Europäischer Gerichtshof: Erste Kopie der Patientenakte ist kostenlos

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Hintergrund

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten im Jahr 2013 haben Patienten ein Recht auf Einsicht in ihre Patientenakte. Falls der Patient möchte, kann er auch eine Kopie seiner Patientenakte erhalten. Die hierfür entstandenen Kosten kann der behandelnde Arzt gemäß § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB in Rechnung stellen. Mit dem Inkrafttreten der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) besteht auch im Datenschutzrecht eine Regelung zur Einsichtnahme und zum Anspruch auf Kopien der Patientenakte. Allerdings ist nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO eine Kopie der personenbezogenen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Konkret heißt es in Art. 15 Abs. 3 DSGVO: „Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt […] verlangen.“

Sachverhalt

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall verlangte ein Patient aus Sachsen-Anhalt von seiner Zahnärztin die unentgeltliche Übermittlung von Behandlungsunterlagen. Er war der Ansicht, die Zahnärztin hatte einen Behandlungsfehler begangen. Im Zuge dessen verlangte er Schadensersatz und wollte gerichtlich gegen sie vorgehen. Die Zahnärztin erklärte sich zur Übersendung der Unterlagen bereit, forderte jedoch, dass der Patient die Kosten dafür übernimmt. Ihren Anspruch stützt sie auf § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB. Der Patient lehnte dies ab und begehrte weiterhin aufgrund von Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO die unentgeltliche Übermittlung. Nachdem die Richter des Bundesgerichtshofs nicht wussten, wie sie mit diesem Widerspruch umgehen sollten, ersuchten sie im Wege eines sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens (EuGH, 26.10.2023 – C-307/22) den Europäischen Gerichtshof und fragte ihn, wie die Regelungen im vorliegenden Fall auszulegen seien.

Entscheidung

Die Luxemburger Richter gaben der Klage des Patienten statt und stellten fest, dass die erste Kopie der Unterlagen kostenlos sein muss. Demnach dürfe dem Patienten keine Kosten entstehen. Sie haben grundsätzlich ein Recht, eine Kopie ihrer medizinischen Akte zu bekommen. Patientinnen und Patienten müssen dies auch nicht begründen. Ob sie wissen möchten, welche Daten über sie gespeichert werden oder ob sie einen Behandlungsfehler vermuten, sei nicht von Bedeutung. Ärzte können die Übersendung der Akte nur verweigern, wenn das Vorgehen der Patienten rechtsmissbräuchlich ist. Dies ist etwa der Fall, wenn dieser wiederholt und exzessiv Einsicht verlangt.

Außerdem konstatieren die Richter, dass der Datenschutz ein gleichmäßiges und hohes Schutzniveau für natürliche Personen gewährleistet. Selbst wenn das für Ärzte Zeit und Aufwand bedeutet – die wirtschaftlichen Interessen der Behandler müssten zurückstehen, damit das Auskunftsrecht der DSGVO praktisch wirksam ist. Zudem sei wichtig, dass die Kopie vollständig sei, damit keine relevanten Daten ausgelassen oder falsch wiedergegeben werden, d.h. dass die Übersendung der Akte auch Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthält.

Auswirkungen

Die Entscheidung des EuGHs wird sicherlich den Arbeitsalltag in den Arztpraxen verändern. Sie könnte auch für andere Lebensbereiche wichtig sein. Das höchste europäische Gericht stellt klar, dass das Recht der Menschen, Auskunft über ihre Daten zu verlangen, einen hohen Stellenwert hat. Dies gilt auch, wenn es nicht um die Korrektur von Daten oder Datenschutz ganz allgemein geht, sondern auch, wenn der Betroffene andere Gründe hat.


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