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Eine Pflichtteilsentziehung ist nicht einfach!

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Nicht selten ist das persönliche Verhältnis zwischen Erblasser und Abkömmling derart zerrüttet, dass nicht nur der Wunsch nach einer Enterbung, sondern auch darüber hinaus nach einer Entziehung des Pflichtteils besteht. Der Abkömmling soll in diesen Fällen nichts aus dem Nachlass erhalten.

Nun ist es rechtlich noch recht unkompliziert, in einem Testament sinngemäß zu regeln, dass ein bestimmter Abkömmling „nicht erben soll“. Eine derartige Formulierung reicht rechtlich schon aus, um den betreffenden Abkömmling von der Erbfolge auszuschließen.

Zum Grund der Pflichtteilsentziehung

Die gesetzlichen Anforderungen an eine darüberhinausgehende Entziehung des Pflichtteils sind jedoch deutlich höher. § 2333 Abs. 1 BGB regelt im Einzelnen, welche Verfehlungen eines Abkömmlings eine Pflichtteilsentziehung rechtfertigen können.

Das Gesetz spricht von den Fällen,

  • dass ein Abkömmling beschriebenen nahestehenden Personen nach dem Leben trachtet,
  • sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine dieser Personen schuldig macht,
  • eine Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder
  • wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wurde und der Pflichtteil deshalb für den Erblasser unzumutbar ist.
  • Das Gesetzt spricht auch noch davon, dass die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Erziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wurde.

§ 2336 Abs. 2 BGB bestimmt darüber hinaus, dass der Grund der Entziehung des Pflichtteils zur Zeit der Errichtung des Testamentes noch bestehen muss und dieser Grund in dem Testament anzugeben ist. Sollte sich der Erblasser auf die rechtskräftige Verurteilung des Abkömmlings wegen einer vorsätzlichen Straftat berufen wollen, so muss diese zur Zeit der Errichtung des Testamentes begangen sein und der Grund für die Unzumutbarkeit eines Pflichtteils aus Sicht des Erblassers vorliegen und beides muss in dem Testament angegeben werden.

Der Erblasser muss in dem Testament die Gründe für die Pflichtteilsentziehung so konkret angeben, dass später geklärt werden kann, auf welchen konkreten Umstand sich die Entziehung gründet und ob sie gerechtfertigt ist. Der Erblasser muss zumindest einen „Sachverhaltskern“ angeben, mithin eine substantiierte Bezeichnung, die es erlaubt festzustellen, weshalb der konkrete Pflichtteil entzogen worden ist und auf welchen Lebenssachverhalt sich der Erblasser bezieht (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.07.2019, Az.: 7 U 134/18).

Unzumutbarkeit eines Pflichtteils

Eine Unzumutbarkeit eines Pflichtteils für den betreffenden Abkömmling aus Sicht des Erblassers liegt vor, wenn die Straftat den persönlichen, in der Familie gelebten Wertvorstellungen des Erblassers in hohem Maße widerspricht. Besonders schwere Straftaten können eine Unzumutbarkeit bereits in sich tragen.

In einem aktuell entschiedenen Fall enthielt ein Testament lediglich den Hinweis auf eine Haftstrafe des Abkömmlings von 4 ½ Jahren, die zu zwei Dritteln verbüßt worden war. Daneben verwies der Erblasser allgemein auf eine Drogenabhängigkeit und Vorstrafen des Abkömmlings sowie über dessen Kontakt zu arabischen Großfamilien und Drogenhandel. Der Umstand, dass der Abkömmling zu einer Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren verurteilt wurde, lässt zwar darauf schließen, dass dem Urteil erhebliche Straftaten zugrunde liegen, es ist jedoch unklar, ob es sich um eine einzelne Straftat handelte und ob die Straftaten geeignet sind, eine Unzumutbarkeit ohne weitere Begründung des Erblassers zu rechtfertigen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Erblasser auf mehrere Vorstrafen Bezug nimmt und lediglich darauf verweist, dass der Abkömmling wegen Drogenhandels vorbestraft sei, hätte es für eine wirksame Pflichtteilsentziehung weiterer Ausführungen hierzu bedurft (LG Verden, Urteil vom 10.08.2021, Az.: 5 O 40/21; OLG Celle, Urteil vom 17.03.2022, Az.: 6 U 63/21).

Fazit

Diese Entscheidungen verdeutlichen, dass eine wirksame Pflichtteilsentziehung erfordert, dass sehr gewissenhaft Ausführungen zur Begründung der Pflichtteilsentziehung schriftlich im Testament niederzulegen sind. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind im Detail derart anspruchsvoll, dass die Formulierung der Pflichtteilsentziehung in einem Testament im Rahmen einer Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht erfolgen sollte. Ansonsten ist erfahrungsgemäß die Gefahr sehr groß, dass die Pflichtteilsentziehung rechtlich ins Leere läuft.

[Detailinformationen: RA Arno Wolf, Fachanwalt für Erbrecht, Tätigkeitsschwerpunkt Immobilienrecht, Telefon 0351 80718-80, wolf@dresdner-fachanwaelte.de

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Foto(s): Mabel Amber auf Pixabay

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