EuGH setzt neue Rahmenbedingungen für den grenzüberschreitende Sitzverlagerung – EuGH (Polbut)

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In dem vorausgegangenen Rechtstipp wurde die Möglichkeiten eines grenzüberschreitenden Formwechsels von Auslandsgesellschaften – sog. Outbound Conversion – nach der „Vale-Entscheidung“ des EuGHs vom 12. Juli 2012 Az. C-378/10), beschrieben, also die von der Rechtsprechung anerkannte Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Formwechsels, zusammen mit der Verlegung ihres Satzungs- und Verwaltungssitzes.

Mit der Entscheidung Polbud (Urt. v. 25.10.2017 – C-106/16) stellt der EuGH nunmehr auch die reine Satzungssitzverlegung unter den Schutz der Niederlassungsfreiheit und ermöglicht damit den nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, ihr „Rechtskleid“ ohne eine gleichzeitige Verlegung des tatsächlichen Sitzes zu wechseln.

Neben der gleichzeitigen Verlegung von Verwaltungs- und Satzungssitz steht nunmehr auch die reine Satzungssitzverlegung (entgegen der bisher herrschenden Interpretation der EuGH-Rechtsprechung) unter dem Schutz der Niederlassungsfreiheit, die von den Mitgliedstaaten nur in den engen Grenzen der Geeignetheit und Erforderlichkeit zum Schutz zwingender Allgemeininteressen vom Wegzugstaat beschränkt werden darf. Gegenüber dem Dictum in der Sache VALE hat der EuGH damit die Niederlassungsfreiheit im Sinne einer Rechtswahlfreiheit interpretiert; ihre Inanspruchnahme setzt keine tatsächliche Tätigkeit und keinen Hauptverwaltungssitz im Staat, dessen Gesellschaftsrecht gewählt wird, voraus.

Es ist zu erwarten, dass die Rahmenbedingungen für den grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel durch den europäischen Gesetzgeber durch eine entsprechende Sitzverlegungsrichtlinie vorgegeben werden.

Diese Entscheidung bietet heute bereits neue und interessante Gestaltungsmöglichkeiten, das Gesellschaftsstatut durch Rechtsformwechsel auch nachträglich zu ändern. Im Bereich des Unternehmensrechts sind weitreichende Folgen zu erwarten, besonders in Bezug auf den sog. „Wettbewerb der Rechtsordnungen“.



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