"Das Umgangsrecht der Großeltern: Konflikte zwischen den Generationen und das Kindeswohl“
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Familien sind komplexe Geflechte aus Beziehungen, die oft über Generationen hinweg reichen. Großeltern nehmen dabei eine besondere Rolle ein, insbesondere wenn sie eine enge Bindung zu ihren Enkelkindern aufbauen können. Doch was passiert, wenn familiäre Konflikte diese Bindungen gefährden?
Der Fall: Ein Großvater möchte sein Umgangsrecht gegenüber seinem Enkelkind wahrnehmen. Aufgrund von Spannungen mit seinem eigenen Sohn, dem Vater des Kindes, ist der Umgang blockiert. Dieser verweigert den Kontakt aus persönlichen Gründen.
Nunmehr stellt sich die Frage: Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Großeltern in Deutschland, wenn der Kontakt zu ihren Enkeln durch familiäre Streitigkeiten verhindert wird?
Der vorliegende Artikel soll den rechtlichen Rahmen im Zusammenhang mit relevanten Urteilen und die Praxis der Kindeswohlprüfung in solchen Konstellationen betrachten.
Gemäß § 1685 Abs. 1 BGB wird Großeltern ein eigenständiges Umgangsrecht zugesprochen, sofern dieser Umgang dem Wohl des Kindes dient. Dabei steht der Kontakt zwischen Großeltern und Enkelkindern unter einem besonderen Schutz, da diese Beziehung als stabilisierend und förderlich für die Entwicklung eines Kindes angesehen wird.
Nach § 1697a BGB ist bei allen Entscheidungen im Familienrecht jedoch das Kindeswohl maßgeblich. Das bedeutet, dass Gerichte prüfen müssen, ob der Umgang mit Großeltern die persönliche Entwicklung, das emotionale Gleichgewicht und die soziale Bindung des Kindes unterstützt. Entscheidend ist, dass der Umgang nicht automatisch gewährt wird. Eine positive Kindeswohlprognose ist erforderlich.
Allerdings räumt das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG den Eltern das primäre Bestimmungsrecht über die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder ein.
Großeltern haben somit keine gleichrangigen Rechte, sondern ein abgeleitetes Umgangsrecht. Dieses kann durch den Widerstand der Eltern begrenzt werden, sofern der Umgang mit den Großeltern dem Kindeswohl schadet, beispielsweise bei Konflikten innerhalb der Familie zwischen Großvater und Vater des Kindes. Die häufigsten Streitpunkte in Fällen wie dem beschriebenen liegen nicht im direkten Verhältnis zwischen Großeltern und Enkelkindern, sondern in der konflikthaften Beziehung zwischen Großeltern und ihren eigenen Kindern. Im vorliegenden Fall etwa verweigert der Vater den Kontakt seines Kindes zum Großvater aufgrund eines Zerwürfnisses.
Rechtlich zu prüfen ist, ob persönliche Konflikte dem Kindeswohl schaden. Persönliche Spannungen zwischen den Erwachsenen allein müssen kein hinreichender Grund, den Umgang zu verweigern, sein.
Entscheidend ist, ob der Konflikt das Kind direkt belastet oder dessen Wohl gefährdet. Hierzu entschied der Bundesgerichtshof: „Das Umgangsrecht der Großeltern darf nicht allein aufgrund familiärer Streitigkeiten ausgeschlossen werden, solange die Beziehung zum Kind als stabil und konfliktfrei bewertet wird.“ (BGH, Beschluss vom 12.07.2017 – XII ZB 350/16).
Bei der Kindeswohlprüfung durch die Gerichte werden Jugendämter, Verfahrensbeistände oder Sachverständige herangezogen, um zu beurteilen, ob der Umgang förderlich ist.
Kriterien sind unter anderem: Besteht eine enge emotionale Bindung zwischen Großeltern und Enkelkindern? Können die Großeltern die Bedürfnisse des Kindes erkennen und darauf eingehen? Ist das Kind von den familiären Konflikten direkt betroffen? Ein positives Ergebnis dieser Prüfung ist Voraussetzung für eine Umgangsregelung zugunsten der Großeltern.
Als praktischen Lösungsmöglichkeit könnte sich eine Mediation anbieten, um festgefahrene Konflikte zu lösen und die Kommunikation zwischen den Generationen zu verbessern. In vielen Fällen kann durch eine neutrale Vermittlung eine Umgangsvereinbarung erreicht werden, die für alle Seiten akzeptabel ist.
Probleme bei der Durchsetzung des "erkämpften" Umgangs könnte die Umsetzung werden. Auch wenn Großeltern gerichtlich ein Umgangsrecht zugesprochen bekommen, gestaltet sich dessen Realisierung oft schwierig. Eltern, die den Kontakt verweigern, handeln manchmal gegen gerichtliche Beschlüsse. Hierbei drohen Zwangsmaßnahmen wie Ordnungsgelder, die jedoch das familiäre Klima weiter belasten würden .
Fallbeispiele aus der Rechtsprechung gibt es u.a. wie folgt :
BGH, Beschluss vom 12.07.2017 – XII ZB 350/16: Der BGH entschied, dass der Umgang zwischen Großeltern und Enkelkindern nur dann ausgeschlossen werden darf, wenn dieser nachweislich das Kindeswohl gefährdet. Persönliche Streitigkeiten zwischen den Erwachsenen allein reichen nicht aus.
OLG Köln, Beschluss vom 15.03.2018 – 4 UF 11/18: Das Gericht stellte fest, dass ein regelmäßiger Kontakt zu den Großeltern die Stabilität und emotionale Entwicklung des Kindes fördern kann, insbesondere wenn die Großeltern eine wichtige Bezugsperson darstellen.
Maßgeblich ist letztlich die Balance zwischen Elternrecht und Kindeswohl.
Der Konflikt um das Umgangsrecht der Großeltern zeigt, wie schwierig es ist, familiäre Spannungen juristisch zu lösen. Gerichte stehen vor der Herausforderung, das Kindeswohl zu schützen, ohne das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht unverhältnismäßig einzuschränken. Der vorliegende Fall verdeutlicht, dass Großeltern eine besondere Rolle im Leben von Kindern spielen können – insbesondere, wenn sie Stabilität und Geborgenheit bieten. Dennoch bleibt die gerichtliche Durchsetzung des Umgangsrechts ein sensibles Thema, das oft nur durch außergerichtliche Einigung effektiv gelöst werden kann.
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