Der Zugewinnausgleich

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Nahezu jede dritte Ehe wird wieder geschieden. Infolgedessen muss das angehäufte Vermögen wieder auf die Ehepartner aufgeteilt werden. Häufig haben sich die Ehegatten im Vorfeld der Hochzeit dazu entschieden, im gesetzlichen Güterstand des Zugewinnausgleichs zu leben. Auch wenn keine ausdrückliche Entscheidung hierfür getroffen wurde, liegt der Güterstand der Zugewinngemeinschaft bei fehlenden anderslautenden Vereinbarungen ipso iure (= kraft Gesetzes) vor. Doch wie genau erfolgt eine Aufteilung des Vermögens im Falle der Scheidung? Wie werden Schulden berücksichtigt? Der Beitrag gibt hierzu einen Überblick.


Allgemeines zum Zugewinnausgleich

Wurde vom Ehepaar keine andere Vereinbarung getroffen, beispielsweise mittels eines wirksamen Ehevertrages, tritt die Zugewinngemeinschaft von Gesetzes wegen ein. Abzugrenzen hiervon sind die Güterstände der Gütertrennung, der Gütergemeinschaft sowie der WahlZugewinngemeinschaft, welche jedoch ausdrücklich vereinbart werden müssen.

Zugewinngemeinschaft bedeutet, dass das jeweilige Vermögen der Ehegatten nicht deren gemeinschaftliches Vermögen wird, § 1365 Abs. 2 S. 1 BGB. Dies gilt auch für Vermögen, dass ein Ehegatte erst nach der Eheschließung erwirbt. Entscheidend ist jedoch, dass der Zugewinn, welchen die Ehegatten in der Ehe erzielen, ausgeglichen wird, wenn die Zugewinngemeinschaft endet, § 1365 Abs. 2 S. 2 BGB. Damit wird also im Regelfall sämtliches Vermögen, welches während der Ehe erwirtschaftet wurde, im Falle der Scheidung zwischen den Ehegatten gleichmäßig aufgeteilt. 


Hintergrund des Zugewinnausgleichs

Grundsätzlich muss derjenige Ehegatte, welcher im Vergleich zum anderen Ehegatten den größeren Zugewinn erwirtschaftet hat, die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten auszahlen, § 1378 Abs. 1 BGB. Hintergrund dieser Regelung war und ist es insbesondere, den Nachteil eines Ehepartners auszugleichen, welcher beispielsweise aufgrund von Kinderbetreuung in der Ehezeit nicht oder nur teilweise einer beruflichen Tätigkeit nachgehen konnte, sodass dieser Ehegatte keinen oder nur einen geringen Vermögensaufbau betreiben konnte.


Berechnung des Zugewinnausgleichs

Die Berechnung des Zugewinnausgleichs erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst muss jeder Ehegatte sein Anfangsvermögen ermitteln. Das Anfangsvermögen ist hierbei das Vermögen, welches einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstandes gehört, § 1374 Abs. 1 BGB. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Eintritt des Güterstandes, d.h. der Tag, an welchem die Eheschließung vollzogen wurde („Stichtagsprinzip“). 

Zum Vermögen an sich gehören zunächst einmal alle Vermögensgegenstände. Darunter fallen sowohl Immobilien als auch Schmuck, Autos, Kontobestände, Bargeld, Aktienwerte usw. Der jeweilige Geldwert wird addiert. Sofern sich der Wert nicht einfach ermitteln lässt, kann z.B. ein Sachverständigengutachten beauftragt werden. 

Daneben finden nicht nur die Aktiva, sondern insbesondere auch die Passiva Berücksichtigung. Damit sind Schulden, welche ein Ehepartner mit in die Ehe gebracht hat, in Abzug zu bringen. Überschreiten die Schulden das (Anfangs-)Vermögen des Ehepartners, so ist dies unschädlich. 

Das Anfangsvermögen kann auch mit einem negativen Wert festgesetzt werden. Ein Beispiel hierfür wäre z.B. folgender Sachverhalt: Die Ehefrau bringt ein Grundstück im Wert von 250.000 Euro mit in die Ehe. Des Weiteren liegen noch zu berücksichtigende Wertgegenstände im Wert von 100.000 Euro vor. Mithin liegen die Aktiva bei 350.000 Euro. Jedoch hat die Ehefrau Schulden in Höhe von 400.000 Euro, sodass sich das Anfangsvermögen nunmehr mit einem Wert von minus 50.000 Euro festsetzen lässt. 

Soweit nicht mehr ermittelt werden kann, wie hoch das Anfangsvermögen gewesen ist, was vor allem bei sehr langen Ehen der Fall sein kann, wird das Anfangsvermögen im Regelfall mit null Euro angesetzt, vgl. § 1377 III BGB, sodass das Endvermögen den Zugewinn darstellt. Insbesondere bei langen Ehen ist bei der Berechnung des Anfangsvermögens zu beachten, dass Vermögenswerte, welche vor einigen Jahrzehnten bestanden haben, bedingt durch die Inflation heute einer veränderten Werthaltigkeit unterliegen. So lässt sich ein Anfangsvermögen, welches noch in DM zu beziffern war, nicht ohne Weiteres in Euro anrechnen. Für die Berechnung des heutigen Wertes wird grundsätzlich auf den Lebenshaltungskostenindex des Statistischen Bundesamtes zurückzugreifen sein. 

Keine Berücksichtigung im Zugewinnausgleich finden Versorgungsanrechte; insoweit ist hierfür der Versorgungsausgleich maßgeblich.

In einem nächsten Schritt ist das Endvermögen der Ehepartner zu ermitteln, § 1375 BGB. Hiernach ist das Endvermögen das Vermögen, welches einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstands gehört. Auch hierbei sind Verbindlichkeiten, welche über die Höhe des Vermögens hinausgehen, abzuziehen, selbst wenn sich ein negativer Wert ergibt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung ist die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, § 1384 BGB. 

Soweit das Anfangsvermögen und das Endvermögen berechnet sind, bedarf es der Ermittlung des Zugewinns jedes Ehegatten, § 1373 BGB und sodann der Saldierung der beiderseitigen Zugewinne. Hat die Ehefrau im obigen Beispiel nachher ein Endvermögen von plus 100.000 Euro, so beträgt der Zugewinn 150.000 Euro (von minus 50.000 Euro auf plus 100.000 Euro). Sofern der Ehemann ein Anfangsvermögen von 100.000 Euro aufweist und das Endvermögen 300.000 Euro beträgt, hat er einen Vermögenszuwachs in Höhe von 200.000 Euro. Nach Saldierung der Zugewinne der Eheleute besteht eine Differenz in Höhe von 50.000 Euro (200.000 abzüglich 150.000). Die Ehefrau kann die Hälfte hiervon, mithin 25.000 Euro, verlangen. 

Sofern beide Ehepartner im Zeitpunkt der Eheschließung einen gleichen Vermögenswert und zudem gleich viel hinzugewonnen haben, ist der eheliche Zugewinn beider Ehegatten identisch. In der Folge bedarf es keiner Zahlung eines Zugewinnausgleichs. 


Privilegierter Erwerb 

Erbschaften sowie Schenkungen werden als „privilegierter Erwerb“ bezeichnet. Diese werden grundsätzlich zum Anfangsvermögen hinzu gerecht. Sofern es jedoch zu Wertsteigerungen in der Ehezeit kommt, unterfallen im Grundsatz diese Wertsteigerungen dem Zugewinn mit der Folge der Ausgleichspflicht (z.B. hat die Ehefrau ein Grundstück geschenkt bekommen, welches einen Wert von 200.000 Euro aufweist; bis zum Stichtag ist der Wert des Grundstücks auf 300.000 Euro gestiegen, sodass die Wertsteigerung, 100.000 Euro, in das Endvermögen einzustellen ist). 

Einzelne Posten Haushaltsgegenstände verlieren innerhalb kurzer Zeit an Wert. Maßgeblich für die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist nicht der noch bestehende Veräußerungswert, sondern es ist auf die ehemaligen Anschaffungskosten zu rekurrieren. Hiervon ist eine Wertminderung abzuziehen. Relevant ist dies jedoch nur für Gegenstände, welche im Alleineigentum eines Partners stehen. Für den gemeinsamen Hausrat ist hingegen in einem separaten Verfahren über die Aufteilung zu entscheiden. 

Lottogewinne werden lediglich dem Endvermögen zugerechnet, sodass diese in den Zugewinnausgleich einbezogen werden. Gleiches gilt zudem für Schmerzensgeldzahlungen. 


Härtefallregelungen

Die Pflicht zur Zahlung des Zugewinnausgleichs kann in bestimmten Fällen unzumutbar sein. § 1381 BGB ermöglicht im Einzelfall eine Kürzung oder einen gänzlichen Entfall der Zahlung des Zugewinnausgleichs. Hierfür bedarf es einer „groben Unbilligkeit“ (der Erfüllung der Leistungsverpflichtung). § 1381 BGB wird von den Gerichten nur sehr restriktiv angewendet. Die Zahlung der Ausgleichsforderung müsste dafür dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen (BGH NJW 2013, 3642). Dies kann z.B. beim Vorliegen massiver körperlicher Gewalt und gleichzeitigem ehebrecherischen Verhaltens der Fall sein (OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 1068). 

Im Übrigen kann aber z.B. der Ehegatte, der den Zugewinnausgleich zu leisten hat, darauf angewiesen sein, ein Darlehen aufzunehmen, um der Ausgleichforderung nachkommen zu können – dies alleine reicht nicht als „grobe Unbilligkeit“ aus. Zugewinnausgleich im Todesfall Grundsätzlich wird auch dann ein Zugewinnausgleich durchgeführt, wenn einer der Ehegatten verstirbt. Durch den Tod des einen Ehepartners erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehepartners um ¼, § 1371 BGB.

Foto(s): Jana Christina Hartmann

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