EuGH wird über den Handel mit „gebrauchten“ eBooks entscheiden

  • 4 Minuten Lesezeit

Die niederländische „RECHTBANK DEN HAAG“ hat in einem Rechtsstreit zwischen mehreren Verlagsgruppen und dem Betreiber der Webseite „Tom Kabinet“ dem dem EuGH mehrere Fragen vorgelegt, um die Rechtmäßigkeit des Handels mit „gebrauchten“ eBooks zu klären.

Tom Kabinet ist eine niederländische Webseite, die es Mitgliedern ermöglicht, eigene eBooks zu „spenden“, hierfür „Credits“ zu erhalten und mit diesen Credits wiederum (oder mit echtem Geld) „gebrauchte“ Bücher anderer Nutzer zu erwerben. Diese können die Bücher nach dem Lesen wieder zurück an Tom Kabinet „verkaufen“. Die Vertragsbedingungen von Tom Kabinet sehen vor, dass die Nutzer sämtliche bei ihnen vorhandenen Kopien der Bücher nach dem Verkauf vernichten, zudem kann jedes „gebrauchte“ Buch von Tom Kabinet nur einmal (gleichzeitig) verkauft werden. So soll sichergestellt werden, dass tatsächlich „nur“ die eine Vervielfältigung des Buches im Umlauf ist und der Dienst nicht als Kopiernetzwerk genutzt wird. Es gibt allerdings keine Möglichkeit für Tom Kabinet, sicherzustellen, dass die Nutzer die Bücher tatsächlich löschen. Außerdem wurde im Laufe des Rechtsstreits bekannt, dass auf den Servern von Tom Kabinet eine Kopie der eBooks verbleibt, auch nachdem sie an einen Nutzer verkauft wurden.

Vor diesem Hintergrund verlangten die Kläger im Ergebnis die Einstellung des Geschäftsbetriebs. Sie argumentierten, Tom Kabinet erstelle rechtswidrig Vervielfältigungen der eBooks und mache diese öffentlich zugänglich. Für die rechtliche Beurteilung des Falls kommt es maßgeblich auf die Frage an, ob beim ersten Verkauf eines eBooks die sog. „Erschöpfung“ eintritt. Diese ist in Deutschland in § 17 Abs. 2 UrhG geregelt, der lautet:

„(2) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, so ist ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig.“

Die Norm regelt also, dass „Vervielfältigungsstücke“, also CDs, Schallplatten und (Papier-)Bücher in der EU (weiter-)verkauft werden dürfen, sobald sie mit Zustimmung des Berechtigten in den Verkehr gebracht wurden. Nach der Rechtsprechung deutscher Gerichte gilt dies aber grundsätzlich nicht für digitale „Vervielfältigungsstücke“. § 15 Abs. 1 UrhG spricht in Bezug auf das Verbreitungsrecht von einem Recht, das Werk in körperlicher Form zu verwerten. Daran fehlt es bei eBooks.

In Deutschland hat das OLG Hamm (Urteil vom 15.5.2014 – 22 U 60/13) für Hörbücher entschieden, dass diese beim digitalen Verkauf nicht dem Erschöpfungsgrundsatz unterliegen und daher nicht „gebraucht“ gehandelt werden dürfen. Ebenso hat das OLG Hamburg für Hörbücher und eBooks entschieden (Hinweisbeschluss vom 4.12.2014 und Beschluss vom 24.3.2015 – 10 U 5/11). Die Hamburger Richter vertraten dabei anders als die niederländischen Kollegen die Auffassung, eine Vorlage an den EuGH sei entbehrlich, da „offenkundig kein Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts besteht“. Zur Begründung verwiesen sie auf den Wortlaut der Formulierung in Art. 4 Abs. 2 und Erwägungsgrund Nr. 29 der RL 2001/29/EG, nach dem der Erschöpfungsgrundsatz auf Online-Dienste keine Anwendung findet. Die deutschen Gerichte betonten zudem, dass der Verkauf von eBooks eine öffentliche Zugänglichmachung der Werke nach § 19a UrhG und keine Verbreitung nach § 17 UrhG darstelle. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung unterliegt jedoch keiner Erschöpfung – eine Regelung wie der des § 17 Abs. 2 UrhG gibt es hier nicht, für eine entsprechende Anwendung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke.

Für „gebrauchte“ Software hat der Bundesgerichtshof in mittlerweile drei Entscheidungen (UsedSoft I – III) abweichend entschieden, dass eine Erschöpfung eintreten kann, dies beruht aber auf den Spezialregeln der Computerprogramm-Richtlinie bzw. deren Umsetzung in §§ 69a ff. UrhG.

Im „Tom Kabinet“ Fall scheinen die niederländischen Richter das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe bzw. Zugänglichmachung zu verneinen. Sie begründen dies damit, dass ein Buch, das zum Verkauf angeboten wird, nur von einem Käufer heruntergeladen werden könne und es somit an der erforderlichen „Öffentlichkeit“ fehle.

Dem EuGH werden nun vier Fragen vorgelegt, die bisher nur in niederländischer Sprache zur Verfügung stehen. Im Wesentlichen geht es zunächst darum, zu klären, ob die Formulierung „die Verbreitung an die Öffentlichkeit in beliebiger Form“ in Art. 4 Abs. 1 der InfoSoc-RL auch eine „Verbreitung“ im Sinne des Verkaufs eines eBooks zum Download erfasst.

Falls diese Frage bejaht wird, möchte das Gericht wissen, ob ein solcher Verkauf zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts an diesem „Werkstück“ führt. Die dritte und vierte Frage befasst sich mit dem Problem, dass beim Verkauf von Dateien regelmäßig gerade nicht „die Originaldatei“ weitergegeben wird, sondern es entsteht eine Kopie derselben. Hierdurch ist das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG betroffen, das ebenfalls grundsätzlich keiner Erschöpfung unterliegt. Die niederländischen Richter möchten insofern wissen, ob der Rechteinhaber den Verkauf mit Blick auf diese Vervielfältigungshandlungen verbieten kann oder diese „zurücktreten“ müssen, um den legalen Weiterverkauf der Dateien zu ermöglichen.

Die Entscheidung des EuGH kann mit Spannung erwartet werden. Sollte der EuGH im Sinne von „Tom Kabinet“ entscheiden, hätte dies weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Digitalmarkt, da die Regeln für alle digitalen Inhalte (mit Ausnahme von Computerprogrammen) gleichermaßen gelten.

Ein Aktenzeichen des EuGH ist noch nicht bekannt, da die Fragen diesem erst vorgelegt werden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Marc Hügel

Beiträge zum Thema