Ergebnisse aus heimlichen Überwachungsmaßnahmen, die zu weit gehen, sind nicht verwertbar

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Die durch eine heimliche Installation eines Computerkontrollprogramms gewonnenen Daten können zum Zwecke des Nachweises von Manipulationen am Arbeitszeitkonto für den Ausspruch einer Kündigung dann nicht verwertbar sein, wenn der Arbeitgeber mehr Daten erforscht hat, als er für die Belegung der Manipulation benötigt hat, meint das Arbeitsgericht Augsburg.

Der Arbeitgeber begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden. Der Grund für die außerordentliche Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden liegt darin, dass er sein Arbeitszeitkonto im EDV-System des Arbeitgebers manipuliert hat. Bei dem beim Arbeitgeber bestehenden elektronischen Zeiterfassungssystem hält der Arbeitnehmer bei Beginn und Ende der Arbeitszeit einen personalisierten Chip an das Zeiterfassungsterminal. Dadurch wird eine elektronische Buchung im Arbeitszeitprogramm vorgenommen, die den Beginn der Arbeitszeit minutengenau festhält. Alle Mitarbeiter der Personalabteilung haben über einen persönlichen User-Namen und einem Passwort eine Zugriffsberechtigung auf alle Arbeitszeitdaten der Mitarbeiter verbunden mit der Berechtigung, diese manuell zu ändern. Der betreffende Arbeitnehmer, also auch der Betriebsratsvorsitzende hat diese Möglichkeit normalerweise nicht. 

Wegen einer festgestellten nachträglich am 09.01.2012 mit dem Benutzernamen „EDV" Nr. 79 vorgenommenen Änderung des Arbeitszeitkontos des Betriebsratsvorsitzenden im Arbeitszeitprogramm betreffend den 09.12.2011, überprüfte der Arbeitgeber die Arbeitszeitdaten des Betriebsratsvorsitzenden im Arbeitszeitprogramm bis in das Jahr 2010 zurück. Hierbei wurde festgestellt, dass seine Arbeitszeitdaten des Öfteren nachträglich durch Manipulationen im EDV-System geändert wurden seien. Um Herauszufinden, wer die Manipulationen vorgenommen hat, ließ der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrates ein Programm installieren, das alle Anmeldedaten an das Arbeitszeitprogramm aller Computer protokollierte. Da diese Vorgehensweise sich als nicht praktikabel herausstellte, ließ er am 16.04.2012 ebenfalls ohne Beteiligung des Betriebsrates ein Programm auf dem Rechner des Betriebsratsvorsitzenden installieren, um feststellen zu können, ob von diesem Rechner aus der Zugriff stattfinde. Am 03.05.2012 erstellte dieses Programm sogenannte Screenshots, mit denen eine Manipulation durch den Betriebsratsvorsitzenden bewiesen wurde. Während dieser Aufzeichnung wurde ebenfalls mit aufgezeichnet, dass von dem Arbeitsplatzrechner des Betriebsratsvorsitzenden über das Internet in dessen privaten E-Mail-Account eingeloggt und dort private E-Mails bearbeitet wurden.

Der Betriebsrat verweigert seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden. Die durch das Programm gewonnen Erkenntnisse unterlägen einem Beweisverwertungsverbot. Die Kündigung dürfte daher nicht ausgesprochen werden.

Der Arbeitgeber sieht dies anders.

Zwar stelle die heimliche Datenaufzeichnung über den Rechner des Betriebsratsvorsitzenden einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht desselben dar. Dieses werde nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber nicht schrankenlos gewährleistet. Bestünden überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers, könne ein solcher Eingriff gerechtfertigt sein, um Gründe für eine Kündigung zu beweisen.

Das Gericht ersetzte die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden jedoch nicht. Die gewonnen Erkenntnisse unterlägen im vorliegenden Fall einem Beweisverwertungsverbot. Dem Betriebsratsvorsitzenden könne deshalb keine Kündigung ausgesprochen werden.  

Wie die vom Arbeitgeber vorgelegten Kopien der aufgenommenen Screenshots zeigen, wurde in dem vorgesehenen Zeitintervall nicht nur die Manipulationen des Arbeitnehmers am Arbeitszeitkonto, sondern auch die private E-Mail-Bearbeitung erfasst. Das installierte Kontrollprogramm stellt sich deshalb jedenfalls in seiner konkreten Funktionsweise als unverhältnismäßige Maßnahme dar. Dies hat zur Folge, dass die mit diesem Kontrollprogramm aufgenommenen Screenshots prozessual nicht verwertet werden können.

Nach alledem ist die Zustimmung des Betriebsratsvorsitzenden zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden nicht zu ersetzen.

(Quelle: Arbeitsgericht Augsburg, Beschluss vom 04.10.2012; 1 BV 36/12)

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