Corona und das Arbeitsrecht - Kurzarbeit und Zwangsurlaub
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Aufgrund der aktuellen Krise erreichen mich täglich mehrere Anfragen zum Thema Arbeitsrecht. Diese kommen von Arbeitnehmern wie auch von Arbeitgebern. Zwei Fragestellungen wiederholen sich immer wieder, sodass ich hier kurz darauf eingehen möchte. Dabei handelt es sich um die Fragen:
- Muss ich Kurzarbeit akzeptieren bzw. eine Vereinbarung unterschreiben?
- Darf mein Arbeitgeber mich in den Zwangsurlaub schicken?
I. Muss ich Kurzarbeit akzeptieren bzw. eine Vereinbarung unterschreiben?
Diese erste Frage, ob Kurzarbeit akzeptiert werden muss, kann nicht pauschal beantwortet werden.
Grundsätzlich gilt: Kurzarbeit kann nicht einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden.
Allerdings kann es sein, dass Sie die Kurzarbeit gleichwohl akzeptieren müssen. In bestimmten Konstellationen gibt es bereits eine Vereinbarung. Wenn Sie beispielsweise an einen Tarifvertrag gebunden sind, wird dieser eine Regelung zur Kurzarbeit beinhalten. In diesen Fällen sind Sie an die Entscheidung zur Kurzarbeit gebunden. Gleiches gilt, wenn Ihr Arbeitsvertrag bereits eine gültige Klausel zur Kurzarbeit enthält – auch dann sind Sie grundsätzlich vertraglich daran gebunden. Ob die Klausel gültig ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Hier berate ich Sie gerne.
Sofern es noch keine Regelung gibt, Ihr Betrieb aber über einen Betriebsrat verfügt und dieser – in Vertretung für die Arbeitnehmer – Kurzarbeit mit der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand vereinbart, gilt die Kurzarbeit auch für Sie. Auch in diesem Fall kann der Arbeitgeber Kurzarbeit von Ihnen verlangen.
Sofern keiner der oben genannten Punkte vorliegt, sind Sie grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, Kurzarbeit zu akzeptieren. Diese muss dann individuell mit Ihrem Arbeitgeber vereinbart werden. In Zeiten der Corona-Krise dürfte es jedenfalls langfristig sinnvoll sein, sich auf Kurzarbeit einzulassen. Jedenfalls dann, wenn diese tatsächlich durchgeführt werden soll, um den Betrieb vor der Insolvenz zu schützen.
Rechtlich gesehen müssen Sie eine solche Vereinbarung nicht unterschreiben. Lehnen Sie die Vereinbarung ab, kann der Arbeitnehmer Sie ggf. betriebsbedingt kündigen oder eine betriebsbedingte Änderungskündigung aussprechen (z. B. von 100 % auf 50 %). Dann allerdings nur mit den gesetzlichen Kündigungsfristen und unter Beachtung sämtlicher geltenden Gesetze zum Kündigungsschutz. Hier muss er in vielen Fällen zudem eine Sozialauswahl treffen. Eine personenbedingte Kündigung, weil Sie die Kurzarbeit ablehnen, ist ausgeschlossen.
Ob die Weigerung in der aktuellen Situation moralisch angebracht ist, ist keine rechtliche Frage, sodass ich darauf nicht eingehen möchte. Allerdings wurde mir in den letzten Tagen vermehrt von Fällen berichtet, in denen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern Schriftstücke zur Unterschrift vorgelegt haben, die ganz offensichtlich nicht dazu dienten, das Unternehmen wirtschaftlich zu retten. So wurde einem Mandanten eine Änderungskündigung vorgelegt, die der Arbeitgeber schon seit Monaten forderte, da er persönliche Differenzen mit dem Mitarbeiter hatte; jetzt nur unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie. Ein anderer Arbeitgeber änderte gleich eine Reihe anderer Punkte (Urlaubsanspruch, Sachbezüge) und ließ sich entsprechende Änderungskündigungen unterschreiben. Diese hatten letztlich mit Kurzarbeit nichts zu tun. Mehrere Anrufer berichteten mir davon, dass sie eine Vereinbarung erhalten haben und diese noch am selben Tag (z. B. bis 18 Uhr) unterschreiben sollten, da sonst der Arbeitsplatzverlust drohe. Solche Fälle dürften – abgesehen von der vermutlichen Rechtswidrigkeit – nicht die Regel sein. Trotzdem halte ich es in jedem Fall für angebracht und notwendig, jede Vereinbarung vor Unterzeichnung sorgfältig zu prüfen. Sie müssen eine Vereinbarung nicht sofort oder am selben Tag unterschreiben.
Ich appelliere an Sie, sich in der derzeitigen Krise nicht grundsätzlich gegen Kurzarbeit und eine entsprechende Vereinbarung zu stellen. Viele Unternehmen können nicht anders überleben. Gleichwohl rate ich Ihnen dringend, jede Vereinbarung prüfen zu lassen. Hierfür stehen mein Team und ich Ihnen gerne und jederzeit zur Verfügung. Dies auch per Mail oder in einer Videokonferenz. Kontaktieren Sie uns noch heute.
II. Darf mein Arbeitgeber mich in den Zwangsurlaub schicken?
Viele Unternehmen möchten Arbeitsausfälle durch Zwangsurlaub kompensieren. Eine Vielzahl von Anrufern fragte mich, ob das rechtmäßig ist. Grundsätzlich gibt § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) die Antwort:
- Urlaub ist nach den Wünschen des Arbeitsnehmers zu gewähren, wenn nicht dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
Dieser eindeutigen Regelung würde es widersprechen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Zwangsurlaub schicken dürfte. Fraglich ist daher, ob die Auswirkungen der aktuellen Corona-Krise dringende betriebliche Gründe sind, die einseitig angeordneten Urlaub oder Betriebsferien rechtfertigen.
Regelmäßig gilt, dass eine wirtschaftliche Krise kein dringender betrieblicher Grund ist, der den Arbeitgeber berechtigt, Urlaub einseitig anzuordnen. Dies könnte allerdings dann der Fall sein, wenn aufgrund der Krise eine Insolvenz oder Geschäftsschließung droht. Doch selbst in diesen Fällen ist der „Zwangsurlaub“ nicht ohne weiteres anzuordnen. Zunächst obliegt es dem Arbeitgeber, ein schlüssiges Konzept vorzulegen, wie er die Risiken der Insolvenz oder der Betriebsschließung mit der Anordnung von Zwangsurlaub reduzieren bzw. abwenden kann. Wenn ein solches Konzept vorliegt, welches für alle Arbeitnehmer gleichermaßen gilt, kann die Anordnung von Zwangsurlaub ausnahmsweise zulässig sein.
Existiert ein Betriebsrat, muss dieser zustimmen.
Hat der Arbeitgeber kein schlüssiges Konzept oder soll der Zwangsurlaub nur für bestimmte Arbeitnehmer gelten (in einem mir bekannt gewordenen Fall sollten nur solche Mitarbeiter Zwangsurlaub nehmen, die zuletzt mit Anweisungen des Vorarbeiters nicht einverstanden waren) ist die Anordnung rechtswidrig.
Als Arbeitnehmer/in müssen Sie klarstellen, dass Sie Ihre Arbeitskraft weiter anbieten. In diesem Fall befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug und muss das Gehalt – ohne Abzug von Urlaub – in voller Höhe weiterzahlen – wenn nicht die oben beschriebene Ausnahme gilt. Arbeitgebern ist daher zu raten, zunächst zu prüfen, ob der Weg über die Kurzarbeit die bessere Alternative darstellt.
Sollten Sie von Zwangsurlaub betroffen sein und befürchten, dass Ihnen Nachteile daraus erwachsen, kann ich Sie gerne entsprechend beraten. Melden Sie sich noch heute.
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