich fest, um einen eindeutigen Nachweis zu haben. Dies kann helfen, mögliche Schadenersatzforderungen zu vermeiden.
  4. Strukturierung des Datenraums: Wenn Sie einen virtuellen Datenraum für die Bereitstellung von Unterlagen nutzen, stellen Sie sicher, dass dieser gut strukturiert und organisiert ist. Vereinbaren Sie klare Regeln für den Zugang und die Aktualisierung der Informationen.
  5. Heben Sie wichtige Informationen hervor: Wenn bestimmte Informationen besonders wichtig sind, heben Sie diese hervor und stellen Sie sicher, dass potenzielle Käufer darauf aufmerksam gemacht werden. Dokumentieren Sie diese Hervorhebungen, um mögliche Schadenersatzforderungen zu vermeiden.
  6. Legen sie ein Cut-off-Datum fest: Vereinbaren Sie einen Stichtag, ab dem keine weiteren Dokumente in den Datenraum eingestellt werden. So vermeiden Sie Missverständnisse und stellen sicher, dass potenzielle Käufer alle relevanten Informationen rechtzeitig erhalten.
  7. Besichtigungen und Gutachten: Berücksichtigen Sie Besichtigungen und Gutachten, um mögliche Mängel oder Probleme aufzudecken. Stellen Sie sicher, dass potenzielle Käufer ausreichend Gelegenheit haben, diese Informationen zu prüfen.
  8. Rechtliche Beratung: Konsultieren Sie einen Rechtsanwalt oder Immobilienexperten, um sicherzustellen, dass Sie alle rechtlichen Anforderungen erfüllen und Ihre Haftung minimieren.


Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. September 2023 - V ZR 77/22


* Rechtsanwalt Dr. Christian Ruso ist Partner der Kanzlei LFR Wirtschaftsanwälte München und Fachanwalt für Steuerrecht. Er berät regelmäßig Unternehmen bei großen Immobilientransaktionen.


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