Echtheit eines Testaments ab Wahrscheinlichkeit von 90%

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Da eine absolute Gewissheit der Echtheit eines Testaments im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie zu erreichen ist und die theoretische Möglichkeit des Gegenteils kaum auszuschließen ist, genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Eine solche Gewissheit liegt im Erbscheinsverfahren vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, der „den Zweifeln Einhalt“ gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu können.


Im vorliegenden Fall hatte die Erblasserin gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann ein Testament errichtet, in welchem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. Deren Tochter aus erster Ehe widersprach der vom Ehemann beantragten Ausstellung eines Erbscheines mit der Begründung, dass die unter dem Testament befindliche Unterschrift nicht von der Erblasserin stamme. Das Gericht holte hierüber ein Sachverständigengutachten ein, welches zu dem Ergebnis kam, dass der Testamentstext mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 - 99% und die Unterschrift mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 - 95% von der Erblasserin stammten und erachtete aufgrund dessen die für die Begründung des Antrags auf Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte vor dem OLG Rostock, B. v. 31.08.2020, 3 W 84/19, keinen Erfolg.


Im Erbscheinsverfahren wird die Gültigkeit des Testaments nach § 26 FamFG von Amts wegen geprüft. Hierbei müssen insbesondere die Echtheit und Eigenhändigkeit der letztwilligen Verfügung feststehen. Vorliegend gaben die vermeintliche Diskrepanz der Schriftform zwischen Text und Unterschrift sowie die Verwendung jeweils unterschiedlicher Schreibutensilien Anhaltspunkte für eine nähere Überprüfung. Aufgrund des schlüssigen Sachverständigengutachtens, welches insbesondere die Charakteristiken der Strichbeschaffenheit und Druckverteilung sowie die formalen Detailcharakteristiken der individualisierten Unterschriftelemente und Elementkombinationen nachvollziehbar mit Vergleichsmaterial verglichen hatte und mit dem vorbezeichneten Grad an Wahrscheinlichkeit die Echtheit von Text und Unterschrift feststellte, war der Echtheitsbeweis mit einer jedenfalls überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Urheberschaft (ab 90%) als geführt anzusehen.


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