Corona-Quarantäne: Kündigung unwirksam!

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Quarantäne ist ein Begriff, den viele Menschen bis vor einem Jahr kaum im aktiven Sprachwortschatz genutzt haben. Seit die Corona-Pandemie im März 2020 auch in Deutschland ausbrach, hat sich das geändert. Wer selbst mit dem Sars-Cov-2-Virus infiziert ist, muss sich in häusliche Quarantäne begeben, genauso wie Personen, die mit einem „Corona-Infizierten“ in direktem Kontakt standen.

Da eine Quarantäne aktuell bis zu 3 Wochen andauern kann, hat die behördliche Anordnung der Quarantäne aber natürlich auch Auswirkungen auf Arbeitsverhältnisse: der Arbeitgeber muss auf die Arbeitskraft von Arbeitnehmer*innen verzichten, wenn eine Arbeit im Homeoffice nicht möglich ist. Der Arbeitnehmer kann seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen. Verletzt man als Arbeitnehmer*in allerdings die Quarantäne-Anordnung des Gesundheitsamtes, kann das Bußgelder und teils strafrechtliche Konsequenzen zur Folge haben.   

Stell sich die Frage: Wann und wie muss ein Arbeitnehmer bzw. eine Arbeitnehmerin nachweisen, dass eine Pflicht zur „häuslichen Absonderung“ aufgrund behördlicher Anordnung tatsächlich besteht? Und kann ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, wenn der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin nicht zeitnah eine schriftliche Bestätigung darüber vorlegt? Darüber urteilte im April 2021 das Arbeitsgericht Köln (ArbG Köln, Urteil v. 15.04.2021, Az.: 8 Ca 7334 /20).

Der Fall vor Gericht: Kündigung wegen „Krankmachen“ in Quarantäne  

In einem Dachdecker-Betrieb mit weniger als 10 Mitarbeiter*innen arbeitete ein Mann. Da er mit einer Bekannten Kontakt hatte, die nachweislich mit Sars-Cov-2 („Coronavirus“) infiziert war, wurde ihm als Kontaktperson Ende Oktober 2020 eine Pflicht zur häuslichen Absonderung auferlegt. Er musste in häusliche Quarantäne.

Das teilte er seinem Arbeitgeber sofort mit. Denn als Dachdecker war es ihm natürlich nicht möglich, während dieser Zeit (23.10.-30.10.2020) seiner Arbeitsverpflichtung nachzukommen. Den schriftlichen Nachweis der Quarantäne-Anordnung konnte er allerdings nicht vorlegen, da die Behörde auch auf mehrfaches Nachfragen nicht zeitnah einen entsprechenden Bescheid ausstellen konnte.

Der Arbeitgeber reagierte schroff und teils mit wüsten Beschimpfungen per Textnachricht an seinen Mitarbeiter. Er „…brauche keine Krankmacher und Schmarotzer“ und kündigte dem Mann mit Schreiben vom 26.10.2020 zum 08.11.2020. Tatsächlich erst am 30.10.2020 erließ die Behörde schriftlich die Anordnung einer Absonderung in häusliche Quarantäne.

Sittenwidrige bzw. treuwidrige Kündigung: Kündigungsschutzklage möglich

Diese Kündigung wollte der Mann nicht akzeptieren und legte beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage ein. Nach seiner Auffassung sei die Kündigung wegen des ausgebliebenen schriftlichen Nachweises sittenwidrig und treuwidrig gem. §§ 138, 242 BGB und damit unwirksam.

Das Gericht ließ die Klage zu und stellte zunächst fest: Weil das Unternehmen, bei dem der Mann beschäftigt war, weniger als 10 Mitarbeiter*innen hatte, greife in diesem Fall zwar das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht. Allerdings folge aus der Nichtanwendbarkeit des KSchG nicht die grenzenlose Zulässigkeit von Kündigungen.

Kündigungen würden auch außerhalb des KSchG – im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG und des BVerfG – einer Willkürkontrolle der Arbeitsgerichte unterliegen. Denn Arbeitgeber seien insgesamt zu einem gewissen Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme verpflichtet.  

Die Entscheidung des ArbG Köln 

Im konkreten Fall aber vermisste das Gericht das Mindestmaß an „sozialer Rücksichtnahme“ im Zusammenhang mit der Kündigung. Zwar würde es keinen Sonderkündigungsschutz während der Quarantäne geben, der z.B. vergleichbar wäre mit dem Sonderkündigungsschutz während der Elternzeit etc. 

Diese konkrete Kündigung des Mitarbeiters würde allerdings gegen die guten Sitten verstoßen und sei im bestehenden Arbeitsverhältnis treuwidrig und aus deshalb insgesamt unwirksam.  

Einerseits treffe den Arbeitnehmer keinerlei Schuld an der Quarantäne-Situation und auch nicht daran, dass er erst am 31.10.2020 einen schriftlichen Beleg der Quarantäne-Anordnung vorlegen konnte. Seine Bemühungen um eine schriftliche Bestätigung seien an der Überforderung des Gesundheitsamtes in der „zweiten Welle“ gescheitert.

Andererseits wäre es nicht ersichtlich, dass andere nachvollziehbare Gründe für eine Wirksamkeit der Kündigung sprechen würden – im Gegenteil. Die wüsten Beschimpfungen des Arbeitgebers im zeitlichen Kontext mit der Kündigung gegenüber dem Mitarbeiter würden vielmehr darauf hinweisen, dass er irrational gehandelt habe. Nicht zuletzt würde der Eindruck entstehen, dass er am Mitarbeiter ein Exempel statuieren wollte, damit sich kein weiterer Kollege traue, mögliche Quarantäne-Anordnungen zu befolgen.

Welche Schlüsse kann man aus dem Urteil ziehen?  

Dieses Urteil zeigt, dass Arbeitnehmer*innen auch außerhalb der Anwendbarkeit des KSchG vor willkürlichen Kündigungen geschützt sind – in diesem konkreten Fall im Zusammenhang mit einer behördlich angeordneten Quarantäne.

Insofern wird deutlich, dass auch Arbeitnehmer in kleinen Betrieben ein Minimum an Kündigungsschutz genießen, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung vollkommen willkürlich ausspricht. Auch in diesem Fall kann sich eine Kündigungsschutzklage inkl. Nachforderung von ausstehendem Lohn lohnen.

Sie haben Fragen zum Thema Quarantäne und Kündigung? Sprechen Sie uns gerne direkt an – in Köln telefonisch unter 0221 / 500 625 00 oder über das anwalt.de-Kontaktformular. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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