Bußgeld und Fahrverbot bei Geschwindigkeitsverstoß im standardisierten Messverfahren
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Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist der Ansicht, dass bei der Anwendung des Geschwindigkeitmessverfahrens Poliscan der „Smeareffekt“ ausreichend ist, soweit das Gericht sachverständig beraten ist (vgl. OLG Karlsruhe vom 29.07.2014). Als Smeareffekt bezeichnet man bei digitalen Kameras weiße Streifen im Bild, die bei besonders hellen Lichtquellen im Bildbereich auftreten.
Was ist ein standardisieretes Meßverfahren?
Das Messgerät PoliscanSpeed zählt zu den standardisierten Messverfahren.
Nach der Definition des Bundesgerichtshofs muss das Messergebnis mit anerkannten Geräten in einem weithin standardisierten, tagtäglich praktizierten Verfahren gewonnen werden (vgl. Beschluss des BGH vom 19.8.1993- 4 StR 627/92). Die Messung muss hierbei nicht vollautomatisiert ohne die Möglichkeit eines menschlichen Handhabungsfehlers stattfinden. Es muss sich nur um ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren handeln, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Verlauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (vgl. Beschluss vom 19.08.1993).
Eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer ist beispielsweise kein standardisiertes Messverfahren.
Gegenauffassung zu OLG Karlsruhe
Einzelne Amtsgerichte, wie das AG Friedberg oder das AG Emmendingen sind dagegen der Ansicht, dass die Messung aufgrund des Alters der Messgerätesoftware (Poliscan 1.5.5) mit einer neuen Auswertesoftware nur zu 80 % fehlerfrei ist und für die Verhängung eines Bußgelds nicht ausreichend ist (AG Friedberg, Urteil vom 11.08.2014, Az 45a OWi 205 Js 16236/14). Das AG Emmendingen hat sich im Urteil vom 13.11.2014 ausführlich mit den Schwächen des Meßgeräts auseinandergesetzt. Mehrere Betroffene wurden freigesprochen und viele Verfahren ausgesetzt.
Das OLG Karlsruhe vertritt dagegen die Auffassung, dass sich ein Anhaltspunkt für eine Fehlmessung dann nicht ergibt, wenn die Diskrepanz zwischen dem Messergebnis und dem Wert, der sich bei einer Berechnung auf der Grundlage der Zusatzdaten ergibt, innerhalb der Eichfehlergrenze liegt.
Somit gilt für das OLG Karlsruhe:
Eine nähere Überprüfung des mit PoliScan Speed - bei Einhaltung der vorgeschriebenen Bedienungsweise - ermittelten Messwerts ist nur geboten, wenn sich im konkreten Fall Anhaltspunkte für eine Fehlmessung ergeben.
Gilt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ ?
Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Amtsgericht Emmendingen den Betroffenen aus tatsächlichen Gründen frei, weil es das mit einem Messgerät des Typs PoliScan Speed gewonnene Geschwindigkeitsmessergebnis unter Anwendung des Zweifelssatzes für unverwertbar hielt. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ kommt erst nach abschließender Beweiswürdigung zum Zuge, wenn das Gericht alle Mittel der Sachaufklärung erschöpft hat, um zu eindeutigen Feststellungen zu gelangen (BGH StraFo 2005, 397; NStZ 2006, 650). Dann muss sich nach umfassender Beweiswürdigung jeder nicht behebbare Zweifel im Tatsächlichen zugunsten des Angeklagten auswirken.
Der Autor des Rechtstipps, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht ist seit 2001 selbstständig mit eigener Kanzlei mit Schwerpunkt im Verkehrsrecht, insbesondere im Bereich der Ordnungswidrigkeiten tätig.
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