Das Trennungsjahr im Rahmen der Scheidung

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„Bis dass der Tod uns scheidet“ ist heutzutage nicht mehr unbedingt der Regelfall. Was mit einem lebenslangen Versprechen begann, endet letztlich vor dem Familiengericht. Wer sich scheiden lassen möchte, muss die erforderlichen (rechtlichen) Voraussetzungen erfüllen, da die Ehe – rechtlich betrachtet – einen auf Dauer angelegten Vertrag darstellt. Insbesondere bedarf es grundsätzlich des Getrenntlebens – zumindest für ein Jahr. Im Folgenden wird dargelegt, was bei einem Trennungsjahr zu beachten ist und der Frage nachgegangen, ob ein Trennungsjahr stets einzuhalten ist.


Allgemeines zur Scheidung

Soll die Ehe geschieden werden, ist § 1565 BGB der Ausgangspunkt hierfür. § 1565 BGB ist der Grundtatbestand des Scheidungsrechts [BeckOGK/Unger/Hartmann/Franzius, 1.5.2022, BGB § 1565 Rn. 4]. § 1565 Abs. 1 S. 1 BGB folgend kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist – es gilt mithin das „Zerrüttungsprinzip/Scheiternsprinzip“. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB.

Damit besteht das Scheitern aus grundsätzlich zwei Elementen – einerseits der Aufhebung der Lebensgemeinschaft („Diagnose“) und andererseits aus der Erwartung, dass die Lebensgemeinschaft nicht wiederhergestellt wird („Prognose“). Diagnose und Prognose stellen dabei die wesentlichen Aspekte bei der Prüfung des Richters, ob die Ehe gescheitert ist, dar. Haben die Ehegatten die maßgebliche Trennungszeit durchlaufen, wird das Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet.


Maßgebliche Trennungszeit

Während zumeist lediglich von einem „Trennungsjahr“ gesprochen wird, entspricht dies nicht immer der tatsächlich einzuhaltenden Zeit im Rahmen des Getrenntlebens. Grundsätzlich werden verschiedene Konstellationen unterschieden:

  • Möchten beide Ehepartner die Scheidung, sog. einvernehmliche Scheidung, reicht grundsätzlich die Einhaltung eines einjährigen Trennungsjahres aus. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn beide Ehepartner die Scheidung beantragen oder aber der andere Ehepartner dieser zumindest zustimmt, § 1566 Abs. 1 BGB.
  • Leben die Eheleute seit mindestens drei Jahren getrennt, wird davon ausgegangen, dass die Ehe gescheitert ist; wird nach drei Jahren von nur einem Ehegatten dann die Scheidung verlangt, so wird die Scheidung auch vollzogen, wenn der andere Ehepartner der Scheidung nicht zustimmt, § 1566 Abs. 2 BGB.
  • Sofern einer der Ehepartner die Zustimmung verweigert, die Ehepartner jedoch erst seit einem Jahr getrennt leben, d.h. noch keine drei Jahre, muss dem Gericht dargelegt werden, dass die Ehe gescheitert ist.

In Ausnahmefällen kann die Ehe bereits auch dann geschieden werden, wenn noch keine Trennungszeit von zumindest einem Jahr vorliegt:

  • Die Ehe kann bereits vor Ablauf eines Trennungsjahres geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragssteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde, §1565 Abs. 2 BGB.

Die Feststellung einer unzumutbaren Härte erfordert eine Abwägung. In der Rechtsprechung existieren verschiedene Fallgruppen, bei welchen ein Härtefall angenommen wird. Eine Annahme einer unzumutbaren Härte kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Misshandlungen, Körperverletzungen oder ernsthafte Bedrohungen vorliegen [BGH NJW 1981, 449 (451); OLG Düsseldorf, BeckRS 2019, 37449]. Daneben kommt auch der Ehebruch in Betracht, allerdings nur in Verbindung mit zusätzlichen, erheblichen und entwürdigenden Umständen, wobei das Bestehen einer neuen Partnerschaft des Antragsgegners in der Regel hierfür noch nicht ausreicht [BeckOGK/Unger/Hartmann/Franzius, 1.5.2022, BGB § 1565 Rn. 142].


Sinn und Zweck des Trennungsjahres bzw. der Trennungsjahre

Grundsätzlich dient das Trennungsjahr und damit auch die ggf. längeren erforderlichen Trennungszeiten, als Indiz für das Scheitern der Ehe, welches dem Gericht die Feststellung ob des Scheiterns der Ehe vereinfacht [BeckOGK/Unger/Hartmann/Franzius, 1.5.2022, BGB § 1565 Rn. 85]. Gleichzeitig soll diese Trennungszeit vor voreiligen und überstürzten Scheidungen schützen. Die Ehegatten sollen sich darüber im Klaren werden, ob die Lebensgemeinschaft für endgültig beendet erklärt werden soll oder ob eine Weiterführung der Ehe möglich ist. Daneben dient die Zeit der Verhinderung von Rechtsmissbrauch.


Beginn des Trennungsjahres

Das Trennungsjahr beginnt und endet nach Maßgabe des § 1567 BGB. Ein Getrenntleben im Sinne von § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB liegt dann vor, wenn zwischen den Ehepartner keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Mithin bedarf es also der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft. Hiervon kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn einer der Ehepartner aus der gemeinsamen ehelichen Wohnung endgültig ausgezogen ist. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass beide Ehepartner in der gemeinsamen Wohnung verbleiben, § 1567 Abs. 1 S. 2 BGB; auch innerhalb der Wohnung ist ein Getrenntleben grundsätzlich möglich. Hierbei muss jedoch „Tisch und Bett“ voneinander getrennt werden. Erforderlich hierfür ist zum Beispiel die Nutzung unterschiedlicher Schlafzimmer sowie die Trennung des Haushaltes. Die beiderseitige Nutzung von Gemeinschaftsräumen, wie beispielsweise der Küche, ist grundsätzlich gestattet, allerdings gegebenenfalls nicht zu den selben Uhrzeiten. Sofern Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind, sind auch gemeinsame Unternehmungen mit diesen denkbar, ohne dass sich hieraus einen Einfluss auf die Laufzeit des Trennungsjahres ergibt. So steht zum Beispiel der gemeinsame sonntägliche Mittagstisch mit den Kindern einem Getrenntleben nicht entgegen, sofern dies die einzige Gemeinsamkeit der innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt lebenden Eheleuten darstellt und im Interesse der Kinder geschieht, um sie schonend auf einen möglichen Auszug eines Elternteils vorzubereiten [OLG Köln NJW 1987, 1561].Wird im Hinblick auf die Kinder jedoch ein vollständiger Haushalt geführt, so wurde die häusliche Gemeinschaft hingegen nicht aufgehoben – die Motive der Ehegatten haben an dieser Stelle keine Relevanz [MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2022, BGB § 1567 Rn. 27 m.w.N.].

Wird hingegen weiterhin gemeinsam zu Bett gegangen sowie gemeinsam gegessen, spricht das gegen die Annahme einer Trennung. Die Betreuung eines kranken Ehegatten ist grundsätzlich nicht gegen die Annahme der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zu sehen, allerdings muss die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft dennoch erkennbar sein. Eine Hilfe gegenüber dem kranken Ehegatten ist „im Einzelfall in dem notwendigen Umfang“ damit denkbar [MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2022, BGB § 1567 Rn. 28].


Einfluss von Gemeinsamkeiten außerhalb der Wohnung auf das Getrenntleben

Während die häusliche Gemeinschaft grundlegend aufgelöst sein muss, bleiben Gemeinsamkeiten der Ehepartner außerhalb der Wohnung ohne Berücksichtigung [MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2022, BGB § 1567 Rn. 29]. So hindert insbesondere das Mitarbeiten des einen Ehegatten in der Landwirtschaft oder im Gewerbebetrieb des anderen Ehegatten die Feststellung des Getrenntlebens nicht. Auch gemeinsame Urlaube oder Besuche von Veranstaltungen begründen nicht die Annahme einer häuslichen Gemeinschaft, wobei selbstredend berücksichtigt werden muss, ob die Ehepartner ihre bisher in häuslicher Gemeinschaft geführte Lebensgemeinschaft in einer anderen Form des ehelichen Zusammenlebens weiterführen [vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, 7. Aufl. 2020, BGB § 1567 Rn. 16].


Einfluss von Versöhnungsversuchen auf die Trennungszeit

Kommt es zu der Vornahme von Versöhnungsversuchen, wird hierdurch das Trennungsjahr noch nicht unterbrochen, § 1567 Abs. 2 BGB. Hierbei darf es sich jedoch nur um das Zusammenleben über eine kürzere Zeit handeln. Eine pauschale Zeitangabe kann an dieser Stelle nicht gegeben werden, vielmehr ist auf den Einzelfall zu rekurrieren [MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2022, BGB § 1567 Rn. 57]. Hierbei spielt auch eine Rolle, ob es sich um die Dreijahresfrist des § 1566 Abs. 2 BGB handelt oder um die Jahresfristen der § 1565 Abs. 2 BGB und § 1566 Abs. 1 BGB. Bei der Dreijahresfrist ist eine längere Versöhnungszeit grundsätzlich denkbar, bei den kürzeren Jahresfristen ist in der Regel wohl eine Obergrenze von drei Monaten anzunehmen [MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2022, BGB § 1567 Rn. 58f.].


Überlassung der gemeinsamen ehelichen Wohnung

Für die Zeit des Getrenntlebens ist § 1361b BGB maßgeblich. Diesem folgend kann ein Ehegatte vom anderen Ehegatten verlangen, dass ihm der andere die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Benutzung überlässt, soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Jeder der Ehegatten kann damit die Zuweisung der Ehewohnung an sich selbst beantragen. Das Gericht nimmt für die Entscheidung eine Gesamtabwägung aller relevanten und maßgebliche Umstände vor. Dabei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle wie beispielsweise die persönliche und wirtschaftliche Lage der Ehegatten, ihr gesundheitlicher Zustand sowie die Bindung des jeweiligen Ehegattens an den Wohnort [MüKoBGB/Weber-Monecke, 9. Aufl. 2022, BGB § 1361b Rn. 11]. Sofern einer der Eigentümer das alleinige Eigentumsrecht oder ein dingliches Nutzungsrecht an der Wohnung hat, ist dies besonders zu berücksichtigen. Allerdings stellt das Alleineigentum an der Wohnung nur ein zusätzliches Abwägungskriterium dar und ist kein eigenständiger Härtegrund [so ausdrücklich OLG Hamm, BeckRS 2016, 13940].

Ziel der Wohnungszuweisung ist dabei nur eine vorläufige Regelung der Benutzung. Sofern es sich hingegen um die Zeit nach der Scheidung handelt, ist § 1568a BGB heranzuziehen. Dieser ist nicht wie § 1361b BGB auf eine vorläufige Regelung der Zuweisung ausgerichtet, sondern dient der endgültigen Regelung.


Verkürzung des Trennungsjahres

Sofern beide Ehepartner einvernehmlich Interesse an einer Scheidung haben, stellt sich häufig die Frage, ob das Trennungsjahr durch Absprache verkürzt werden kann. Grundsätzlich bedarf es der Einhaltung des Trennungsjahres. Allerdings können beide Ehegatten übereinstimmend den gleichen Trennungszeitpunkt vor Gericht angegeben. In der Regel wird das Einhalten des Trennungsjahres im Scheidungsverfahren nicht überprüft.

 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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