Digitaler Nachlass

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Instagram, Facebook, XING, LinkedIn, 3 E-Mail-Konten, 10 Benutzerkonten bei Online-Kaufhäusern wie Amazon, Netflix und so weiter und so fort. Was passiert nach dem Tod mit all den Anmeldungen? Wer kann meine Daten einsehen, verwerten oder gar ändern? Können meine Erben alle meine privaten E-Mails lesen? Wem „gehören“ diese Daten? Werden sie vererbt? Gehören sie dem Provider? Dies sind Fragen, mit denen man sich besser rechtzeitig auseinandersetzen sollte.

Was ist digitaler Nachlass überhaupt?

Der digitale Nachlass umfasst jegliche Rechtsstellungen eines verstorbenen Internetnutzers, insbesondere Vertragsbeziehungen zu sämtlichen oben genannten Online-Anbietern. Die Liste scheint endlos. Oft wissen die Angehörigen des verstorbenen Internetnutzers nicht, wo dieser zum Beispiel Verträge geschlossen hat oder ein Nutzerkonto besitzt. Genau an dieser Stelle beginnen dann die Probleme.

Was sagt die Rechtsprechung?

Lange war strittig, wem der digitale Nachlass zufallen soll. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2018 in einem richtungsweisenden Urteil (BGH, Urteil vom 12.07.2018, Aktenzeichen: III ZR 183/17) die rechtliche Stellung der Erben gestärkt. Der BGH stellte fest, dass der digitale Nachlass im Wege der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge auf den oder die Erben übergeht. Das heißt, die Erben erhalten einen Anspruch gegen die Anbieter auf Gewährung des Zugangs zu dem Benutzerkonto und den darin enthaltenen Inhalten. Dem stehen auch keine Rechte Dritter sowie das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers, das Fernmeldegeheimnis oder datenschutzrechtliche Regelungen entgegen. Im Einzelnen enthält das Urteil folgende Kernaussagen:

Nachdem nun also höchstrichterlich geklärt zu sein scheint, dass der Erbe einen Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto des Erblassers hat, ist dann noch zu fragen, was dieser Anspruch beinhaltet. Das Landgericht Berlin (Beschluss vom 13.02.2019, Aktenzeichen: 20 O 172/15) versteht unter Zugang gewähren, „dass die Schuldnerin [der Anbieter des sozialen Netzwerks] das zu tun hat, damit es der Gläubigerin möglich ist, den Inhalt des Benutzerkontos so zur Kenntnis zu nehmen, wie es eine Person täte, die sich bei ihr mit ihrem Kennwort anmeldet.“ 

Die Übergabe eines USB-Sticks, auf dem der Inhalt eines vollständigen Benutzerkontos gespeichert sein soll, reicht für ein „Zugang gewähren“ nicht aus.

Es ist aber wohl davon auszugehen, dass es dem Erben nicht möglich sein muss, den Account weiter zu führen. Er muss lediglich die Möglichkeit der Einsichtnahme für eine angemessene Zeit haben. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Nutzung des Accounts durch den Erben zu einem Verstoß gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers führen kann, wenn dieser beispielsweise verunglimpft oder der Account entgegen der Vorstellung des Erblassers weitergeführt wird.

Digitalen Nachlass regeln – aber wie?

Tritt der Todesfall ein, so stehen die Verbliebenden oft vor einer scheinbar unlösbaren Aufgabe. Es ist ohne entsprechende Informationen schwer feststellbar, wo der verstorbene Internetnutzer ein Nutzerkonto hat, zum Newsletter angemeldet ist oder welche Cloud-Dienste alle verwendet wurden. Um die Aufgabe zu lösen, müssen sich die Erben durch E-Mails, Internetseiten, das Handy und alle anderen verfügbaren Daten „wühlen“.

Doch nicht immer möchte man, dass die Erben private Gespräche oder andere Online-Aktivitäten im Nachhinein einsehen können. Um dies zu verhindern bzw. es den Erben nach dem Todesfall leichter zu machen, könnten Sie noch zu Lebzeiten eine Liste erstellen, die alle Nutzerkonten und die dazugehörigen Passwörter enthält. Machen Sie diese Liste einer Vertrauensperson zugänglich. So ersparen Sie den Erben Frust und viel Arbeit und vermeiden gleichzeitig, dass man Ihren digitalen Fußabdruck bis ins Kleinste auseinandernimmt.

Um den digitalen Nachlass gänzlich zu Lebzeiten zu regeln, gibt es folgende Möglichkeiten:

1. Testament oder Erbvertrag

Der sicherste Weg, den digitalen Nachlass zu regeln, stellt das Testament oder der Erbvertrag dar. Durch Auflagen für die Erben kann der Erblasser festlegen, wie diese mit dem digitalen Nachlass zu verfahren haben. Dies kann z. B. die Versetzung eines Nutzerkontos bei einem sozialen Netzwerk in den Gedenkzustand sein oder die Löschung des Nutzerkontos beinhalten. Dem Erblasser stehen dabei alle Möglichkeiten offen, soweit sie mit den Nutzungsbedingungen des Online-Anbieters und damit dem Vertragspartner in Einklang stehen.

2. Postmortale Vollmacht

Bereits zu Lebzeiten kann eine postmortale Vollmacht erstellt werden. Wichtig ist, dass sie handschriftlich, mit einem Datum versehen und unterschrieben ist sowie „über den Tod hinaus“ gelten soll. In dieser Vollmacht kann (wie im Testament) geregelt werden, was mit dem digitalen Nachlass geschehen soll. Vorteil der postmortalen Vollmacht ist, dass der Bevollmächtigte nicht Erbe sein muss.

3. Regelung beim Online-Anbieter selbst

Unternehmen wie Google und Facebook ermöglichen es dem Nutzer, bereits zu Lebzeiten Regelungen für den Todesfall zu treffen. Dort kann festgelegt werden, was beim Todesfall mit dem Konto geschehen soll (Löschung/Gedenkzustand) oder welche Person den Zugang erhalten soll. Diese Funktion bieten jedoch nicht alle Plattformen an, sodass damit nur ein Bruchteil des digitalen Nachlasses geregelt sein dürfte.

4. Beauftragung eines Dritten

Es gibt Firmen, die sich auf den Umgang mit dem digitalen Nachlass spezialisiert haben und im Todesfall die von Ihnen gewünschten Maßnahmen treffen. Seien Sie sich aber darüber bewusst, dass diese Firmen persönliche Daten erhalten und ein unbestimmter Personenkreis darauf zugreifen kann.

Das Wichtigste nochmal zusammengefasst:

  • Verstirbt eine Person, so bleiben die Nutzerkonten bei sozialen Netzwerken, E-Mail-Providern, Cloud-Diensten u.v.m. weiter bestehen.
  • Der digitale Nachlass geht im Wege der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben über.
  • Nutzen Sie eine der oben genannten Möglichkeiten und regeln Sie Ihren digitalen Nachlass rechtzeitig. Erstellen Sie zu Lebzeiten eine Liste mit allen Nutzerkonten und Passwörtern. Halten Sie die Liste aktuell. Hinterlegen Sie diese an einem sicheren Ort (zu Hause, Bankschließfach, Notar, …) und erzählen Ihrer Vertrauensperson davon, damit sie im Todesfall darauf zugreifen kann.


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